Skoutz-Autorensteckbrief: Ludwig Tieck
In den Autorensteckbriefen stellen wir euch kurz und knapp Autoren vor, denen ihr schreibend oder lesend, im Deutschunterricht oder auch in modernen Adaptionen unter Garantie begegnen werdet. Und das ist auch gut so, denn diese Menschen verbindet alle eins: Die unbedingte Leidenschaft für Bücher und Geschichten.
Ludwig Tieck – der große Romantiker
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Zu Lebzeiten war Tieck einer der ganz großen Schriftsteller seiner Zeit, vergleichbar mit Rowling, King oder Brown. Mit seinen Werken prägte er ganze Generationen nachfolgender Autoren. Er übte sich in Märchen und Musicals, veranstaltete Lese-Events, vertonte Shakespeare-Stücke und beschrieb und lebte damals schon die Emanzipation der Frau. Heute ist er etwas in Vergessenheit geraten, auch wenn wir seine Werke, vor allem seine Märchen immer noch kennen.
Neugierig geworden? Dann lasst euch Ludwig Tieck jetzt vorstellen:
31. Mai 1773
geboren in Berlin als Erstgeborener des gebildeten Seilermeisterpaars Johann Ludwig und Anna Sophie Tieck in Berlin. Er soll noch zwei Geschwister bekommen.
In dem hochliteraten Haushalt lernt Ludwig Tieck mit Goethe und Schiller lesen und Englisch und Spanisch dann mit den Werken von Shakespeare und Cervantes. Kein Wunder, dass er mit diesen Vorbildern schon bald sein literarisches Talent entwickelt.
ab 1782
Tieck geht auf das humanistische „Friedrich-Gymnasium auf dem Werder“. Hier entdeckt Tieck zunächst seine Liebe für das Theater und die Schauspielerei, bearbeitet die Räuber von Schiller für die Schule und traf anläßlich einer Aufführung von „Entführung aus dem Serail“ auch mit Mozart zusammen. Seine schriftstellerischen Fähigkeiten erlauben ihm ein erstes Einkommen, denn er unterstützt seine Lehrer Bernhardi und Rambach erfolgreich als Ghostwriter, Co-Autor und Lektor dabei, die damals in Mode kommenden trivialen Sensationsromane zu schreiben.
ab 1792
Tieck beginnt ein Studium der Theologie, Philologie und Geschichte in Halle, Göttingen und Erlangen und interessiert sich dabei besonders für die englische Literatur rund um William Shakespeare, was dann auch den Grundstein für seine späteren großartigen Shakespeare-Übersetzungen und Bearbeitungen bildet.
ab 1794
Überraschend entscheidet sich Tieck gegen das Studieren und beschließt, freier Schriftsteller zu werden. Er verlässt Erlangen und zieht zurück nach Berlin. In den folgenden Jahren erzielt er sein Einkommen vorwiegend mit Erzählungen, die in den „Straußfedern“ des bekannten Verlegers Friedrich Nicolai erscheinen. Zudem versucht er, teils unter Pseudonym, mit verschiedenen Romanen und Erzählungen ein Stammpublikum zu finden und betreibt damit eine frühe Form der Marktforschung.
In dieser Phase beginnt Tieck auch mit der Sammlung und Bearbeitung alter Volkssagen und Märchen, die er jedoch anders als die Brüder Grimm nicht erzählgetreu aufzeichnet, sondern adaptiert und zu meist ironisch-zeitkritischen Geschichten verdichtet. So entstehen noch heute berühmte Kunstmärchen wie Der gestiefelte Kater, Der blonde Eckbert oder Ritter Blaubart (alle 1797).
Allmählich wird er bekannter und wird in den literarisch bedeutsamen Salon von Henriette Herz, Rahel Levin und Dorothea Veit eingeladen, wo er August Wilhelm und Friedrich Schlegel kennenlernt.
ab 1798
beginnt mit Erscheinen des Künstlerromans Franz Sternbalds Wanderungen dann endlich Tiecks Aufstieg zum Meister-Romantiker. Mit diesem Roman prägt er maßgeblich die Literatur der Romantik und deren große Vertreter wie Novalis und von Eichendorff. Insbesondere wird die für die Epoche so typische Sehnsucht nach einer idealisierten heilen vorindustriellen Welt thematisiert.
Im selben Jahr heiratet Tieck Amalie Alberti, die Tochter des Hamburger Theologen Julius Gustav Alberti, mit der er zwei Töchter haben wird.
Es zieht ihn nach Jena, einem Zentrum der frühen Romantik, wo er neben Brentano, Schlegel, Novalis und Schelling auch Jean Paul, Goethe und Fichte trifft. Doch der rastlose Tieck möchte die Welt sehen und reisen.
Allerdings muss er nach einem schweren Gichtanfall (1800) im Gegenteil kürzertreten und zieht nach Dresden, wo er seine persönliche Übersetzung von Cervantes Don-Quixote anfertigt, die bis heute bestechend ist. Geplagt von starken Gelenkschmerzen zieht Tieck in depressiver Stimmung 1802 mit seiner Familie auf ein Landgut eines Freundes in der Mark Brandenburg.
