Skoutz-Autoreninterview Florian Scheibe

Zu Besuch bei Florian Scheibe

Der Skoutz-Kauz hat mich heute darauf aufmerksam gemacht, dass wir einen Termin zum Interview haben. Skoutzi, ich habe es nicht vergessen, bin nur ein wenig in Eile. Wir treffen uns heute mit Florian Scheibe, der mit seinem Titel „Der Biss“ auf der Midlist Contemporary von Annemarie Bruhns steht.

Persönlich kennen wir ihn noch nicht und deshalb freue wir uns besonders, ihn heute kennenzulernen. Es scheint, der Skoutz-Kauz weiß, wo es langgeht. Stimmt, er hat es gefunden. Wir sind da.

Zu Besuch bei Florian Scheibe, der in Schüben schreibt

Hallo lieber Florian, wir freuen uns sehr, dass wir dich heute persönlich treffen dürfen. Wir sind schon sehr gespannt, was du uns erzählen magst und wie dir unsere Fragen gefallen. Unser Skoutz ist ein kleiner neugieriger Kerl, er schaut sich gerade kurz bei dir um …..

Wo sitzen wir denn, also wo willst du uns empfangen?

Wir sitzen am Kanal in Berlin Neukölln auf einer Bank, schauen aufs Wasser, auf dem mehrere Gruppen mit Schlauchbooten flussabwärts schippern, und trinken Spezi.

Perfekt, die Location gefällt mir sehr gut. Spezi habe ich schon ewig nicht mehr getrunken, da werden Kindheitserinneurngen wach. Das ist richtig lecker! 

Nach welchem Motto lebst du? Und wirkt sich das auch auf dein Schreiben aus?

Chaotisch. Unstrukturiert. Ablenkbar. Weltmeister der Prokrastination. Das Schreiben findet immer statt, richtig voran geht es aber nur in Schüben.

Ach, wirklich? Das kennen wir von vielen Autoren, aber so ehrlich sind da nur wenige. Andererseits, irgendwie effektiv ist es ja trotzdem. Du bekommst ja ein Ergebnis. Wie äußert sich das Schubschreiben?

Dafür brauche ich dann mehrere Tage am Stück, an denen ich nichts (ich meine im wörtlichen Sinne NICHTS) anderes mache als schreiben.

WOW, Schreibekstase sozusagen. 

Was ist dein erster Gedanke, wenn ich dich frage, was du GAR NICHT magst?

Arroganz.

Das ist auch wirklich nichts Gutes. Mag keiner. Und trotzdem ist es schwer auszurotten. Und sonst? So im Alltag?

Zu heißer Milchschaum auf einem Cappuccino.

Darum auch sicherheitshalber heute Spezi! 🙂 Der chaotische Künstler, als der du dich vorgestellt hast, ist ja ein durchaus gängiges Bild. Das bringt mich zu meiner nächsten Frage: 

Als Klischee wird man nicht geboren, sondern muss sich den Titel erarbeiten. Klischees sind so praktisch wie lästig. Wie gehst du persönlich mit ihnen um? Beim Schreiben wie im Leben?

Ich liebe Klischees.

Warum?

Klischees helfen uns, uns in der Welt zurechtzufinden. Aber sie müssen passen. Denn es gibt nichts Dümmeres als schlechte Klischees.

Das ist wahr. Dann helfen sie ja auch nicht, sondern leiten uns in die Irre. Heimtückisch, das. 🙂  Wie gehst du in deinen Schreibschüben mit den Klischees um?

Auch beim Schreiben greife ich gern auf Klischees zurück, weil ich davon überzeugt bin, dass wir als Menschen es in unserem Alltag auch tun. (Gute) Klischees bringen etwas auf den Punkt. Besonders interessant ist es, beim Schreiben ein Klischee zuerst zu bedienen und dann zu brechen.

Oh ja, das macht die Geschichte richtig interessant. Weil man überrascht – und manchmal, bei den weniger guten Klischees, auch überführt wird. Das geht mir aber auch im realen Leben so. 

