zu Besuch bei: Jeanette Lagall
Meinen Besuch bei Jeanette Lagall, die es gleich mit ihrem ersten Buch auf die Midlist History des Skoutz Awards geschafft hat, möchte ich nutzen, um ihrer Cover-Designerin mein Kompliment auszusprechen, denn die Reise des Karneolvogels springt einem sofort ins Auge und löst (bei mir zumindest) sofort begehrliches Kribbeln in den Fingern aus. So muss sich Gollum beim Anblick des Rings gefühlt haben („Mein Schaaaaatz“).
Was natürlich nicht heißen soll, dass nicht etwa der Inhalt B.C. Bolt dazu bewogen hat, aus einer langen Liste toller Bücher dieses in die Midlist zu wählen.
Zu Besuch bei Jeanette Lagall – live aus dem Zirkus
Was ist dein »Sprit« beim Schreiben, woher nimmst du deine Ideen?
Aus dem Alltag. Ich denke, das ist bei den meisten Autoren so.
Ja. Mehr oder weniger. Außer bei Frank Hebben, da kommen die Ideen aus einem Paralleluniversum in seinem Kopf.
Ich beobachte z. B. irgendeine Situation, die meistens nicht einmal sonderlich bemerkenswert ist. Aber dann fängt mein Kopf an, diese Situation weiterzuspinnen und am Schluss kommt etwas Interessantes dabei heraus. Oder auch nicht, aber das muss ja dann keiner erfahren.
Nein. Ich kann auch diskret sein. Manchmal.
Was würdest du tun, wenn du nicht mehr schreiben könntest?
Endlich mal alles lesen, was mir liegengeblieben ist!
Oh Gott! Frage nicht, was diese Interviews mit meinem Sub anrichten. Ich muss 120 Jahre alt werden, um die alle zu lesen. Und was sonst würdest du machen?
Sprachen lernen, mehr Sport treiben, spazieren gehen, Rezepte ausprobieren, den Carport renovieren, zwei alte Schränke von meinen Großeltern restaurieren, den Garten neu anlegen,…
Die Liste könnte ich noch ewig fortführen. ?
Du könntest dich mit J.R. Hellway zusammentun, der würde in diesem Fall dann auch sein Haus renovieren.
Aber das Schreiben würde mir schon fehlen.
Das hat jetzt aber hoffentlich nichts mit meiner Drohung zu tun, dich mit Herrn Hellway als Handwerkerteam zusammenzubringen?!
Zu welchen Anlässen hast du schon überlegt, mit dem Schreiben aufzuhören?
Jedes mal dann, wenn ich auf der einen Seite die Begeisterung der Rezensenten sehe, aber auf der anderen die realen Verkaufszahlen.
Ich schiebe das mal auf die Ungeduld des Debütautors.
Mach das. Die weitaus meisten Autorenkarrieren scheitern nicht etwa an fehlendem Talent (wobei Talent gewiss nicht schadet), sondern an fehlender Geduld. Du bist ja jetzt schon weiter als viele andere, die auch nicht mit weniger Begeisterung an ihren Geschichten arbeiten.
Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?
An dieser Stelle müsste ich jetzt spoilern, was ich aber lieber nicht tue. Nur so viel: Es gab eine Szene, mit der ich mir fürchterlich schwer getan habe, ob die Charaktere nun dieses oder doch besser jenes tun sollten. Nach langem Hin- und Her habe ich mich für etwas entschieden, was mir dann nach Fertigstellung überhaupt nicht gefallen hatte.
Hast du es dann so gelassen, oder dich als Herr der Geschichte durchgesetzt?!
Jedenfalls konnte ich während des Buchschreibens immer mal wieder das Phänomen der sich verselbständigender Charaktere bestaunen. Also habe ich meinem „Problemfall“ einfach gesagt, „gut, ich halte mich raus, tu‘, was du für richtig hältst“.
Was soll ich sagen? Er hat mich mit seiner Entscheidung wirklich überrascht. Das war unglaublich faszinierend.
Nicht nur für dich. Eine meiner liebsten Leserinnen ist fast vom Glauben abgefallen, als ich ihr erzählt habe, dass ich ganz oft nicht weiß, wie eine Szene (oder daraus folgend auch das ganze Buch) enden wird, weil das die Protagonisten eher spontan entscheiden. Ich persönlich finde das super, denn so kann ich mich ernsthaft beim Schreiben selbst überraschen lassen.
Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?
Da es noch nicht so viel von mir gibt, beziehe ich die Frage jetzt mal nur auf „Die Reise des Karneolvogels“.
Es sei denn, du hast schon einen Nachfolger auf dem PC …Das
Der Roman selbst ist nicht autobiografisch. Der Anlass, aus dem er entstanden ist, jedoch zu 100%.
Das klingt spannend, erzähl doch weiter …
Das war noch zu Schulzeiten, als meine Freundin und ich uns Hals über Kopf in einen ganzen Zirkus verliebt haben. Wir waren so begeistert, dass wir jeden Tag dort waren, und da wir auch tagsüber dort herumgeschlichen sind, sind wir ziemlich schnell aufgefallen. Die Zirkusleute fanden unsere Begeisterung dabei wohl so niedlich, dass sie uns erlaubt haben, bei den Proben zuzuschauen, sie mit Fragen zu nerven und jeden Abend kostenlos in die Vorstellung zu kommen. Total nett, oder?
