Single Bells Delisting

Single Bells – Hells Bells – Misstöne bei Amazon

Die Buchbubble blubbert dieser Tage wieder heftig. Es geht hoch her, was nun nicht unbedingt daran liegt, dass die letzten Last Minute-Käufe und Veröffentlichungen anstehen und überhaupt alles in der „staaden Zeit“ viel hektischer, lärmiger und lauter als sonst ist. Nein, es geht um etwas anderes, um Erfolg, Misserfolg, Neid und das allmächtige Amazon. Mal wieder.

 

Wenn Single Bells zu Hells Bells werden

Ein paar Autoren haben sich zusammengetan und eine Buchreihe unter dem saisonal passenden Titel „Single Bells“ aufgelegt. Die Bücher waren sehr erfolgreich, fanden viele, viele Fans und landeten sensationell auf Platz 1-3 der Amazon-Gesamtcharts. Da wir von Skoutz die Autoren persönlich kennen, haben wir uns für sie gefreut. Wir waren gerade dabei, eine Serienvorstellung zu schreiben und haben die Bücher auch über unsere Kanäle geteilt.

An dieser Stelle waren im Netz bereits die ersten Stimmen zu vernehmen, die sich fragten, wie das gehen könne, ohne nennenswertes Budget zu dieser Zeit mit gleich drei Titeln so hoch zu steigen, da ja erfahrungsgemäß nicht alle Leser sofort alle Bücher einer Reihe kaufen, sodass man sich ein, aber nicht gleich drei Bücher da oben erklären könne …

Es ist das bereits ein trauriges Zeichen unserer Zeit, in der man sich nicht mehr an einem Erfolg freut, bzw. ihn jemanden gönnt, der dafür ja auch gearbeitet hat, sondern sofort misstrauisch nachfragt, ob da nicht geschoben wurde.

Das liegt zum Teil an den vielen Betrügern, die speziell auch auf den großen computergesteuerten Plattformen unterwegs sind. Sie beweisen eindrucksvoll, dass die eine KI (die künstliche Intelligenz) der anderen KI (der kriminellen Intelligenz) nach wie vor und vermutlich für alle Zeit unterlegen ist. Zum Teil liegt es aber auch daran, dass wir tatsächlich in Zeiten, in denen es jedem individuell eher schlechter als besser geht, nicht mehr besonders willig sind, anderen Glück zu gönnen.

Und vor allem liegt es daran, dass wir alle sofort bereit sind, auf der Basis von Halbwissen, Vermutungen und ganz viel Empörung unsere Meinung ungefiltert in den Medien kundzutun. Dass wir damit nur selten der Sache dienen, auf welcher Seite wir auch stehen, scheinen wir nicht lernen zu wollen.

Und es belegt eindrucksvoll die Allmacht von Amazon. Mal wieder.

 

Was also ist mit Single Bells, die plötzlich wie Hells Bells klingen, passiert?

Einige der Bücher aus der Reihe wurden gesperrt. Mit anderen Worten: Amazon hat das (exklusiv dort vertriebene) Buch aus dem Sortiment und damit vom Markt genommen. Warum genau, weiß man nicht. Eine Stellungnahme von Amazon hierzu bekommt man nicht und wir vermuten (aus Erfahrung), dass auch die Autoren nur eine der gefürchteten KI-Bot-Standard-Antworten erhalten haben, die nicht wirklich weiterhelfen.

Damit blieben zwei Möglichkeiten: Entweder ist der Fehler einer der Art, die einem Überwachungssystem von Amazon auffällt oder es ist ein Fehler, der von einem empörten User gemeldet wurde. Dafür hält Amazon ja überall bequem Buttons vor, die so etwas ganz einfach und bequem und weitgehend anonym erlauben. Das kann die Produkte verbessern, aber es züchtet halt auch Denunzianten.

So oder so: zwei der bislang veröffentlichten drei Bücher gibt es aktuell nicht im Amazon-Shop.

Was sagen die Autoren?

Das ist für die Autoren, die schließlich vom Verkauf ihrer Bücher leben, eine Katastrophe. So drückt es eine der Betroffenen in einem emotionalen Post auf Facebook auch aus:

„Ich hatte seit 5 Jahren keinen Urlaub mehr, auch ich hatte Angst, als es plötzlich so schwierig wurde auf dem Buchmarkt, konnte nicht schlafen deswegen, habe einen chronisch kranken Hund, der seit 2 Jahren mal wöchentlich, mal monatlich zum Tierarzt muss, oft mehrmals nachts raus muss, usw. Das zermürbt einen. Ich habe keine Kraft mehr.“

Sie überlegt, ob sie unter diesen Umständen überhaupt noch weiterschreiben kann und weist zurecht darauf hin, dass wir Leser natürlich unsere Autoren brauchen und deren Bücher, dass also das Autoren-Bashing immer auch den Lesern schadet.

