S4S: Privatmensch vs. Autor – Abgrenzung muss sein

Auf der Frankfurter Buchmesse war ich an einer Podiumsdiskussion beteiligt, die wissen wollte, wie wichtig Social Media für Autoren sei. In der Diskussion wurde dann darauf hingewiesen, dass es nicht nur um Marketing ginge.

Darüber habe ich lange nachgedacht und würde sagen, doch!

Für den „Autor“ geht es nur um Marketing. Um Bekanntheit und Sichtbarkeit. Meine Bücher kann nur kaufen, wer weiß, dass ich sie geschrieben habe. Daneben gibt es natürlich viele Möglichkeiten Social Media-Kanäle zu nutzen, für Recherche, zum Austausch mit Kollegen etc. Aber das ist nicht „Social Media“, sondern social in media. Dinge, die ich so genauso offline oder über andere Kanäle tun könnte und auch tue. Als „Privatmensch“ hingegen nutze ich Social Media ganz anders, da ist Facebook so ein bisschen das, was früher der Marktplatz oder die Stammkneipe war. Man geht hin, trifft sich, ratscht, kauft ein, informiert sich (mehr oder minder seriös) und geht dann wieder heim.

Die Abgrenzung des Autors vom Privatmenschen

Wie aber unterscheidet man diese unterschiedlichen Belange, wie trennt man den Privatmenschen von seinem Autoren-Ich?  Dabei sollte klar sein, dass Abgrenzung nicht Ausgrenzung heißt, so wie ein Puzzleteil abgrenzbar ist, aber doch zum Ganzen gehört.

Grenzen setzen

Grenzen zu setzen ist in der erweiterten Öffentlichkeit, die durch Social Media entsteht, unerlässlich, wenn man nur ein Mindestmaß an Privatsphäre für sich und seine Familie bewahren möchte. Es ist daher für die eigene Lebensqualität ratsam, und unter Marketingaspekten auch gar nicht schädlich, wenn man zwischen der Autorenpersönlichkeit und der weiter gefassten Gesamtkomposition unterscheidet.

Diese Abgrenzung erlaubt es, die Autoren-Marke präzise zu halten. Weil es viele Dinge gibt, die euch ausmachen, aber die für eure Schreiberei überhaupt nicht interessant sind. Oder auch solche, die den Leser schlicht nichts angehen. Daher sollte man sich vorher bewusst machen, was man offenbaren will und worüber man lieber nicht spricht, was man sogar geheimhalten möchte.

Beispiele zur Abgrenzung

Wer Krimis schreibt, muss nicht posten, welche Musik er hört.

Wer lustige Chick-Lit verfasst, muss sich nicht über seine politische Einstellung äußern.

Wer Fantasy schreibt, kann seine Krankheiten auch für sich behalten.

Natürlich ist es sinnvoll, auf jene persönlichen Erfahrungen hinzuweisen, die eurem Buch Glaubwürdigkeit verleihen. Beim Chick-Lit zum Beispiel, dass man selbst Mutter dreier lebhafter Kinder ist. Und beim Krimi, dass man mal als Polizist gearbeitet hat.

Weniger ist mehr

Aber das sollte man sich zu Beginn überlegen und im Zweifel damit zurückhaltend sein. Denn während man immer noch Informationen nachschieben kann (und das marketingstrategisch auch gut ist, weil es neugierig macht), kann man nur sehr schwer Informationen wieder zurückholen.

Wie kann eine solche Abgrenzung aussehen?

Letzlich ist das Geschmackssache und auch eine Frage, der eigenen Persönlichkeit, aber folgende Regeln kann ich nur jedem wärmstens ans Herz legen:

Positive Botschaften

Positiv bleiben, natürlich kann man mal jammern, aber das sollte die Ausnahme sein.
Facebook ersetzt weder Freunde noch den Psychiater.

Keine Lästereien mit dem Autorenprofil

Wenig Klatsch und Tratsch, und vor allem keine Lästereien
Natürlich ist es lustig und menschlich, mal gepflegt zu lästern. Aber das ist ein Privatvergnügen. Als Künstler solltet ihr weder über eure potentiellen Leser (oder deren Freunde) lästern, noch über Kollegen im weitern Sinne, also andere Künstler gleich welcher Richtung. Während es kein Problem ist, wenn man sich immer höflich und positiv äußert, kann ein aus dem Zusammenhang gerissener hässlicher Rant durchaus schädlich sein.

Sonderfall Ugly Brands

Natürlich kann man auch als Skandalnudel oder BadBoy seine Marke aufbauen, aber das ist unter Marketingaspekten definitiv eine Aufgabe für Fortgeschrittene, und eine Strategie, die meist häufiger schadet als nutzt. Man kann mit inszenierten Shitstorms durchaus erfolgreich sein und sie als Dünger für die Marke verwenden. Einige rechte Fraktionen machen das im Netz sehr erfolgreich und Scientology ist damit groß geworden. Aber wer gute Inhalte hat, schöne Geschichten zu erzählen weiß, sollte das nicht nötig haben.

