YouTube und die EU-Urheberrechtsreform

 

In der letzten Woche häuften sich die Anfragen in der Skoutz-Redaktion, wie das jetzt mit YouTube und diesem neuen Urheberrecht sei …

Die Meinungsmache ist im Moment in beide Richtungen so sachlich wie wir es von der DSGVO kennen. Das verängstigt die einen und nervt die anderen. Beides ist schlecht. Also sind wir wie immer losgezogen und haben uns seriös und unaufgeregt des Themas angenommen. Welchen Themas werden einige fragen? Lest selbst:

 

Um was geht’s bei der Urheberrechtsreform?

Stein des Anstoßes ist die geplante Vereinheitlichung des EU-Urheberrechts, das bei dieser Gelegenheit zugleich modernisiert werden soll. Zwei prinzipiell sehr vernünftige und lobenswerte Ansinnen, auch wenn bezüglich der Umsetzung Uneinigkeit herrscht. Den derzeit innerhalb der EU-Gremien in Diskussion befindliche Entwurf ist hier auf den Seiten der EU abrufbar.

Die erste Hürde hat der Entwurf bereits Mitte September genommen, ohne dass es sich Webwelt besonders interessiert hätte. Nun hat YouTube Chefin Susan Wojcicki in einem (englischen) Blogbeitrag angedeutet, dass künftig YouTube für Uploads den meisten Nutzern nicht mehr zur Verfügung stehen wird, und damit etwas verspätet für den erwarteten Aufschrei gesorgt.

Die Urheberrechtsreform in Kürze

Durch die virale Verbreitung von Inhalten über Upload-Plattformen wie z.B. Facebook, YouTube oder Instagram, aber – je nach Lesart – auch Wikipedia, ist es sehr schwer geworden, Urheberrecht, also das Recht an der wirtschaftlichen Verwertung von Wissen oder Kunst, wirkungsvoll durchzusetzen. Das betrifft Künstler und Wissenschaftler ebenso wie ihre Kooperationspartner wie Verlage oder Musiklabel.

Dies soll nun dadurch geändert werden, dass man nachweisen können muss, dass angebotene Inhalte auch tatsächlich urheberrechtskonform verbreitet werden. Neu ist, dass dies nun nicht mehr nur denjenigen trifft, der aktiv die jeweiligen Inhalte verbreitet, sondern eben auch diejenigen, die die Verbreitung ermöglichen – also YouTube, Facebook und Co. Damit erhalten die in ihren Rechten verletzten Urheber tatsächlich einen Ansprechpartner, der nicht nur greifbar ist, sondern eben auch wirtschaftlich in der Lage, die u.U. erheblichen Schäden tatsächlich auszugleichen.

Die großen Anbieter müssten, um sich zu schützen, überprüfen, ob ein Inhalt womöglich fremde Urheberrechte verletzt oder nicht. Hierfür werden spezielle Upload-Filter diskutiert, aber auch Kautionen der aktiven Nutzer, die diese Plattformen zum Verbreiten ihrer Inhalte nutzen wollen.

 

Die Urheberrechtsreform ausführlich

Bislang gilt im Internet das sogenannte Providerprivileg. Das heißt, die großen Plattformen haften nicht unmittelbar für Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer, sondern müssen erst dann reagieren, wenn sie auf Verstöße aufmerksam gemacht werden. Mit Artikel 13 der EU-UrhR-RiLi soll das nun geändert werden. Dienste, deren Geschäftsmodell wie bei Facebook, YouTube und Co. gerade darin besteht, online Inhalte weiterzugeben, sollen künftig aktiv für den Urheberrechtsschutz eintreten.

Was bedeutet das konkret?

Wenn man sich den Wortlaut von Artikel 13 ansieht, haften die Plattformen künftig für festgestellte Verstöße, ohne die Möglichkeit, sich z.B. dadurch zu enthaften, dass sie in zumutbarem Umfang Kontrollen vorgenommen hätten, z.B. durch sogenannte Upload-Filter.

Zudem sind Urheberrechte oft nur sehr schwer überhaupt festzustellen. Jeder, der ein Bild, ein Video, einen Text oder ein Musikstück anfertigt, erwirbt daran ein Urheberrecht. Je nachdem, wie sehr er sich dabei von anderen Werken inspirieren ließ, benutzt er andere Urheberrechte, was ggf. unzulässig ist.

