Zu Besuch bei Christian Huyeng
Der Skoutz-Kauz und ich sind heute unterwegs um Christian Huyeng zu besuchen. Er steht mit seinem Titel „Tod im Tal der Könige“ auf der Midlist History von Kay Noa und wir freuen uns schon sehr auf diesen Besuch. Wir haben ihn schon mal besucht und freuen uns auf das Wiedersehen, denn Christian ist immer für eine Überraschung gut.
Zu Besuch bei Christian Huyeng, der zwei Schreibtische hat
Hallo lieber Christian, schön dass du dir heute für uns Zeit genommen hast. Wir sind schon sehr gespannt auf unser Interview. Unser neugieriger Skoutzi schaut sich erst mal bei dir um, ich kann es ihm nicht abgewöhnen … Und eigentlich sind wir ja genauso neugierig. 🙂
Wo sitzen wir denn, also wo willst du uns empfangen?
In meinem großen Arbeitszimmer mit zwei Schreibtischen und einem Sofa.
Gefällt mir sehr gut, so wunderbar groß. Schönes Arbeitszimmer hast du. Aber warum zwei Schreibtische? Das muss ich noch herausfinden … Aber erst mal zu den Fragen …
Nach welchem Motto lebst du? Und wirkt sich das auch auf dein Schreiben aus?
Ich habe kein Lebensmotto, wenn ich ehrlich bin. Höchstens: Hinsetzen, schreiben, weitermachen.
Das ist doch schon mal eine Art, etwas anzupacken. Und es sagt ja doch eine Menge aus. Speziell für einen Autor.
Was ist dein erster Gedanke, wenn ich dich frage, was du GAR NICHT magst?
Warme Paprika.
Oh, wirklich? So verschieden sind die Geschmäcker. Ich kann sie nur warm essen.
Als Klischee wird man nicht geboren, sondern muss sich den Titel erarbeiten. Klischees sind so praktisch wie lästig. Wie gehst du persönlich mit ihnen um? Beim Schreiben wie im Leben?
Ich vermeide sie, so gut es geht – und wenn es sinnvoll ist. Man kann mit Klischees spielen, um, zum Beispiel, einen Leser auf eine falsche Fährte zu locken.
Oh ja, das mag ich total gerne. Wie genau setzt du sie ein?
Ein Klischee bei englischen Krimis ist zum Beispiel, dass der Ermittler auf Reisen geht und dabei bestimmte Orte besucht.
Stimmt, ich habe da schon einige gelesen, da war es so. Und nun zu deinen Ermittlern …
So war auch Robert schon in Ägypten, genau wie Poirot. Ebenfalls ein Klischee ist das kleine, idyllische Dorf, in dem das Böse lauert. Solche Klischees sind Genre-typisch und es ist immer wieder interessant, sie als Basis zu benutzen und dann etwas Eigenes daraus zu machen – das dann wiederum dem Klischee gar nicht mehr entspricht.
Das finde ich total spannend, am Ende ist alles anders als gedacht. Das heißt, du nimmst die Klischees wie sie kommen, aber lässt sie nicht so sein… Jetzt hast du gerade diese typischen Brit-Krimis erwähnt …
In welchen Genres schreibst du? Hast du dich bewusst dafür entschieden oder hast du nachher überlegt, wie du deine Geschichte einordnest?
Ich schreibe (historische) Krimis, genauer gesagt Whodunnits in der Art des ‚Golden Age of Crime‘. Das heißt, es sind Krimis, in denen Forensik und moderne Ermittlungsmethoden (so gut wie) nicht vorkommen, sondern der Ermittler die Fälle durch Grips und Erfahrung löst.
Einige deiner Bücher habe ich ja schon gelesen (alle habe ich noch nicht geschafft) und mir gefällt das total gut! Lass uns noch ein bisschen über sie sprechen.