Allerdings! Wenn sich in einem Gespräch mit einem Menschen ein scheinbar eindeutiges Klischee plötzlich auflöst …

Das hat dann aber auch immer so einen ganz besonderen Effekt von Nähe. Weil man das Gefühl hat, etwas Wahrhaftiges bekommen zu haben. Aber bleiben wir mal noch beim Schreiben …

In welchen Genres schreibst du? Hast du dich bewusst dafür entschieden oder hast du nachher überlegt, wie du deine Geschichte einordnest?

Gesellschaftsromane, die auf Beziehungsinseln spielen. Oder auch Beziehungsromane, die viel Gesellschaftliches transportieren. Künftig gern auch Krimis unter Pseudonym (next step!).

Klasse! Da können wir uns ja auf dein neues Pseudonym freuen. Du gibst uns Bescheid? Wir halten gerne Kontakt zu unseren skoutzigen Autoren und berichten über ihre Arbeit. Zu vielen hat sich über die Jahre eine richtige Freundschaft entwickelt. 

Von wem kommt deine strengste Kritik? Und wie gehst du mit ihr um?

Von meiner Frau. Ich hasse sie dafür. Und muss ihr im Nachhinein in 97 Prozent der Fälle recht geben.

Na, siehst du. Gute Frau 😀 

Wenn wir hier schon so schön in der Natur sitzen, bin ich gespannt auf die Antwort zu unserer nächsten Frage: 

Ein Sprichwort sagt „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.“ – Wie findest Du diesen Satz?

Ich finde Gärten schön, aber auch sehr anstrengend – zumindest wenn man für sie verantwortlich ist. Insofern passt der Spruch für mich sehr gut, denn ich finde auch das Lesen anstrengend, anstrengender als das Schreiben …

Oh, wirklich? Ich lese manchmal in Dauerschleife und für mich ist das Entspannung pur. Aber das kommt vermutlich auf das Buch an. So richtig anstrengende mag ich im Moment, wo ich soviel im echten Leben um die Ohren habe, gar nicht anfangen, weil mir die Muse dazu fehlt. Bleiben wir bei Bücherliebe …

Mit welchem Buch wurde deine Liebe zu Büchern geweckt?

„In 80 Tagen um die Welt“ von Jules Verne

Oh ja? Ein wunderbarer Klassiker. Das lese ich heute noch gelegentlich. Ich lese oft Bücher mehrfach …

Wie sortierst du deine Buch-Regale?

Alphabet. Ergebnis: King in nächster Nähe zu Kafka (und umgekehrt).

Außer man packt einen Keller dazwischen. 🙂 Aber, ja, verstehe ich.  Bei einer gewissen Menge an Büchern, ist das auch die sicherste Methode, um ein Buch wiederzufinden. Wir schauen uns immer gerne Buchregale an, sie sagen so viel über Menschen aus, die sie pflegen. 

Die gesellschaftliche Diskussion über das, was man in der Kunst tun und lassen darf, ist zur Zeit sehr hitzig. Wie stehst du dem gegenüber und wie beeinflusst das deine eigene Arbeit?

Ein schwieriges Thema, zu dem ich so allgemein nicht viel sagen kann. Aber es ist literarisch sehr interessant.

Ich denke, unter jedem künstlerischen Aspekt. Wie äußert sich dein Interesse?

Mit anderen Worten: ich müsste wahrscheinlich erst darüber schreiben, um etwas dazu sagen zu können.

Ah, das kann ich nachvollziehen. Und du hast Recht, es ist kein einfaches Thema. Dafür ist aber Literatur gut, man kann quasi unter Laborbedingungen ein komplexes Thema beleuchten und mit den Figuren durchspielen, welche Lösungsansätze wohl wie wirken würden und was das auch emotional mit uns macht. Emotionen bringen mich zu einem anderen Thema, wo die Emotion auch mehr im Diskurs als im Ergebnis steckt: 

Chat GPT und andere KI-Apps sind gerade in aller Munde. Was hältst du davon, dass KI Geschichten, ja ganze Bücher alleine verfassen kann? Sind das für dich überhaupt richtige Werke?

Literarische Werke werden durch eine KI der jetzigen Generation vermutlich nicht verfasst werden. Aber im Plotten (Film) sind KIs erstaunlich (man könnte auch sagen: erschreckend) gut.

