Selfpublishing (SP) vs. Verlag – Was denn nun?

bestehen

 

In einer Facebook-Gruppe für Leser wurde die Frage gestellt, ob es „seltsam“ sei, als Hybrid-Autor zu arbeiten. In einigen Autorengruppen wird zeitgleich hitzig diskutiert, ob die Teilnahmebedinungen für den als Alternative zum Storyteller-Award von Amazon ausgelobten Deutschen Selfpublishing- Preis zu hoch seien. Wir bei Skoutz sehen das ja alles von jeher entspannter, weil uns egal ist, woher ein Buch kommt, weil für uns nur die Geschichte zählt.

Grund und Anlass genug, um sich einmal anzusehen, worin denn jetzt genau die Unterschiede zwischen Selfpublishern und Verlagsautoren und Hybridautoren (die Bücher mal selbst und mal über einen Verlag rausbringen) bestehen.

 

Am Anfang war das Wort …
Beginnen wir ganz vorne und ganz seriös, nämlich historisch:

Seit Autoren Texte ersinnen, ist deren Vervielfältigung und Verbreitung das eigentliche Problem bei der Veröffentlichung eines Werkes. Papier war schon immer teuer und auch das mit der leserlichen Handschrift war seit jeher ein Thema. Geschichten wurden überwiegend mündlich verbreitet (auch weil die meisten Menschen gar nicht lesen konnten). Bücher hingegen waren Luxusobjekte, die vom Leser in Auftrag gegeben wurden.

Erst der Buchdruck wie ihn Gutenberg eingeführt hat, ermöglichte die weite Verbreitung von Texten. Dennoch konnten sich die meisten Autoren nicht leisten, ihre Bücher selbst drucken zu lassen. Sie waren also auf die Verlage als Mittler, Finanziers und bald auch Distributoren angewiesen. Die Verkaufsschiene vom Autor zum Leser lief also über Verleger und Handel (damals weniger in Buchläden als mit fahrenden Händlern).

Technische Verbesserungen und damit einhergehend sinkende Preise führten dazu, dass sich zunehmend Autoren als Selbstverleger betätigten. Das heißt, sie organisierten Druck und Verbreitung ihrer Werke selbst. Bekannte Beispiele sind Goethe mit den „Leiden des jungen Werther“ oder Schiller mit seinen „Räubern“. Tolstois „Krieg und Frieden“ war ebenso ein SP-Buch wie „Huckleberry Finn“ von Mark Twain. Doch das waren wirtschaftlich sehr riskante Unternehmungen, die durchaus verständlich viele Autoren von vergleichbaren Alleingängen abhielten (und genügend andere ruinierten). Verlage minimieren das Risiko nämlich durch Masse. Einmal weil mit der Auflage die Preise für den Einzeldruck sinken. Und dann durch eine Mischkalkulation – das heißt, nicht jeder Titel muss sich gut verkaufen. Es reicht, wenn es genug Titel sind, die dann die anderen querfinanzieren.

… und dann kam das E-Book

Mit neuen Buchformen, speziell dem E-Book, aber auch Hörbüchern, und neuen Distributionswegen wie dem Internet verbeitert sich der Buchmarkt (horizontale Verschiebung). Bei einer gleichbleibenden Zahl von potentiellen Lesern gibt es heute deutlich mehr Angebote, die dem klassischen Buch Konkurrenz machen. Immerhin ist mit dem digitalen Buch der wesentliche Kostenfaktor weggefallen: Druck und Lagerung. Papier ist schweeeeeeeer, wie jeder weiß, der schon einmal seine Buchregale umgezogen hat. Damit bekommt SP unter wirtschaftlichen Aspekten deutlich Aufwind.

Die Schiene „Autor-Agent-Verlag-Druckerei-Distributor-Buchhandel“ ließ nur sehr begrenzt Raum für Direktmarketing. Leser kauften, was sie im Buchladen sahen und wählten damit aus einem bereits vielfach vorgefilterten Angebot aus. Verlage sprachen daher naturgemäß nicht den Leser direkt, sondern in ihrem Marketing vor allem Buchhändler an. Bücher besprochen wurden in Zeitungen, die naturgemäß gleichfalls verlagsnah waren und mit Teil einer abgestimmten Marketingstrategie.

Mit dem Internet und dem ersten großen Online-Verkaufsportal Amazon änderte sich das. Eine Plattform für Direktmarketing (Autor – Leser) entstand. Damit kam nach der horizontalen Verschiebung auch eine vertikale Verschiebung, die zusammen den Buchmarkt komplett umstrukturieren werden. Während Autoren lange Zeit innerhalb der starren Strukturen nur Erfolg hatten, wenn sie selbst oder über Agenten einen Verlag fanden, können sie heute direkt mit ihren Lesern in Verbindung treten. Autoren können (und müssen) sich direkt und selbst ihre Fanbase aufbauen. Eine Aufgabe, die heute zunehmend auch von Verlagen an ihre Autoren gestellt wird. Auch Leser tauschen sich online heute mit viel größeren Reichweiten untereinander auf, als das beim klassischen Empfehlungsmarketing möglich wäre. Buchblogs etwas sind längst auch von der alten Buchwelt akzeptierter Teil des Buchmarktes.