Das heißt, wer usergenerierte Inhalte zulässt, haftet dem Rechteinhaber im Falle von Verstößen. Natürlich kann sich die Plattform danach selbst an den User wenden, der die Urheberrechtsverletzung begangen hat, und ihrerseits Schadensersatz fordern. Doch wenn der den Schaden nicht begleichen kann, bleibt die Plattform auf ihren Kosten sitzen. Dagegen will sie sich verständlicherweise schützen.

Das Problem liegt in der Praxis

Uploadfilter, wie sie etwa YouTube und Google schon lange verwenden, gleichen jeden Upload mit ihren internen Datenbanken von geschützten Werken ab. Das müsste dann künftig von jeder Plattform gemacht werden. Enorme Kosten und ein großer Aufwand. Doch das genügt nicht, denn ob ein Recht besteht oder nicht, wird ja nicht dadurch definiert, dass es auf so einer Datenbank liegt. Es genügt auch nicht, zu prüfen, ob es ein Werk so (oder so ähnlich) schon mal gab. Viele Fragen blieben offen:

  • Was ist, wenn die Nutzung erlaubt ist, wie teilt man das mit, wie beweist man das? Fragen, die Gerichte oft Jahre beschäftigen.
  • Oft muss man wissen, wer das Recht an einem Werk hat. Einfaches Beispiel, wenn ein Autor unter Pseudonym schreibt, aber unter Klarnamen (was er ja oft muss) seine Accounts betreibt.
  • Wie adressiert man anonyme Nutzer oder die Personen von Fake-Profilen?
  • Was ist, wenn bewusst rechtswidrige Inhalte hochgeladen werden, um der Plattform zu schaden?
  • Was passiert, wenn ein Werk zulässigerweise zitiert wird?
  • Wie geht man mit Werken um, deren Urheberschaft umstritten ist?
  • Was macht man, wenn der Rechteinhaber gar nicht veröffentlicht hat, also das Prioritätsprinzip versagt? Wenn also z.B. der neue Harry Potter vor VÖ schon durchs Netz geistert…

Overblocking – Im Zweifel Blockieren?

All das kann ein Uploadfilter nicht bewältigen und auch bei einer persönlichen Prüfung bleiben reichlich Unsicherheiten (völlig unabhängig vom damit verbundenen Aufwand). Aus Sicht der Plattformbetreiber hilft also nur, den Upload auf absolut eindeutig zuordenbare Inhalte und vertrauenswürdige Personen zu beschränken und ggf. Sicherheiten für den Fall von Schadensersatzansprüchen zu verlangen.

 

Und dann war da noch das Leistungsschutzrecht

Neben der ganzen Aufregung um YouTube geht ein weiterer Aufreger der EU-Urheberrechtsreform beinahe unter. Artikel 11 will das Leistungsschutzrecht (LSR) für Presseverlage europaweit einführen. Dahinter steckt die Idee, dass eine Suchmaschine wie Google, aber eben auch ein Online-Shop wie Amazon Geld dafür bezahlen soll, wenn Kurztexte in der Suchvorschau gezeigt werden. Bei Amazon kann man die Leseproben-Funktion seither als Verlag abbedingen und Google drohte lapidar, in diesem Fall die Verlagssachen gar nicht mehr zu zeigen. Das wollten die auch nicht und verzichteten gegenüber Google auf ihr LSR. Warum das jetzt auf Europa-Ebene nochmals versucht werden soll, konnte noch niemand, nicht mal die Urheber des Entwurfs schlüssig erklären.

Wie soll man mit der EU-Urheberrechtsreform umgehen?

Wenn das Gesetz so wie es im Moment geplant ist, bleibt, dann wird sich definitiv das Internet drastisch verändern.

Die Beschwichtigungsversuche der EU-Kommission sind an dieser Stelle – leider – Augenwischerei. Der Kommissionssprecher R. Hönighaus versichert zwar,

„YouTuber bzw. Nutzer von Plattformen auch in Zukunft das tun können, was sie heute tun, nämlich kreative Inhalte hochladen, (denn) Behauptungen, wegen des EU-Urheberrechts werde es Youtube bald nicht mehr geben, sind Unsinn.“

Aber das bezweifelt auch keiner. Es geht übrigens auch nicht nur um milliardenschwere Onlinegiganten, die sich ausgefuchste Technik leisten können, sondern eben auch um viele kleinere Anbieter, die sich heute schon schwer tun, sich der wenig wünschenswerten Monopolbildung entgegenzustemmen. Und denen fehlt es schlicht an Geld, um weiterhin wirtschaftlich zu arbeiten.

