zu Besuch bei: Britta Voß

Auf meinen Besuch bei der lieben Britta Voß habe ich mich sehr gefreut. Nicht nur, weil ich Göttingen gerne mag, sondern auch, weil Britta wirklich unglaublich umtriebig ist. Autorin, Herausgeberin, Lektorin und neuerdings auch Verlegerin … Da wird es bestimmt nicht langweilig.

Zu Besuch bei Britta Voß, die für Bücher einfach alles gibt.

In der Kürze liegt die Würze – Warum gilt das auch für Geschichten?

Einer Kurzgeschichte gelingt es, auf wenigen Seiten Spannung aufzubauen und diese auch wieder aufzulösen. Ein Literatur-Snack quasi. Perfekt für zwischendurch.

Das hat unsere Anthologie-Jurorin Jana Oltersdorff auch so ähnlich gesagt. Darauf habe ich begonnen, mir Anthologien gezielt in die U-Bahn mitzunehmen. Das ist genial! Kann ich nur jedem Lesefreak empfehlen.

Was bewegt dich, Anthologien herauszugeben?

Es ist immer wieder aufregend zu sehen, wie völlig anders die Ansätze und Umsetzungen zu ein und demselben Thema sein können.

Ja, das kann ich als frisch gebackener Antho-Leser bestätigen. Und bringt mich gleich zur nächsten Frage …

Was braucht eine gute Anthologie für dich? Was ist ein gutes Anthologie-Thema?

Im Prinzip eignet sich jedes Thema für eine Anthologie.

Es gibt aber doch sicherlich bessere und schlechtere Themen. Grit Richter sagt in ihrem Interview, dass sie es wichtig findet, dass es ein Thema ist, das unmittelbar das Interesse weckt, wie das die verschiedenen Autoren umsetzen und trotzdem ein verbindendes Element bindet. Da gibt es sicherlich spannendere und weniger spannende Ansätze. 

Für den Größenwahn Verlag habe ich außer dem „Mord im Spinat“ eine zum Thema „Niedersachsen“ herausgegeben. Jetzt für meinen eignen Verlag, den Salsa-Verlag, arbeite ich an einer Erotik-Anthologie für Frauen.

Viel zu tun. Ich fand ja das mörderische Gemüse schon in der Longlist sehr spannend. Das hat mich gefreut, als Stella Delaney das Buch auf die Midlist gepackt hat. Aber deine Erotik-Anthologie stelle ich auch gerne vor, wenn es soweit ist.

Was glaubst du, wie viele Geschichten sind perfekt für eine Anthologie und wieso?

Schwer zu sagen. Es hängt sowohl von der Länge der einzelnen Beiträge als auch von der Qualität der Einsendungen, die hereinkommen, ab. Wenn es nicht um Lyrik oder Kürzest-Prosa geht, halte ich eine Anzahl an Geschichten zwischen 10 und 25 für realistisch.

Anthologien sind in Deutschland – anders als in vielen anderen Ländern – relativ schwer an den Leser zu bekommen. Woran liegt das und woher nimmst du den Mut/die Kraft/die Sturheit, es trotzdem zu versuchen?

Eine Sammlung von Kurzgeschichten gibt immer auch wieder noch nicht oder noch nicht zahlreich veröffentlichten Autoren eine Chance, das finde ich wichtig.

Oh ja. Ich kenne ganz wenige Autoren, die nicht über Anthologien mit ihrer Karriere begonnen hätten. Mich eineschlossen. An dieser Stelle einen ausdrücklichen Dank für diese unglaublich engagierte Nachwuchsförderung an alle Antho-Herausgeber.

Außerdem finde ich, wie bereits erwähnt, den Ansatz der Vielseitigkeit der Umsetzung einer Thematik spannend.

Wie erklärst du dir, dass Anthologien es trotz all ihrer Vorzüge so schwer beim Publikum haben?

Die schlechteren Verkaufszahlen mögen damit zusammenhängen, dass vor allem kleinere Verlage Anthologien im Programm haben. Die kleinen Verlage wiederum sind deutlich weniger in den Buchhandlungen vertreten, was wiederum zu schlechteren Verkaufszahlen führt.