Meine Hauptreihe ‚Robert Ashford ermittelt‘ spielt dabei in den 50er-Jahren. Das ist kein Zufall, denn diese Dekade wird von vielen Menschen verklärend als ‚die gute alte Zeit‘ betrachtet, in der Männer noch Gentleman waren und man sich ‚Mühe machte‘ was Umgangsformen und das Äußere betrifft. Natürlich waren die 50er keine Goldene Zeit, aber das ist irrelevant. Wichtig ist, welche Emotionen man mit einer bestimmten Epoche verbindet.
Das stimmt wohl und jetzt wo du es sagst, ich kenne viele Menschen, die genau diese Dekade sehr verklärt betrachten. Aber auch genug, die damit andere Dinge verbinden, Nachkriegselend, Russlandkonflikte, Medienskandale … Wie singt Billy Joel? We didn’t start the Fire. Und das ist auch gut so, denn sonst wäre das eine schlechte Zeit für Krimis, wenn alles eitel Sonnenschein ist, nicht wahr? Aber du hast doch noch eine Reihe, oder?
Ja. Meine zweite Reihe ‚Lord Gerald ermittelt‘ spielt ebenfalls in den 50er-Jahren und in England. Gerald ist aber, anders als Robert Ashford, ein professioneller Privatdetektiv mit eigenem Büro, der seit dem zweiten Fall eine Partnerin, Elizabeth Hoover, hat.
Klingt super. Ich finde es schön, wenn ein Team ermittelt, das sich gegenseitig ergänzt und eine zwischenmenschliche Ebene in die Geschichten bringt. Hast du noch mehr?
In diesem Jahr beginnt auch eine dritte Reihe von englischen Krimis mit ‚Ein Fall für Ariadne Arlington‘. Diese Reihe spielt in den 30er-Jahren und ist meine erste, in der eine Frau die Hauptfigur ist.
Ich persönlich liebe Romane, die in England spielen ,und dass du jetzt eine Reihe beginnst, wo eine Frau die Hauptfigur ist, finde ich sehr spannend. Aber wenn ich mir das so anschaue, ist tatsächlich das nominierte Buch gar nicht typisch für dich.
Mit ‚Huya‘ habe ich mich auf ein ungewohntes Terrain begeben, denn es handelt sich bei diesen Büchern eigentlich ebenfalls um klassische Whodunnits, aber eben mit einem Setting im pharaonischen Ägypten der 18. Dynastie. Damit sind die Bücher eine Mischung aus historischem Roman und Krimi.
Hast mich aber sofort gefangen genommen damit. Ägypten ist faszinierend und ein Krimi verspricht, dass es nicht langweilig wird. Ich habe im letzten Interview gelernt, dass du dich ja in Ägypten gut auskennst und deine Krimis auch sehr genau planst. Ist das immer noch so? Also diese strukturierte Vorbereitung?
Das ist von mir alles genau geplant und ich habe mich auch theoretisch mit den klassischen, britischen Krimis auseinandergesetzt. Was geht? Was sind die Grenzen des Genres?
Das ist eine gute Frage! Klingt aber, als seist du sehr streng mit dir und deiner Arbeit?
Von wem kommt deine strengste Kritik? Und wie gehst du mit ihr um?
Von meiner besten Freundin. Da ich weiß, dass sie eine hervorragende Schriftstellerin und Lektorin ist, nehme ich ihre Kritik sehr ernst.
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Freunde können sehr gute Kritiker sein, einfach weil man ihnen vertraut und dann offener ist. Umgekehrt kennen die einen halt auch am besten und verstehen, wie sie es einem sagen müssen und vielleicht auch besser, was man eigentlich ausdrücken wollte. Doch! Ich glaube, Freunde sind geeignete Kritiker!
Ein Sprichwort sagt „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.“ – Wie findest Du diesen Satz?
Ich empfinde Bücher eher als ein Portal in eine andere Welt.
Ja, das haben wir jetzt auch schon oft gesagt bekommen. Das ist auch ein Empfinden von mir. Aber das Portal darf gerne in einem Garten stehen und damit schließt es sich nicht aus.