Eine andere Autorin eines gesperrten Buches wendet sich im Netz direkt an den vermuteten Melder.

„Natürlich wissen wir nicht, ob unsere Bücher nun aufgrund eines Melders gesperrt wurden und natürlich kann es auch nur sein, dass Amazon ein Lüftchen festsitzt und sie in der Stimmung waren, Bücher grundlos zu sperren, aber ganz ehrlich? Wenn der erste Punkt zutrifft und jemand tatsächlich auf das Knöpfchen „Melden“ gedrückt hat, dann PFUI! Schäm dich!“ 

Hier wird im Folgenden gemutmaßt, der Melder sei kein Leser, sondern vielmehr ein missgünstiger Kollege, dem die Autorin dann vor Augen führt, dass er sich so, von  miesem Karma abgesehen, auch selbst schadet, weil er dem Markt schadet.

Die Autorinnen posteten auch die beanstandeten Passagen der Produktbeschreibung, die zum Delisting von Single Bells geführt haben.

 

Der Stein des Anstoßes

Neben der üblichen Klappentext-Beschreibung des jeweiligen Buches ein vermeintlich harmloser Zusatz. Man beschreibt eine für sich nicht zu beanstandende Liebesgeschichte mit einem Hinweis auf weitere Bände der Reihe. Also ein Hinweis, dass unter dem Label „Single Bells“ auch andere Autoren Bücher geschrieben haben. Bücher, die für sich allein zu lesen sind, aber zusätzlichen Lesespaß versprechen, wenn man sie in Reihe liest, weil Figuren aus anderen Bänden Cameo-Auftritte haben.

Ein Marketing-Trick, der bei Reihen dieser Art nicht unüblich ist und sowohl in SP- als auch in Verlagskreisen schon öfter erfolgreich umgesetzt wird.

Entsprechend empört sind die Autoren,  deren Leser und Kollegen, die nun gemeinsam lautstark, sehr emotional und vor allem zunehmend unsachlich den Sachverhalt diskutieren. Da werden  Morddrohungen ausgestoßen, man ergeht sich in Verstümmelungsfantasien („der gehören die Augen ausgehackt“) und überall werden Black Ribbons gepostet, ein Zeichen der Solidarität, das üblicherweise den Opfern von Attentaten oder generell Todesfällen vorbehalten ist, die – bei allem Verständnis für die persönliche Tragik der Autoren – doch noch eine andere Dimension von Leid erfahren.

Wir wurden an dieser Stelle misstrauisch, denn eigentlich lebt Amazon ja vom Verkauf von Produkten und schadet sich daher selbst, wenn es – noch dazu so erfolgreiche – Titel aus seinem Sortiment nimmt. Üblicherweise wird man von Amazon auch erst mal angeschrieben und mit Delisting bedroht, wenn was nicht passt. Dass Amazon gleich die Titel löscht, lässt hingegen auf einen schwerwiegenderen Verstoß schließen.

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Wie sind denn die Regeln für eine Produktbeschreibung?

Amazon stellt seinen Autoren im kdp-Bereich umfangreiche Richtlinien und Erläuterungen zur Verfügung, was man alles darf, und was man vor allem lassen sollte. Und diese Regeln meint Amazon ernst, denn ganz oben auf der Seite steht in großen Lettern:

Das Ziel von Kindle Direct Publishing (KDP) ist es, unabhängigen Autoren und Verlagen die bestmöglichen Tools zur Verfügung zu stellen und Lesern ein optimales Kundenerlebnis zu bieten. Aus diesem Grund verfolgen wir eine Null-Toleranz-Politik im Hinblick auf Buchbeschreibungen, die zu Zwecken der Werbung oder Irreführung vorgesehen sind oder den Inhalten des Buchs nicht exakt entsprechen.“
Details gibt es hier auf der Seite von KDP.
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Was heißt das im Detail?