Das mit den kleinen Verlagen und dem Handel ist so ein Henne-Ei-Problem. Ich zermartere mir seit Jahren den Kopf, wie man da gegensteuern könnte, zumal es ja Lösungen gäbe, wie sich speziell die kleinen Händler mit den kleinen Verlagen gegenseitig helfen könnten.

Man hört aber oft, dass Kurzgeschichten so ein bisschen die Abfallprodukte oder Anfängersünden der Autoren seien. Qualitative Bedenken hast du aber keine?

An der Qualität der Anthologien liegt es nicht. Genau wie im Roman- und Novellen-Bereich gibt es gute und schlechte Anthologien.

Wenn wir schon bei der Qualität sind …

Nach welchen Kriterien wählst du die Geschichten aus?

Das Thema der Anthologie muss gut umgesetzt sein. Je besser dies gelingt, desto höher sind die Chancen, dass ein Beitrag es in die Anthologie schafft.

Geht es echt nur ums Thema?

Am Ende ist es aber natürlich gleichwohl eine persönliche Entscheidung der Jury bzw. des alleinigen Entscheiders. Hier gibt es – wie bei allen Formen der Kunst – keine allgemeingültige Objektivität.

Und sonst?

Ein guter Name im Literaturbetrieb ist natürlich auch nicht von der Hand zu weisen. Hat eine Autorin bzw. ein Autor schon eine angestammte Fan-Gemeinde, hilft das schließlich der ganzen Anthologie. Der Herausgeber investiert dann vielleicht etwas mehr in das Lektorat und nimmt so einen Beitrag mit an Bord, den er bei einem unbekannten Autor bzw. einer unbekannten Autorin nicht durchgewunken hätte.

Was war dein emotionalstes / verrücktestes / außergewöhnlichstes Erlebnis als Herausgeber?

Bei einer Anthologie hatte ich mich für einen Beitrag entschieden und die Autorin darüber informiert, dass ich sie mitnehmen möchte. Wie alle anderen bekam auch sie einen Autorenbogen zum Ausfüllen, damit der Vertrag vernünftig gestaltet werden kann. Alle schickten den Bogen zurück, nur dieser eine kam nicht. Dann rief mich eine meiner engsten Freundinnen an, wir sprachen ein wenig über Belangloses, bis sie dann endlich die Bombe platzen ließ.

Da bin ich jetzt gespannt.

Sie verriet mir, dass sie sich hinter dem Pseudonym besagter Autorin verberge und mir dies vorher nicht erzählen wollte, weil sie eine objektive Einschätzung ihrer Geschichte haben wollte. Nun hatte sie seit Wochen damit gekämpft, wie sie mir das „beibringen“ solle.

Und wie hast du dann reagiert?

Ich hab mich einfach wahnsinnig über die Zusammenarbeit gefreut.

Ich seh schon …

… mit vielen Autoren zusammenzuarbeiten kann schön, aber sicher auch anstrengend sein, oder?

Natürlich ist das Anschreiben und Kommunizieren mit mehreren Autoren anspruchsvoller und langwieriger, als mit Einzelautoren. Gleichwohl hat man, falls eine Kommunikation sich einmal etwas schwieriger gestalten sollte, umgehend den Ausgleich, weil es an andere Stelle überaus harmonisch läuft.

Was wäre das größte Kompliment für dich als Herausgeber?

Wenn man mir sagt, dass man gerne bei der nächsten Reise wieder mit an Bord geht, freue ich mich sehr.

Da kann ich mir vorstellen, dass du das öfter hörst. Ich jedenfalls finde die Unterhaltung hier sehr sympathisch.

Wer ist für dich der ideale Leser?

Jeder. Mit all seinen Eigenheiten, mit all seiner Kritik und gerne auch ebensolchem Lob.

Gibt es Unterschiede zwischen Anthologie- und Roman-Covern? 

Ein klassischer Fall von „Jein“.

Damit kannst du einen Juristen nicht schrecken. Unser Standard-Spruch für alle Lebenslagen ist „Kommt darauf an…“ Worauf kommt es hier an?

Während Cover oftmals von ihrem Layout an bestimmte Autoren gebunden sind, entfällt dieses Kriterium bei mehreren Autoren natürlich völlig. Werden Cover verlagsimmanent gestaltet, sehen sich am Ende Roman-Cover und Anthologie-Cover eher ähnlich.