Mit welchem Buch wurde deine Liebe zu Büchern geweckt?
Kann ich gar nicht mehr sagen.
Du hast aber bestimmt noch einige im Gedächtnis, die dich damals „eingefangen“ haben, oder?
Ich habe immer schon gelesen, zuerst Jugendbücher wie die Knickerbocker-Bande von Thomas Brezina. Da war ich dann mit 8, 9 Jahren irrsinnig stolz, weil die ‚ab 12‘ waren, dann viele historische Romane.
Das Gefühl kenne ich auch noch aus meiner Kinder,- und Jugendzeit.
Hier war mein Liebling lange Zeit ‚Pharao‘ von Pauline Gedge. Den Roman kenne ich fast auswendig, so oft habe ich den gelesen. Später kam meine Liebe zu Terry Pratchett und Agatha Christie dazu. Ich habe Literaturwissenschaften studiert, da habe ich dann noch einmal ganz andere Bücher kennengelernt.
Oh, da mache ich auch einen Ausflug in meine Lesezeit. Agatha Christie und Terry Pratchett war bei mir auch immer sehr willkommen. Und mit dem Studium kamen dann die Klassiker. Toll! Das Bücher studieren ist dir dann ja auch geblieben, wie du vorhin gesagt hast.
Wie sortierst du deine Buch-Regale?
Ich habe gerade etwa 2000 Bücher weggegeben …
Oh WOW 😮 Dann hast du ja jetzt Platz für ausgefeilte Systeme. Verschieben wir die Frage und widmen uns der Gegenwart.
Die gesellschaftliche Diskussion über das, was man in der Kunst tun und lassen darf, ist zur Zeit sehr hitzig. Wie stehst du dem gegenüber und wie beeinflusst das deine eigene Arbeit?
Meine Arbeit wird, auch Genre-bedingt, dadurch so gut wie nicht berührt. Kunst muss aber frei sein – und sie muss auch provozieren, wehtun, sonst ist sie belanglos.
Ja, das stimmt, sie muss frei sein. Du sagst das irgendwie distanziert. Warum?
Ich empfinde aber meine Bücher – und die der meisten Kollegen – gar nicht als Kunst. Das ist übrigens nicht abwertend gemeint. Meine Bücher sind Unterhaltungsliteratur, mit hoher Literatur, die Kunst ist, gibt es da nur wenig Berührungspunkte. Das ist auch gut so, denn die Masse der Leser will unterhalten und nicht belehrt werden. Hohe Literatur hat aber immer den Anspruch prodesse et delectare.
Ich würde aber tatsächlich Kunst schon viel früher ansetzten. Es gibt ja auch Gebrauchskunst, oft ganz bewusst auf das Alltägliche ausgerichtet und gerade in so schwierigen Zeiten, wo viele Menschen Angst und Sorgen stärker wahrnehmen, ist es doch Kunst, zu unterhalten. Wenn man dabei lernt, ist das umso besser. Und wenn das nicht belehrend, sondern beiläufig erfolgt – dann ist das perfekt. Jetzt hab ich mit den schwierigen Umbruchzeiten schon mein nächstes Stichwort gebracht …
Chat GPT und andere KI-Apps. Was hältst du davon, dass KI Geschichten, ja ganze Bücher alleine verfassen kann? Sind das für dich überhaupt richtige Werke?
Vorneweg: Ich persönlich nutze keine KI wie Chat GPT in meinem Planungs-, Plot-, oder Schreibprozess. Ich würde aber keinen Autor verurteilen, der ein solches Programm als Hilfe nutzt.
Ja, als Hilfe sind einige meiner Interviewpartner sehr zufrieden. Zu Recherchezwecken soll das mindestens so gut wie Google sein.
Wenn jemand sich ein Buch von so einem Programm schreiben lässt, ist das dumm, denn KIen können ja gar nicht wirklich gute Texte produzieren. Natürlich gibt es schon Versuche, aber die sind eher tragisch zu nennen.