Auf Euphorie kam dann der Dämpfer …

Die erste Euphorie der schönen neuen Möglichkeiten führte zunächst wie so oft zu einem ziemlichen Chaos und tatsächlich hatten viele der nun selbst hochgeladenen und zum Kauf angebotenen Texte nur wenig mit einem herkömmlichen Buch zu tun, das eben auch bestimmte Ansprüche an Sprache, Satz und Handwerk stellt. Unter diesem ersten (schlechten) Eindruck haben sich die SP-Autoren bis heute nicht erholt und der gerne vorgebrachte Spruch: „SP heißt keinen Verlag gefunden“ wird immer noch in jeder Diskussion gebracht und auch von vielen SP-Autoren gelebt. Das wiederum hat zu einer Flut wenn schon nicht unseriöser so doch unprofessioneller „Wohnzimmer-Verlage“ geführt, die speziell als reine E-Book-Verlage ohne nennenswerte Marketingleistungen Autoren mit Verlagsverträgen locken.

Das Denken, ein Autor bedürfe eines Verlages, ist historisch gewachsen und innerhalb des alten Buchmarktes, der sich primär an den stationären Buchhandel wendet, immer noch richtig – wenn auch nicht absolut, denn immer gab und gibt es mit entsprechendem Einsatz auch die Möglichkeit, die Verlagsleistungen selbst zu erbringen.

 

Zum Gelde drängt doch alles ….
Kommen wir zur wirtschaftlichen Betrachtung:

Aus Autorensicht sollte die Entscheidung für oder gegen Verlag relativ simpel sein. Wenn man ein Buch einigermaßen seriös veröffentlichen will, dann kostet das einen SPler je nach techn. Fähigkeiten, Buch, Marktkenntnis und Anspruch zwischen 500 und 1.800 Euro für Lektorat, Satz, Cover etc. zzgl. Marketing.

Wer Bedenken hat, dass er das in Zeiten von E-Book-Piraten und Buchschwemme reinbekommt, ist bei einem Verlag prinzipiell risikofreier aufgehoben. Er gibt damit aber all diese Themen auch aus der Hand, was in Zeiten, in denen auch Verlage an solchen Dingen zunehmend sparen, nach hinten los gehen kann (nicht muss!).Tatsächlich hat sich die Qualität von SP- und Verlagswerken in den letzten Jahren objektiv deutlich angenähert. Und das liegt leider nicht nur daran, dass die SP-Bücher besser geworden sind.

Oberhalb dieses Erstinvestments verdient man als SP-Autor ungefähr das fünf- bis siebenfache eines Verlagsautors. Das ergibt sich aus den Tantiemen, die man im Print- und E-Bookbereich üblicherweise von den Verlagen ausbezahlt bekommt, bzw. eben direkt über den Buchhandel erzielt. Es hängt vom verschiedenen Anteil von E-Book-Verkäufen bei SP und Verlagsautoren ab und davon, ob und wie man sich um den Verkauf von Prints bemüht.

Allerdings ist dieser Mehrpreis kein unverdienter, denn man muss dafür deutlich mehr tun und auch mehr wissen und trägt für seine Entscheidungsfreiheit eben auch die Verantwortung. Das setzt voraus, dass man deutlich mehr können muss, als nur Geschichten zu schreiben. Man ist nicht nur Autor, sondern eben Unternehmer. Wen das nicht schreckt, kann man es auf eine simple Frage herunterbrechen, verkaufe ich mit einem konkreten Buch im Verlag die fünf- bis siebenfache Menge wie als SP-Autor? Wenn man das (abhängig von Genre und Marketingaufwand des Verlags) mit ja beantworten kann, spricht einiges für den Verlag. Wenn nein, nicht.

Qualität kommt von Quälen …
Sieht man sich als Spezialist oder Allrounder?

Als SP-Autor – das muss klar sein und das muss auch Spaß machen – ist das Schreiben des Buchs maximal ein Drittel der eigentlichen Aufgabe. Bei Verlagsautoren ist das Verhältnis etwa umgekehrt.

Wer seine Bücher selbst in die Charts bringen will, muss

  • den Markt, seine Launen (oh ja) und seine Gesetzmäßigkeiten verstehen,
  • wissen, warum ein gutes Cover nicht notwendig auch ein Schönes und schon gar kein Originelles sein muss,
  • über ein ausgeprägtes Gefühl für den aktuellen Lesegeschmack und die Lesererwartungen verfügen
  • ein gesundes Maß an Selbstkritik und Selbstvertrauen aufbringen – und das in feinabstufter Balance!
  • Social Media mit professionellem Anspruch betrachten und
  • sich allgemein mit den beiden Paralleluniversen Neue und Alte Buchwelt nicht nur oberflächlich auskennen.