Dementsprechend sind strafrechtlich relevante (gewaltverherrlichende, pornografische oder beleidigende) Inhalte ebenso verboten wie persönliche Daten (Telefonnummern, Adressen oder Website-URL). Aus naheliegenden Gründen duldet Amazon auch keine Hinweise auf andere Bezugsquellen (Shops). Gleiches gilt für die dennoch oft gesehenen Hinweise auf „Bestseller“ oder Preisangaben (derzeit 99 Cent statt 3,99) sowie Termine (Das Buch zur Lesung in ZDF am 28.12.2019). Letzteres aus gesetzlichen Gründen wie z.B. der Preisangabenverordnung, aber vor allem, um inaktuelle Informationen zu vermeiden.
Gleichfalls verboten sind irreführende Verweise auf Konkurrenzartikel. „High Fantasy im Stil von George Martin“ oder „Zeitreise-Romantik für alle Liebhaber der Edelsteintrilogie“ sind fraglos Slogans, die verkaufsfördernd wären, aber wettbewerbsrechtlich mal mindestens schwierig sind. Sie werden daher von Amazon kategorisch verboten. Amazon geht dabei auf Nummer sicher und verbietet generell die Nennung von Namen, die nicht am Produkt mitgewirkt haben. Das gilt übrigens auch für die nicht öffentlich sichtbaren „Schlagworte“, mit denen man beim Einstellen eines Buches, dessen Auffindbarkeit nach Suchbegriffen katalogisieren kann.
Das ist schon so, seit wir den Buchmarkt beobachten, also seit so etwa fünf Jahren. Daher sollte es auch allen hauptberuflich tätigen Autoren, die weitestgehend von Amazon leben, ein Begriff sein. Sie müssen vor der Veröffentlichung eines jeden Buches schließlich auch sowohl die Kenntnis als auch die Einhaltung der Richtlinien bestätigen.
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Aber das macht ja jeder?

Verweise auf diese Rechtslage führen zu Fassungslosigkeit bei Autoren (nicht den Betroffenen, sondern mitlesenden) und Lesern. „Aber das macht doch jeder“. Nein. Erstens gibt es keine Gleichheit im Unrecht und beim Falschparken darf man sich auch nicht beschweren, wenn die einen erwischt werden und die anderen nicht. Und es gibt schon so ein paar brave Leute, die sich das Erlaubte anschauen und das Verbotene bleiben lassen. Auch wenn es weh tut, dass die vielen schwarzen Schafe mit „ich bin doch nicht blöd“, hocherfolgreich in die Charts kommen. Die KU-Leihen mit Seitenzahlmanipulationen betrügen und überhaupt den Markt zerstören. Genau so, wie es oben die betroffenen Single Bells Autoren bei den Denunzianten beklagen. Wir sprechen hier von Schäden, die in die Hundertausende gehen und allen anderen Autoren, die redlich sind, in der Kasse fehlen. Amazon ist leider bei der Kontrolle gemeldeter Inhalte sehr zögerlich, lässt viel viel durchgehen und scheint generell wegzusehen.
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Warum also jetzt bei Single Bells das Delisting?

Wir wissen es nicht. Aber wir vermuten, dass es nicht an einem bösen Melder liegt, sondern an einem dummen Bot. Denn wenn der durch die Produktbeschreibungen crawlt und etwas Offenkundiges wie die Nennung von Namen am Buch nicht Beteiligter Dritter findet, dann meldet er einen Verstoß und reagiert mit künstlicher Intelligenz. Delisting. So einfach ist das. Natürlich ist auch die Nennung von anderen Autoren innerhalb einer Reihe nach den Buchstaben der AGB ein Verstoß und daher kein Grund zu jammern. Aber in diesem Fall ist es tatsächlich so, dass der Leser nicht irregeführt, sondern aufgeklärt wird. Es ist ein Mehrwert, den ein Bot nicht, wohl aber ein Mensch erkennen könnte.Er zeigt, dass jede noch so sinnvolle Regel verständnislos angewendet, zu Ungerechtigkeit führt.
Am Ende hat es dann auch geklappt, sobald man bei Amazon Menschen erreicht hat. Die Single Bells sind wieder im Shop und die Gemüter können sich beruhigen. Und wir können auch zu den Hells Bells saisonal passend sagen: Süßer die Glocken nie klingen … 🙂
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Was lernen wir mit den Single Bells?

Ganz einfach, ein paar Dinge, die für Autoren wichtig sind, für Leser, die ihre bunte Buchwelt schützen wollen, aber auch für alle, die wir uns im Netz zunehmend Bots ausliefern:

  • AGB lesen ist nervig, aber nötig, speziell, wenn es um die eigene berufliche Existenz geht
  • Die Übermacht von einigen wenigen Anbietern schadet allen.
    Bequemlichkeit ist hier ein Bumerang, der alle trifft. Unterstützt also bewusst auch alternative Anbieter, dann würde eine solche Einzelentscheidung nicht so hart treffen. Skoutz zum Beispiel (hehehe).
  • Künstliche Intelligenz muss nicht verteufelt werden. Aber man sieht, dass sie menschlicher Kontrolle bedarf, und zwar in der Endentscheidung vor Ingangsetzen eines Prozesses.

 

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