Ja. Allerdings.
Natürlich haben meine Freundin und ich uns dann in den schillerndsten Farben ausgemalt, wie es wäre, alle Zelte hinter uns abzubrechen und mit diesem Zirkus mitzugehen – was wir uns allerdings nie im Leben getraut hätten. Die Idee hat mich jedoch nie so richtig losgelassen und herausgekommen ist dieses Buch.
Was zeigt, dass Feigheit gelegentlich auch zu Gutem führt.
Die Zirkusleute sind übrigens nicht die originalen aus dem damaligen Zirkus. Nur einen habe ich mitgenommen, doch sogar er ist letzten Endes frei erfunden. Denn diese Person hat mich von allen am meisten, nunja, sagen wir mal „fasziniert“ ;-). Nur leider konnte ich nie auch nur ein einziges Wort mit ihm wechseln, da er kein Englisch konnte und ich keiner der Sprachen mächtig war, die er gesprochen hat.
Damit hast du ihm doch ein wundervolles Kompliment gemacht, denn in deinem Buch ist er unsterblich. Was er wohl sagen würde, wenn er eines Tages deinen Karneolvogel in die Hände bekommt? Aber wenn wir schon bei Komplimenten sind …
Was wäre das größte Kompliment, das man dir als Autor machen kann?
Dein Buch hat mich so gefesselt und ich habe mitgefiebert, wie schon lange nicht mehr. Und: Ich will unbedingt wissen, wie es weitergeht!
Na, dafür bekommst du keinen Originalitäts-Bonus. Aber ja. Diese aufrichtige, mitfiebernde Begeisterung ist schon toll. Das freut uns alle.
Wer ist für dich dein idealer Leser?
Der die Kriterien von oben erfüllt.
Du bist echt bescheiden. Ist das alles?
Nein, nicht nur. Der ideale Leser ist der, der sich auf die Geschichte und die Charaktere einlässt, um sich mit ihren für ein paar Stunden in ihrer Welt zu verlieren.
Bei einer Historien-Autorin passt das 3. Gesetz der Buchmagie natürlich besonders gut:
Ansonsten mag ich konstruktive Kritik, ehrliche Rezensionen und natürlich, wenn man mein Buch weiterempfiehlt.
Wer mag das nicht? Aber genug der Harmonie-Betrachtungen …
Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?
Bei den Protagonisten trifft das eigentlich auf gar keinen zu. Aber bei den Familien der Mädchen durchaus. Sie sind zwar nur Nebenfiguren, aber da sie etwas tun und eine Einstellung haben, die mir zuwider läuft, finde ich es durchaus schwierig mit ihnen „zusammenzuarbeiten“.
Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?
Dürfen wir dein Buch auf die Spiegel-Bestseller Liste stellen?
Wir hoffen, dass die Skoutz-Midlist fürs Erste reicht und wünschen dir viel Glück. Damit es auch noch für die Shortlist und vielleicht für den Sieg reicht. Mir hat das Gespräch viel Spaß gemacht und fände es toll, bald mal wieder etwas von dir zu lesen.
Hier könnt ihr Jeanette Lagall treffen:
Jeanette Lagall auf Facebook
Autorenhomepage (wird ergänzt, sobald es sie gibt)
Skoutz-Lesetipp: Die Reise des Karneolvogels: Der Wanderzirkus – ein Historienroman aus der viktorianischen Zeit von Jeanette Lagall.
Um der arrangierten Hochzeit zu entgehen, verkleiden sich die beiden ‘höheren Töchter‘ Riki und Myra als Knaben und schließen sich einem Wanderzirkus an. Dank ihrer neuen Identität entkommen sie zwar den Fesseln der viktorianischen Gesellschaft, doch die Welt der Gaukler ist nicht nur bunter, sondern auch gefährlicher als erwartet.
Der Karneolvogel, ein mächtiges Artefakt der Gaukler, ist verschwunden und sein Hüter Ramiro schwebt in Lebensgefahr, wenn es nicht bis zur großen Versammlung wieder auftaucht.
Dass nun auch noch die Liebe ihre kapriziösen Finger ins Spiel bringt, verschärft die Situation zusätzlich – denn was würden die Zirkusleute tun, wenn die Lüge der beiden ’Knaben‘ ans Licht kommt? Das Geheimnis muss also um jeden Preis gewahrt bleiben. Aber wie, wenn ausgerechnet derjenige Gefühle für Riki entwickelt, der sich selbst niemals eingestehen könnte, einen Jüngling zu lieben – und für den Liebe und Verrat ohnehin Hand in Hand gehen.
Während die Gaukler den Spuren des Artefaktes folgen und sich herauskristallisiert, dass womöglich ein Verräter unter ihnen ist, setzen die Familien der Mädchen alles daran, die Ausreißerinnen zu finden, und bringen damit den ganzen Wanderzirkus in Gefahr …
Da dieses Buch mit der Geschichte zweier Freundinnen, die aus ihrem fremdbestimmten Leben fliehen und sich einem Wanderzirkus anschließen, von Skoutz-Jurorin B.C. Bolt in die Midlist History des Skoutz-Awards 2016 gewählt wurde, haben wir das Buch von Jeanette Lagall ausführlich untersucht und gesondert präsentiert. Wenn ihr neugierig seid, könnt ihr hier weiterlesen.
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