Oder er sucht sich einen Profi, der ihm das zuverlässig abnimmt. Das sind üblicherweise Verlage.Doch auch nur dann, wenn sie sich für das Buch auch einsetzen wollen. Denn ist trauriger Fakt, dass das Werbebudget in Verlagen meist auf wenige Spitzentitel beschränkt ist, die eben deshalb mit der Unausweichlichkeit einer Kontinentaldrift zu Spitzentiteln gehyped werden. Für die Masse der Verlags-Autoren wird hingegen wenig bis nichts gemacht. Es ist ein Irrtum, dass der Verlag seinen Autoren die Werbung abnehmen wird. Wem eine Erwähnung im Newsletter, ein Eintrag ins VLB (Verzeichnis lieferbarer Bücher) und ein Bild auf der Verlagsseite nicht reichen, wird meist enttäuscht sein, wenn er nicht vorher genau regelt, was vom Verlag getan wird.

Oder der SP-Autor schreibt seine Bücher so wie andere Lotto spielen. Das geht natürlich auch und wir meinen das überhaupt nicht abwertend. 🙂

 

Denn wir sind doch Künstler!
Genau. Und darum ist da noch der künstlerische Aspekt:

Autor ist nicht gleich Autor, so wenig wie Geschichte gleich Geschichte ist. Und so ist es auch mit dem Erfolg. Was ist das erste, das einem einfällt, wenn man an Erfolg denkt? Der Literaturnobelpreis oder Platz 1 in der Spiegel-Bestseller-Liste? Will man lieber von der Bild oder der FAZ interviewt werden? Von Arte oder RTL eingeladen?

Der künstlerische Anspruch, der ja immer auch in hohem Maße ein individueller ist, ist natürlich im SP besser zu erfüllen als in einem Verlag. Picasso hätte sich auch von seinem Galeristen nicht sagen lassen, dass in seinen Bildern vielleicht für eine Ausstellung im Frühjahr zu viel kühles Blau enthalten ist. Wem also am Ende wichtiger ist, dass sein Buch „so“ ist, wie er es sich vorstellt, als dass es kommerziell erfolgreich ist, sollte den SP-Weg gehen, denn Verlage sind naturgemäß primär wirtschaftlich und nicht künstlerisch orientiert.

SP erlaubt damit also auch Basisdemokratie und Marktentscheidungen. Das beste, wenngleich nicht unbedingt künstlerisch wertvollste, Beispiel ist „50 Shades of Grey“. Kein Verlag hätte damals (!) das SP-Buch eines Fangirls genommen, das seinen seinen Traum aufgeschrieben hat. Und das ein Welterfolg wurde, weil es – warum auch immer – den Nerv seiner Zeit getroffen hat. Und tatsächlich ist bis heute das Genre Erotik fest in der Hand der SP-Autoren, was die Verkaufszahlen in diesem Segment anbetrifft. Vermutlich weil hier das Direktmarketing besonders wichtig und Online ein Kauf diskreter als über die Ladentheke beim persönlich bekannten Buchhändler ist (Doch ist natürlich reine Spekulation und tut eigentlich nichts zur Sache).

 

Literatur ist Vielfalt
und auch in Nischen lässt es sich gut leben.

Dazu kommt oft auch die Überlegung wie groß die Zielgruppe ist, die man bedienen will, und welche Erwartungen sie an ein Buch stellt. Wenn man für eine kleine Nische schreibt, kann man SP durchaus eine lukrative Lösung sein. Dazu braucht man eine Leserschaft, die jetzt nicht zwingend nur Bücher kauft, die mit dem Hochglanzcover des gerade gehypten Coverdesigners geschmückt sind, und die Gewinnspiele mit teuren Preisen zum Release erwarten. Und man muss sie mit einfachen Mitteln erreichen können, um sie auf „ihr“ neues Buch aufmerksam zu machen.

Ein schönes Beispiel sind Gedichte, Kurzgeschichten oder Anthologien. Sie lassen sich leider zumindest in Deutschland sehr schlecht verkaufen und sind daher für die meisten Verlage kommerziell uninteressant und allenfalls Prestigeprojekte, die meist dadurch finanziert werden, dass die Autoren und deren unmittelbares Umfeld die erste Auflage kauft, die dann die Druckkosten decken.

Umgekehrt gibt es Genre, die tatsächlich nach wie vor vermehrt Printleser ziehen und die dann immer noch besser in entsprechenden, sinnvollerweise spezialisierten Verlagen aufgehoben sind.

 

Der langen Rede kurzer Sinn?

Je mehr die Standesdünkel unterspült werden, desto bedeutungsloser sollte es sein, auf welchem Distributionsweg ein Buch seinen Leser erreicht, dem das zunehmend heute schon herzlich egal ist. Am Ende gilt: Nur die Geschichte zählt. Damit aber hängt es wirklich von der Person und den Erwartungen des Autors und der Art seines Buches ab, welcher Weg für ihn der jeweils beste ist. Und darum sollte man darüber auch nicht streiten.

Wir von Skoutz hoffen, dass es in Zukunft mehr Bestrebungen gibt, SP und Verlag zusammenzuführen, um gemeinsam die Zukunft des Buchs zu gestalten, statt die überflüssigen Gräben immer noch weiter zu vertiefen und immer öfter und deutlicher im Markt und bei Literaturpreisen zwischen SP und Verlag zu unterscheiden.

 

 

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