Bei all dem Drive, mit dem du dich Büchern im allgemeinen und Anthologien im besonderen widmest …

Welche Superkraft hättest du gern?

Fliegen können wäre schön.

Warum?

Nie mehr im Stau stehen, CO2-neutral in den Urlaub düsen, nachts aus dem Fenster starten und eine schnelle Runde drehen, wenn man nicht schlafen kann – hach, da gäbe es Möglichkeiten über Möglichkeiten.

Und wäre ein tolles Anthologie-Thema …

Für welches Produkt würdest du Werbung machen?

Für ein Produkt, dass ich wirklich empfehlen kann und auch selbst benutze. Nett in die Kamera schauen und die neuste Tee-Sorte empfehlen, obwohl ich nur Kaffee trinke, finde ich unglaubwürdig.

Jetzt wäre ich ja neugierig, welche Produkte das sind … aber das hebe ich mir für das nächste Interview auf.

Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Buchinterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?

Dürfen wir Dir eine Stunde am Tag zusätzlich schenken, wenn Du versprichst, in dieser nur zum Spaß zu lesen?

Wenn ich könnte, Britta, würde ich das machen. Und mir auch eine abzwacken.

 

Ich danke dir herzlich für dieses Interview, das mir viel Spaß gemacht hat. Der Skoutz-Kauz und ich wünschen dir für den weiteren Verlauf des Wettbewerbs noch viel Erfolg. Hoffentlich sehen wir uns in Frankfurt zu Gala.

Wo kann man euch treffen?

 

Lesetipp: Eine ungeplante Reise nach Wien – eine Hymne auf die Liebe von Ingrid Walter

Judiths Großmutter, die der wichtigste Bezugspunkt in ihrem Leben war, stirbt. Eine Geschäftsreise, ein Familienring und eine alte Schallplattenaufnahme der Lehár-Operette Giuditta führen die Enkelin nach Wien, wo die Großmutter während der Nazizeit eine gefeierte Operettensängerin war. Eine ungewöhnliche Spurensuche beginnt: Cafés, Hotelkulissen, Opernhäuser und das Wiener Flair versetzen Judith in vergangene Epochen zurück. Als sie auch noch den faszinierenden Heurigenlokal-Betreiber Leo kennenlernt, beginnt die junge Frau über Lebensläufe und das eigene Glück nachzudenken.
Erst jetzt wird sie sich bewusst, wie eingefahren ihre Ehe ist, wie sehr sie und ihr Mann sich auseinandergelebt haben und wie unglücklich sie in ihrem Job ist. Und je tiefer Judith nach den Geheimnissen ihrer Großmutter gräbt, je mehr sie dem Wiener Charme verfällt, desto mehr stellt sie auch ihr eigenes Leben auf den Prüfstand.
Eine Entscheidung über ihre Zukunft rückt immer näher, eine Entscheidung, die alles zu verändern verheißt.

Skoutz meint: Es kommt nicht oft vor, dass wir das Buch eines fremden Autors empfohlen bekommen. Entsprechend neugierig waren wir, dass Britta Voß uns selbstlos dieses Buch vorgeschlagen hat. Und danken ihr. Denn wie Ingrid Walter mit echtem Wiener Charme auf zwei Ebenen von Judiths Reise durch die Zeit und zu sich selbst erzählt, ist einfach toll. In der Geschichte ist Musik drin, sie bringt die Seele trotz vieler tragischer Momente zum Schwingen. Und am Ende hat man kluge Einsichten  und zudem zwei wundervolle Frauen als neue Buchfreundinnen gewonnen. 

Hinweis:

Britta Voß wurde mit ihrer Anthologie „Mord im Spinat“ von Stella Delaney für den Skoutz-Award 2019 nominiert. Wir haben die Sammlung von mörderischem Gemüse mit großem Leseappetit untersucht und euch ausführlich vorgestellt (weiterlesen).

 

Wenn ihr wollt, könnt ihr die Bücher in der Skoutz-Buchdatenbank bewerten. 5 Klicks, die soviel mehr aussagen als 5 Sterne (hier).

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