Glaubwürdigkeit und Expertise

Themenkompetenz ausstrahlen. Das ist im Prinzip ganz einfach. Da ihr nicht nur über eure Bücher sprechen könnt, wenn ihr nicht ein reiner Werbekanal sein wollt, für den sich keiner interessiert, nehmt Themen, die eure Leser interessieren dürften, weil sie eure Bücher auszeichnen. Das geht von Büchern, unter denen ihr gerne bei Amazon mit euren Titeln in der „Kaufte auch“ Liste stehen würdet, bis zu Themen und Motiven aus euren Büchern.
Umgekehrt solltet ihr mit völlig themenfremden Posts sparsam sein, weil sie euer Profil verwässern.

Loyaliltät

Ihr braucht loyale Fans, die eure Geschichten lieben und mit euch jedem neuen Buch entgegenfiebern. Und hier liegt der große Vorteil im Social Media, das ein Direktmarketing, vom Produzenten (Autor) direkt zum Endkunden (Leser) ermöglicht. Das ist für beide Seiten wundervoll. Die Grundregel ist ganz simpel:

Man bekommt, was man mitbringt!

Nähe suchen. Social Media wird durch die direkte Interaktion gekennzeichnet. Wo sonst kann man direkt mit seinem Helden interagieren, an den man im normalen Leben niemals herankäme? Und umgekehrt, ist es doch auch (zumindest für mich) sehr bewegend, mit Menschen zu sprechen, die ihre limitierte Zeit dafür einsetzen meine, meine (!) Geschichten zu lesen. Ich freue mich über jeden Leser und höre ihm gern zu, was er zu meinen Figuren zu sagen hat, wenn ich ihm begegne. Nehmt euch Zeit für eure Fans. Antwortet Ihnen persönlich und individuell statt ihre Interaktion nur zu liken. Ich verspreche euch, es lohnt sich.

Lauschen statt labern. Hört den Menschen zu, reagiert auf ihre Anliegen, seid offen. Das bewirkt Wunder auch für die Reichweite. Stellt Fragen und reagiert auf das, was geantwortet wird. Je besser ihr eure Leser kennt, desto genauer könnt ihr die Geschichten schreiben, die sie lieben. Oder eben mit den richtigen Worten auf eure Geschichten hinweisen.

Mehr geben als nehmen. Tja… Damit meine ich nicht, die teils die grassierende Goodiemania, die schon groteske Auswüchse annimmt. Ihr sollt eure Leser nicht kaufen. Das ist nicht nur geschäftsschädlich, schließlich wollt ihr Bücher verkaufen, sondern bringt letztlich auch nichts. Eure Leser sollen eure Geschichten und nicht euren Tee lieben. Aber bietet ihnen interessante Informationen. Von eurer Autorenarbeit, zu euren Themen, auch wenn die Info nicht aus eurer Feder stammt, echte Empathie. Eure Leser wollen sich wohlfühlen, beim Lesen, im Austausch mit euch.

Abgrenzung zum Verlagsautor?

Ich habe mich über dieses Thema auf der FBM sehr angeregt mit zwei Verlagsautoren unterhalten und dabei erfahren, dass diese „gottfroh“ seien, sich mit sowas nicht befassen zu müssen, weil sie ja dafür den Verlag hätten. Es sei dessen Job, die Bücher zu verkaufen.

Ja. Das ist sicher der Job des Verlags. Nun kann man mit einem Blick auf die Realität feststellen, dass sich das oft in der Veröffentlichung in der Verlagsbroschüre und einem Eintrag im VLB beschränkt. Aber auch wenn man in einem Randomhouse-Imprint einen Spitzentitel veröffentlichen darf, ist die Ansicht falsch.

Während es reichlich Autoren gibt, die mit Agent oder ohne die Verlagstore belagern, ist die Schaffenskraft eines Autors zeitlich begrenzt. Wieviele Bücher kann man in seinem Leben schreiben? Eure Marke ist euer Kapital. Warum sonst sollten so gerne hierzulande völlig unbekannte Autoren aus Übersee verlegt werden, statt den heimischen Nachwuchs zu fördern? Weil sie eine Marke haben, denen man die erwünschten Verkaufszahlen zutraut.  Abgrenzung ist also auch zwischen Verlag und Autor erforderlich. Und zwar umso mehr, wenn der Verlag selbst auf eine starke (Verlags-)Marke setzt.

Je stärker eure Marke ist, desto leichter finden eure Bücher ihre Leser, ob das nun direkt oder über einen Verlag erfolgt ist ein anderes Thema, dem wir uns auch bald widmen werden.

In Zeiten, in denen jeder, der sich schon mal im Neuland bewegt, mit bedeutungsschwangerer Stimme von Influenzern spricht, scheint die Autorenmarke, definiert durch mehr oder weniger greifbare Follower, längst wichtiger als das Buch selbst. Gebt das nicht aus der Hand, denn das stärkt euch nicht nur beim Leser, sondern eben auch in den Verhandlungen um den neuen Verlagsvertrag.

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