Skoutz-Classics: Biblischer Horror
Heute befassen wir uns mit dem Klassiker schlechthin. Mit dem Buch der Bücher. Mit der Bibel. Und zwar mit der Bibel als Buch, als eine Art Anthologie, in der über viele Jahrhunderte alle möglichen Texte verschiedenster Verfasser zusammengetragen wurden. Als Sammlung von allen möglichen Geschichten und Textformen. Vom Abenteuerroman bis zu düsteren Dystopien. Zum Hauptartikel geht es hier.
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Biblischer Horror
Es gibt erstaunlich viele wirklich grausame Passagen in der Bibel, wo mit größter Selbstverständlichkeit Todesstrafen gefordert und brutal vollzogen werden. Eine in ihrer Fülle für sich schon erschreckende Sammlung dieser dunklen Seite der Bibel hat sapereaudepls zusammengetragen
Viele dieser Gewalttaten sind aber literarisch eher dem Crime zuzuordnen – als Kriminalfall oder Thriller. Daneben gibt es aber auch Geschichten, die alle Zeichen klassischen Horrors enthalten, und um die geht es hier.
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Das Menetekel an der Wand
Daniel gelingt es im Exil in Babylon als gelehrter Traumdeuter eine einflussreiche Stellung am Hof des Königs Nebukadnezar einzunehmen. Als seinem Nachfolger Belsazar bei einem wüsten Gelage in einer Spukszene die brennenden Zeichen „Mene mene thekel upharsin“ an der Wand erscheinen, sind alle sehr entsetzt. Niemand ist in der Lage, Belsazar die geheimnisvollen Zeichen zu übersetzen, obwohl er eine riesige Belohnung auslobt. Schließlich erinnert sich die Königinmutter an Daniel.
Der wird herbeigerufen und deutet die als „Menetekel“ sprichwörtlich gewordene Schrift: „Gezählt sind Deine Tage“, „Von Gott gewogen und zu leicht befunden“,“Geteilt werden wird Dein Reich“. Der König hält sein Versprechen und belohnt Daniel. Doch noch in der Nacht wird der König ermordet.
Dessen Nachfolger Darius lässt Daniel jedoch verhaften, als dieser verbotenerweise beim Beten erwischt wird. Er verurteilt Daniel zum Tode und lässt ihn in die Löwengrube werfen. Doch die Löwen benehmen sich wie brave Miezekatzen und tun dem Propheten nichts zuleide.
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Die Hexe von Endor
König Saul beschloss, sich vor einer wichtigen Schlacht die Zukunft prophezeien zu lassen. Da er selbst erst zuvor verboten hatte, Hexen und Propheten aufzusuchen, begab er sich des Nachts verkleidet zusammen mit zwei Getreuen zur Hexe von Endor. Nachdem Saul ihr versprechen musste, sie nicht beim König zu verraten, beschwor sie auf Sauls Drängen hin den Geist seines vor einiger Zeit verstorbenen Beraters, des Propheten Samuel. Mit Hilfe der Nekromantin erfuhr Saul, dass er von Gott verlassen worden war. Weiter hört er, dass David seinen Thron erhalten wird, weil er, Saul, in der Schlacht fallen würde. Verständlicherweise war Saul am Boden zerstört. Doch dann fasste er sich und zog tapfer seinem Schicksal entgegen.
Wenn man bedenkt, dass er in Ungnade fiel, weil ihm Gottes Wunsch, ein ganzes feindliches Volk auszulöschen, zu hart erschien, wird Saul damit am Ende zum tragischen Helden.
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Der Kindermord von Bethlehem
Die Weihnachtsgeschichte um die Geburt von Jesus enthält auch eine der schrecklichsten Geschichten der auch sonst nicht zimperlichen Bibel:
Als drei geheimnisvolle Weise (die heiligen drei Könige) durchs Land ziehen, um den neugeborenen König der Juden zu sehen, sieht sich der herrschende König Herodes bedroht. Er befragt seine Berater, die Bethlehem als Ziel lokalisieren, was auch passt. Bethlehem gilt als Geburtsort Davids, dessen Geschlecht die Legende den Thron versprochen hat. Ein Thronanwärter, der sich auf solch einen Stammbaum bezieht, ist natürlich gefährlich. Also bittet er listig die drei Weisen, ihm zu berichten, wenn sie das Kind finden sollten. Angeblich, um ihm selbst zu huldigen. Doch die drei Weisen schöpfen Verdacht und kehren nicht zu Herodes zurück. Auch Josef wird in einem Traum vor drohender Gefahr gewarnt und beschließt, mit seiner Familie nach Ägypten zu fliehen.
Aus gutem Grund und mit sicheren Instinkt, denn Herodes geht, nachdem er bemerkt, dass ihn die drei Weisen im Stich gelassen haben, aufs Ganze. Er befiehlt die Ermordung sämtlicher männlicher Kinder im Alter bis zu zwei Jahren. Mit der Durchführung dieses Befehls erfüllt sich eine alte Prophezeiung des Propheten Jeremia und verleiht der Bluttat zusätzlichen Horror, biblischen Horror eben.
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Die Passion
Jesus‘ Leidensgeschichte ist – wie Mel Gibsons kontrovers diskutierte Verfilmung zeigte – ein Foltersplatter erster Güte. Biblischer Horror vom Feinsten, der die Grausamheit zum eigenständigen und notwendigen dramaturgischen Element erhebt. Der Umstand, dass Jesus sein Ende kommen sieht und schon zuvor verständlicherweise in Depressionen verfällt, verleiht dem aber auch eine psychologische Komponente.
Jesus, der mit seinen Predigten inzwischen eine große Gefolgsschaft anzieht, gerät in Jerusalem mit der herrschenden Priesterkaste in einen theologischen Streit. Dabei ist er so erfolgreich, dass diese ihre Macht nur noch durch seinen Tod erhalten können. Von seinen Anhängern feige verlassen, liefern die Hohepriester Jesus den römischen Behörden aus. Der Prokurator Pontius Pilatus zögert und fordert ein basisdemokratisches Urteil, indem er Jesus dem Volk präsentiert (ecce homo!) und um deren Urteil bittet. Das Volk will die Hinrichtung von Jesus und begnadigt dafür den Schwerverbrecher Barrabas. Pilatus unterschreibt den Befehl und wäscht dabei sprichwörtlich seine Hände in Unschuld.
Die weitere Schilderung von der Geißelung und Verhöhnung mit der Dornenkrone, dem Krezschleppen am wütenden Mob vorbei durch die Stadt bis hinauf nach Golgatha, wo schließlich die Kreuzigung erfolgte, wird auch in der Bibel ausführlich und mit sadistischer Genauigkeit geschildert.