Film oder Buch – Was ist besser?
Filme erzählen Geschichten. Bücher auch. Und auch, wenn man es angesichts der Flut der Netflix-Serienflut nicht glauben mag, fast jedem Film liegt auch ein Buch zugrunde.
Also nicht nur ein Drehbuch, sondern so ein richtiges Buch, das nicht nur die Schauspieler lesen. Oft weiß man das gar nicht, weil der Film viel bekannter ist als die Romanvorlage. Bei James Bond ist vielen nicht bekannt, dass es sich um eine Buchreihe handelt.
Jedenfalls sind sich Buchmenschen in den meisten Fällen absolut sicher, dass das Buch viel besser als der Film ist. Weil es tiefer ist, vielschichtiger, detaillierter … Man verwendet da oft und gern den Eisberg-Vergleich, bei dem der Film die Spitze und das Buch das Ganze.
Wir haben da letztens in der Redaktionssitzung, die wir derzeit quasi filmerisch per Online-Schalte bestreiten, geplaudert und sind nicht mehr so sicher. Was zu diesem Beitrag führt.
Film oder Buch – ist das Buch wirklich immer besser?
Tatsächlich fallen einem, wenn man etwas überlegt, doch ziemlich viele Filme ein, die irgendwie besser als die Vorlage waren. Das kann verschiedenste Gründe haben. Darum lohnt ein Blick auf die Unterschiede zwischen Buch und Film.
BUCH |
FILM |
|
|
Ein Buch kann seitenweise Landschaft beschreiben, kleinste innere Regungen schildern, in die Zeilen geheime Gedanken, Ängste und Konflikte packen. |
Ein Film hingegen kann eine ganze Welt und ihre Stimmung mit einem musikuntermalten Kameraschwenk in wenigen Sekunden vermitteln. |
Buch und Film sind wie Äpfel und Birnen …
Diese kleine Gegenüberstellung zeigt deutlich, dass Film oder Buch etwas von Birnen und Äpfeln hat. Beide erzählen Geschichten. Beide sind Obst. Und beide haben ihre Berechtigung, weil sie vor allem eins sind: Anders.
Ein Beispiel: Ich halte Triggerwarnungen in einem Buch bis auf wenige Ausnahmen für ziemlichen Blödsinn, während ich sie in Filmen sehr wichtig finde. Weil man im Film von einem Moment auf den anderen in eine Situation geworfen wird, die einen überwältigt. So schnell, dass man nicht einmal schnell genug die Augen zukneifen und sich die Ohren zuhalten kann. Ein Buch baut Szenen langsamer auf und man kann es jederzeit zuklappen. Die Schockelemente eines Films hat das Buch nicht. Da baut sich die Atmosphäre langsamer auf.
… oder eher wie Stroh- und Eichenholzfeuer
Das zeigt auch den größten Unterschied zwischen Buch und Film. Die Unmittelbarkeit. Es ist ein bisschen wie ein Strohfeuer und ein Eichenfeuer. Beide sind beeindruckend. Das eine ist wuchtig, schnell und alles vereinnahmend. Das andere kommt langsamer daher, es lässt sich schüren und gestalten, und es glüht nach, laaaaange.
Darum sind die meisten wirklich gelungenen Literaturverfilmungen nicht übermäßig werkstreu. Weil die Geschichte und ihr Anliegen dem anderen Medium angepasst wurden. Weil eine Filmgeschichte anderen Regeln, einem anderen Rhythmus als eine Buchgeschichte folgt.
Darum kann es sein, dass ein Film nicht die tiefen Regionen im Leserherz erreicht, in die ein Buch vorstoßen kann. Es kann aber auch sein, dass die straffere Dynamik eines Films, der oben erwähnte Kameraschwenk, einem arg langatmigen Buch durchaus gut bekommt.
Buch vor Film ODER Film vor Buch?
Auch ein Streitpunkt. Lassen wir mal das Sonderproblem Spoiler beiseite und vergleichen wir die Medien.