Neustart ab 1804
Dort lernt er Gräfin Henriette von Finckenstein kennen und sodann auch lieben. Mit ihr als Muse schöpft Tieck neuen Lebensmut, schreibt neben seinen Übersetzungen und Bearbeitungen auch wieder an eigenen Werken wie dem Lustspiel Kaiser Octavianus und beginnt in den folgenden 12 Jahren wieder zu reisen, u.a. nach München, Rom, Wien, Prag, London und Paris.
ab 1820
schließt Tieck einen Verlagsvertrag mit Brockhaus und beginnt sodann zahlreiche Erzählungen und Novellen zu schreiben. So etwa Aufruhr in den Cevennen, Die Gemälde und schließlich Der Geheimnisvolle. Bis 1841 werden es über dreißig Stück, die weichenstellend für die Novellentradition des beginnenden Realismus werden. Zeitgleich schrieb er, nun wieder in Dresden ansässig, für die dortige Abend-Zeitung vielbeachtete Theaterkritiken.
Nicht zuletzt deshalb wurde 1825 Tieck zum Hofrat und zum Dramaturgen am Hoftheater in Dresden ernannt, für die er das Angebot einer Professur in München ablehnt. Bezeichnenderweise schreibt er im Anschluss die Novelle Glück gibt Verstand. Er lernt Wilhelm Hauff kennen, den er bei dessen Märchensammlungen berät. Zum 80. Geburtstag von Goethe inszeniert Tieck eine berühmte Aufführung von „Faust„, bei der er persönlich Goethe huldigt. Zudem organisiert er – allzeit findig – schnell populär werdende Leseabende und gewinnt als Schriftsteller immer mehr Bekanntheit.
Bis heute bekannt ist Tieck auch als Redakteur und Mit-Übersetzer der Shakespeare-Übersetzungen von August Wilhelm Schlegel, mit denen er in diesen Jahren beginnt.
ab 1838
scheint Tieck schließlich das Glück verlassen zu haben. Nur knapp überlebt er 1836 einen Verkehrsunfall und hat an den Verletzungen sehr zu leiden. 1837 stirbt seine Frau Amalie. Nachdem er 1838 sein Meisterwerk Des Lebens Überfluss geschrieben und mit Vittoria Acorombona einen der ersten Emanzipationsromane der Geschichte geschrieben hat, stürzt ihn der Tod seiner geliebten Tochter Dorothea in schwere Depressionen.
Er folgt 1841 schließlich dem wiederholten Ruf von König Friedrich Wilhelm IV nach Berlin, wo er Shakespeares Sommernachtstraum mit Musik von Mendelsohn-Bartholdy inszeniert und dafür von den Berlinern gefeiert wird. Bald darauf erleidet er einen schweren Schlaganfall, von dem er sich nur langsam erholte, aber dennoch weiterarbeitet. Als auch noch seine Seelenfreundin Gräfin Finckenstein stirbt, verlässt ihn endgültig der Lebensmut.
Einsam, resigniert und krank verbringt Tieck nach der 1848er Revolution dann zunehmend zurückgezogen seine letzten Jahre.
Ludwig Tieck stirbt am 28. April 1853 in Berlin.
Mitternachtsbesuch
Wir hatten die Ehre und das Glück, dass Herr Tieck uns für ein Mitternachtsgespräch besucht hat, dass der kleine Skoutz-Kauz ganz aufgeregt führen durfte (weiterlesen).
Werke von Ludwig Tieck (Auszug)
- Die Sommernacht (1789, Nachbildung eines Shakespeare-Stücks)
- Anna Boleyn (1790, Dramenfragment)
- Denkwürdige Geschichtschronik der Schildbürger (1796, Märchen)
- Der gestiefelte Kater (1797, Märchen)
- Die verkehrte Welt (1797, Komödie)
- Romantische Dichtungen, 1799–1800
- Ritter Blaubart (1797, Märchen)
- Der blonde Eckbert (1797, Märchen)
- Sammlung von Volksmärchen (1797)
- Liebesgeschichte der schönen Magelone und des Grafen Peter von Provence, Erzählung, 1797
- Die sieben Weiber des Blaubart, Erzählung, 1797
- Prinz Zerbino (1798, Komödie)
- Das Ungeheuer, und Der verzauberte Wald (1798, Kindermusical)
- Franz Sternbalds Wanderungen, Eine altdeutsche Geschichte in zwei Bänden, (1798, Roman)
- Leben und Tod des kleinen Rotkäppchens (1800, Drama)
- Der neue Herkules am Scheidewege (1800, Parodie)
- Der Runenberg (1804, Märchen)
- Kaiser Octavianus (1804, Lese-Drama)
- Der Aufruhr der Cevennen (1820, Novelle)
- Die Gemälde (1821, Novelle)
- Der Geheimnisvolle (1821, Novelle)Gedichte (1821-1823; 3 Bände)
- Vittoria Accorombona (1840, historischer Roman in zwei Bänden – Emanzipation)
Übersetzungen
- Don Quixote von Cervantes, vier Bände, 1799–1801
- Werke von Shakespeare, mit A. W. Schlegel, W. von B., seiner Tochter D. Tieck
Erste Auflage der Schlegel-Tieckschen Übersetzung, 9 Bände, 1825–1833
Weiterführende Links:
- Ludwig Tieck auf Wortwuchs*
- Wikipedia* über Ludwig Tieck
- Tiecks Nachlass in der preußischen Kulturbibliothek, Berlin*
- Literatur* von und über Ludwig Tieck im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von Ludwig Tieck im Projekt Gutenberg*