Mit der EU-Urheberrechtsreform wird – platt gesagt – der Upload von Inhalten künftig so angenehm wie die Beantragung eines Bankkredits.  

Die großen Plattformen wird es weiterhin geben, aber die Pluralität nimmt ab, Informationsmonopoloe und Unterhaltungskartelle gewinnen wieder an Bedeutung. Posten kann dann nur noch, wer eine Haftungsübernahmeerklärung abgibt und entsprechend vertrauenswürdig ist. Wer das nicht ist, könnte dann künftig eine Kaution hinterlegen müssen. Plattformen, auf denen User ungehindert posten/uploaden können, wird es so in dieser Form nicht mehr geben, jedenfalls nur unter deutlich veränderten Nutzungsbedingungen.

Engagiert euch!

Noch ist die Richtlinie zur EU-Urheberrechtsreform innerhalb der EU im Verabschiedungsverfahren, d.h. noch kann jeder von euch Einfluss darauf nehmen, ob die vielen, durchaus vernünftigen Verbesserungsvorschläge berücksichtigt werden oder nicht. Wenn ihr nichts tut, wird es „dieses“ YouTube, „dieses“ Facebook nicht mehr geben, werden Rezensionen schwierig, weil ihr nicht mehr zitieren dürft und der Umgang mit Bildrechten erheblich verkompliziert werden.

Hier geht es zur Petition auf Change.org. Doch das allein genügt vielleicht nicht. Die Politik reagiert – leider – nur selten auf diese großen Petitionen. Wendet euch per Mail an eure Abgeordneten, demonstriert, seid laut und lästig.

Dann besteht die Chance, dass das im Grundsatz ja vernünftige Ansinnen, das Urheberrecht internettauglich zu machen, vernünftig umgesetzt wird. Denn noch sind Änderungen auf EU und nationaler Ebene möglich.

Aber jammert nicht. Oder bagatellisiert das und jammert dann.

 

Was passiert nach der EU-Urheberrechtsreform?

Es steht zu hoffen, dass ein Teil sich einfach dezentralisiert, hin zu eigenen Inhalten auf eigenen Seiten. Reine Hinweisgeber wie Google ursprünglich war, werden dann wieder wichtiger. Die beliebten Plattformen sind für kleine Unternehmen und Einzelpersonen wirtschaftlich als Marketingkanal uninteressant geworden.

Die EU-Urheberrechtsreform stärkt nicht den Rechteinhaber an sich, sondern den mächtigen und bekannten Rechteinhaber, denn die Rechte des kleinen Debütanten werden so umfassend geschützt, dass es ihm nicht gelingen dürfte, mit dem ihm möglichen Mitteln gegenüber den Plattformbetreibern nachzuweisen, dass er tatsächlich seine Rechte verwertet. Marketing und Kommunikation werden sich also drastisch verändern und auch die Möglichkeit, mal schnell private Inhalte zu teilen. Die Geschwindigkeit und Leichtigkeit der Kommunikation erhält – was nicht nur schlecht ist – einen Dämpfer.

Es hängt von den Usern ab, ob sie trotzdem lieber auf YouTube und Facebook bleiben, wo es dann eben nur noch Inhalte der großen Kanäle geben wird und Freunde außen vor sind, oder ob sie sich wieder auf Foren zum Meinungsaustausch und dezentrale Blogs besinnen. Beide Varianten sind denkbar.

Wollen wir ein EU-Filternet?

Im Zusammenspiel mit anderen EU-Bestrebungen wie etwa der DSGVO könnte ein europäisches Internet weiter voranschreiten, denn viele Unternehmen werden durch Geo-Blocking ihre Inhalte einfach für User aus der EU sperren. Auch dies bietet Chancen und Risiken, die den Rahmen dieses Artikels sprengen, über die sich jeder aktive Internet-User aber informieren sollte.

Sicher ist, die EU-Urheberrechtsreform ist ein weiter Schritt auf diesem Weg, was jeder für seine Haltung berücksichtigen sollte.

Weiterführende Links zur EU-Urheberrechtsreform

Ein lesenswerter Artikel ist auf Urheberrecht.org zu finden.

 

One Comment

  • Aleshanee

    Wieder sehr gut zusammengefasst und vor allem auf Grundlagen, denen ich vertraue 🙂

    Deshalb hab ich den Beitrag heute auch in meiner Stöberrunde verlinkt und hoffe, dass wieder etwas mehr Klarheit und Ruhe in das Thema kommt.

    Liebste Grüße, Aleshanee

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