Am Anfang war das Buch
Wer das Buch zuerst gelesen hat, hat bereits maßgeschneiderte Bilder vor dem inneren Auge. Das berühmte Kopfkino, in dem man sich die Buchstabenkombinationen aus dem Buchtext in höchstpersönliche Bilder übersetzt hat. Und die sollen nun auf der Leinwand erscheinen. Tun sie nicht. Tun sie nie. Denn da sind die Bilder, die der Regisseur im Kopf hatte. Ich sage ja immer, dass niemals zwei Menschen dasselbe Buch lesen. 🙂
Aber der Film hat andere Möglichkeiten
Wenn man erst den Film gesehen hat und dann das Buch hinterher liest, hat hingegen die Möglichkeit, noch mehr zu erfahren. Andere Schwerpunkte, mehr Details, kleine Abweichungen …
Wenn der Film jene Aspekte herausgreift, die uns auch wichtig waren, sind wir zufrieden und können damit leben, dass die Vorhänge im Schlafzimmer anders waren als im Buch beschrieben. Werden hingegen Dinge weggelassen, die man mochte, ist man enttäuscht. Wenn Dinge verändert wurden, die man selbst nicht so gelungen fand, lange detaillierte Beschreibungen der Familienhistorie zum Beispiel, ist man sogar erfreut. Mit anderen Worten, manchmal will man gar nicht den ganzen Eisberg haben und ist vollkommen zufrieden mit der Spitze, die der Film präsentiert.
Oder gibt es doch ein Nebeneinander?
Ich persönlich lese lieber nach, was ich zuvor schon gesehen habe, als anders herum. Obwohl ich auch da schon mehrfach enttäuscht war, weil das Buch dann eben nicht an den Film herankam.
Andererseits sehe ich aber auch sehr gerne Filme zu Büchern, die ich schon kenne, seit ich mich darauf freue, wie bestimmte Sachen umgesetzt werden. Oder ich mache mich frei davon, dass ich „mein Buch“ verfilmt bekomme, sondern eben sehen werde, wie jemand anders das Buch wahrgenommen hat.
So wie es auch sehr spannend sein kann, wenn ein Chanson von einer Heavy Metal Band interpretiert wird oder ein Volkslied zum computeranimierten Techno-Hit wird. Auch im Theater ist es üblich, ein historisches Stück in modernen Kontext zu setzen, weil das aufregend und erleuchtend sein kann, gerade in Bezug auf die eigentliche Aussage. Warum also muss der Film sich sklavisch an die Vorlage halten und darf nichts „Eigenes“ machen?
Film oder Buch als Medienvergleich
Wenn man sich also von der Idee befreit, dass eine gute Verfilmung diejenige ist, die ein Buch möglichst genau in Bilder umsetzt, kann man schön auch die Medien vergleichen. Was in unseren multimedialen Zeiten dringend nötig ist, denn sie verschafft Medienkompetenz.
Fragt euch doch einmal, wie ihr euer Lieblingsbuch verfilmen würdet. Bedenkt, dass ihr nur 90 Minuten Zeit habt.
- Welche Szenen sind wichtig, welche kann man kürzen oder streichen?
- Braucht man umgekehrt zusätzliche Szenen, um innere Zusammenhänge oder dergleichen zu ver“anschau“lichen?
- Welche Figuren könnten evtl. weggelassen werden?
- Wie sollen die Figuren aussehen, gerade wenn man „zeigen“ muss, wie sie sind, weil man im Film ihre Gedanken nicht sieht
- Muss man den Film anders als das Buch anfangen lassen? Funktioniert das Ende wie im Buch?
- Welche Musik würde man für bestimmte Szenen verwenden?
Tipp für Autoren!
Das ist übrigens auch eine ganz hervorragende Methode, um als Autor inhaltlich das eigene Buch zu überarbeiten. Nicht, weil ein Drehbuch ein besseres Buch wäre, sondern weil es hilft, sich die Handlung unter diesem anderen Aspekt noch einmal kritisch anzusehen und so auch für die erzählte Form zu glätten.
Lasst doch mal hören, welche Filme ihr besser als das Buch fandet, welche Verfilmungen auf ihre Weise genauso gut waren. Wir möchten gerne eine Buchliste zu gelungenen Verfilmungen auflegen.
Wir freuen uns über Kommentare!