Oh, wirklich? Das habe ich tatsächlich noch nicht gewusst. Da muss ich mich mal informieren, ich möchte immer so viel wie möglich über so eine Entwicklung wissen. Dann habe ich jetzt gleich eine Art Hausaufgabe, die ich mitnehmen kann. Es ist spät geworden und hier draußen am Wasser wird es auch ein bisschen kühl. Da komme ich zu meiner letzten Frage …

Welche Frage sollen wir dir nächstes Jahr im Interview stellen?

Wie hast du dich gefühlt, als du den Deutschen Buchpreis gewonnen hast? (Denn dazu müsste ich ihn gewinnen 😉)

Ja, wunderbar! Das halte ich mal fest und wir schauen mal, was wir dich nächstes Jahr fragen dürfen. Lieber Florian, leider ist unser Interview schon vorbei, Schade. Wir haben uns wirklich total wohl hier am Kanal gefühlt. Für den weiteren Wettbewerb wünschen wir dir viel Erfolg! Vielleicht dürfen wir dich nach deinen Gefühlen fragen, als du den Skoutz-Award bekommen hast.

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Hier gibt es mehr über Florian Scheibe:

Skoutz Lesetipp:

Weiße Stunde – Spannender Roman über Konsequenz und Wahrhaftigkeit von Florian Scheibe

Die flirrende Hitze Siziliens und der bröckelnde Barock der Stadt Noto dienen als pittoreske Kulisse für ein komplexes Lügenkonstrukt: Florian Scheibe forscht in seinem spannungsgeladenen Debütroman nach allgemeiner Wahrheit und subjektiver Realität.

Der Sizilienaufenthalt eines deutschen Paares nimmt eine bizarre Wendung,
als die Frau bei einem Tagesausflug in einem verlassenen Haus spurlos verschwindet. Der Mann reagiert seltsam: Anstatt ihrem Verbleib nachzugehen, fährt er in die gemeinsame Wohnung zurück, hängt seinen Gefühlen und Erinnerungen nach, lauscht den Geräuschen der Stadt und kommt das erste Mal seit Monaten mit der Arbeit an seinem Roman voran. Seine liebste Arbeitszeit ist die „Weiße Stunde“, wenn alles menschenleer und still in der Mittagshitze liegt. Je länger er jedoch untätig bleibt, ihr Verschwinden aufzuklären, desto mehr verstrickt er sich in ein Geflecht aus Lügen und Selbstbetrug und gerät schließlich unter Mordverdacht.

Präzise und atmosphärisch schildert Florian Scheibe eine Mechanik des Sich-schuldig-Machens und führt seinen Protagonisten an die gefährlichen Grenzen zwischen Selbstüberschätzung und Selbstzerstörung, bewusster Auslieferung und unkontrollierbarem Ausgeliefertsein heran.

Skoutz meint: Ein sehr ungewöhnliches Buch, dessen Hauptfigur in mir irgendwie einen Nerv getroffen hat, der es mir erst einmal schwer gemacht hat, mich einzulassen. Aber das ist ein persönliches Problem und hat nichts mit dem sehr gut, sehr klug und sehr mitreißend geschriebenem Buch von Florian Scheibe zu tun. Weiße Stunde ist eines der seltenen Bücher, die ihre Spannung mit wenig Action aufbauen, einfach indem sie den Leser mit dem Warum beschäftigt halten. Warum ist sie weg. Warum tut er nichts? Und am Ende: Warum muss man manchmal inkonsequent sein, um sich treu zu bleiben? (kf)

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Hinweis:

Florian Scheibe steht mit seinem Titel Der Biss“  auf der Midlist Contemporary von Annemarie Bruhns.

Mit seinem Roman über Ursache, Wirkung und Folgewirkung hat er allerbeste Chancen auf den Award im Bereich Contemporary. Wir drücken ihm jedenfalls die Daumen!

Wir haben das Buch gelesen und euch hier auch schon vorgestellt.

 

 

Und wenn ihr uns, dem Autor und dem Verlag sowie vielen anderen Lesern einen Gefallen tun wollt, rezensiert die Bücher doch anschließend bei unserer Skoutz-Buchsuche. Mit 5 Klicks statt 5 Sternen entsteht eine Buchbeschreibung, die anderen hilft, das für sie richtige Buch zu finden. Also sei dabei!

 

 

 

 

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