Da bin ich jetzt absolut bei dir. Ich habe in der letzten Zeit wie gesagt oft gehört, dass Autoren eine KI für Recherche nutzen, aber ein KI geschriebenes Buch ist mir noch nicht untergekommen. Meinst du, das geht nur „noch“ nicht oder ist das generell unmöglich?
Warum eine KI kein gutes Buch schreiben kann, das hier auszuführen würde den Rahmen sprengen, aber echte, emotionale und gute Texte kann eine KI nicht verfassen. Ein Künstler hat mal gesagt, dass die KI eine ‚fancy brush‘ wäre, das fand ich eigentlich ein ganz nettes Bild.
Ja, so ähnliche Ansätze hatten wir hier auch schon. KI als sehr gutes Werkzeug, das vieles vereinfacht. So in etwa?
Sie kann einen Autor möglicherweise unterstützen, in dem man sie mit Plotideen füttert und Vorschläge machen lässt, vielleicht kann sie auch Formulierungen oder Synonyme vorschlagen, auf die man nicht gekommen ist. Jede Form von KI kann eine Unterstützung sein, ein Tool. Faktisch sind ja auch Autokorrekturen, Bildbearbeitungsprogramme etc. KIen, die von allen genutzt werden.
Hm… da erwarte ich von KI schon mehr als eine komplexere Freitextsuche. Für mich beginnt das dort, wo das Programm sich selbst verbessert, also seine Entwicklung nicht mehr allein menschgemacht ist. Aber ich weiß schon, was du meinst.
Lieber Christian, leider sind wir schon mit unseren Fragen durch. Wir haben uns in deinem großen Arbeitszimmer sehr wohl gefühlt und die Atmosphäre hier war richtig gut. Hab vielen lieben Dank für deine Zeit und dass wir dich besuchen durften.
Für den weiteren Wettbewerb wünschen wir dir viel Erfolg. Und wenn ich das nächste Mal komme, dann will ich wissen, warum du zwei Schreibtische hast!
Hier gibt es mehr über Christian Huyeng:
Skoutz Lesetipp:
Venedig, 1957
Die letzte Station auf der großen Italienreise von Robert, James, Millie und Liam ist die Lagunenstadt Venedig. Zwischen Kanälen, Markusplatz und Dogenpalast wollen die vier hier einige romantische Wochen verbringen, entspannen und die Atmosphäre der Stadt genießen. Doch während Millie und Liam bei Gondelfahrten ihre zweiten Flitterwochen begehen und James glaubt, den mysteriösen Briten aus Rom wiedergesehen zu haben, wird Robert in die Ermittlungen um einen äußerst seltsamen Mordfall verwickelt: Ein Brite, der behauptete, ein Agent des MI6 zu sein, wurde in seinem Hotelzimmer ermordet. Die Todesursache ist völlig unklar, es gibt keine Zeugen und kein offensichtliches Motiv. Im Auftrag der britischen Regierung ermittelt Robert zusammen mit der Polizei von Venedig in diesem großen Rätsel.
Irgendwo auf See, 1957
Robert und James reisen auf einem luxuriösen Kreuzfahrtschiff von Italien nach Indien. Ausspannen auf See, lesen und einfach am Pool liegen, das ist zumindest der Plan! Doch dann kommt es anders als gedacht: Der mysteriöse junge Brite, den James in Rom und Venedig getroffen hat, taucht auch auf dem Schiff auf und entpuppt sich als Großbritanniens wohl begehrtester Junggeselle. Mit an Bord ist auch die reiche amerikanische Erbin Alexandra, die sich von ihrem Noch-Ehemann bedroht fühlt. Die psychisch labile Frau bittet Robert um Hilfe, doch bevor er sich näher mit dem Fall beschäftigen kann, ist Alexandra verschwunden. Ein tragischer Selbstmord, vermutet der Kapitän, aber Robert ist sich da nicht so sicher …
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