EU-Urheberrechtsreform – Und was passiert am Ende des Tages?

Alles Streiken, Demonstrieren und Petitieren hat nicht geholfen. Der politische Wille war nicht gesprächsbereit. Das Europäische Parlament stimmt mit 348 Stimmen zu 274 Gegenstimmen für die Urheberrechtsreform gestimmt. Auch die Artikel 11 und 13 behalten ihre umstrittenen Fassungen. Die in letzter Minute auf öffentlichen Druck hin noch eingebrachten Änderungsanträge wurden mit einer knappen Mehrheit von 5 Stimmen abgelehnt.

Was kommt jetzt? 

Um was geht es in der Urheberrechtsreform oder genauer der „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ eigentlich?
Wir hatten bei Skoutz bereits vor einiger Zeit über diese Reform berichtet (Artikel hier) und fassen das hier nochmals zusammen. Die offizielle deutschsprachige Fassung der Urheberrechtsreform kann auf der Webseite des Europäischen Parlaments eingesehen werden. Hier wurden Artikel 11 und Artikel 13 inzwischen jedoch in Artikel 15 und Artikel 17 umbenannt.

Wichtig ist zunächst, dass der Widerstand sich nicht gegen die Idee, Urhebern künstlerischer oder wissenschaftlicher Werken deren wirtschaftliche Verwertung zu sichern, richtet. Die weit überwiegende Zahl der Proteste richtet sich gegen die Art und Weise, wie das umgesetzt werden soll. Ein sehr löblicher Vorstoß eines einheitlichen europäischen Urheberrechts, der sogenannte Wittem-Entwurf, eine Verordnung mit der die Rechte der Urheber klar, prägnant und einheitlich gesichert werden sollten, konnte sich leider nicht durchsetzen (Details auf dieser englischsprachigen Seite). Stattdessen kommt jetzt eine Richtlinie, die alles mögliche verbietet, aber die Urheber nicht wirklich nicht schützt.

Urheberrechte

Der stark kritisierte Artikel 13 sieht vor, dass künftig Onlineplattformen für die auf ihnen veröffentlichten Inhalte haften, wenn Urheberrechtsverletzungen auftreten. Das klingt gut, weil damit ein Ansprechpartner greifbar ist, was man beim oft anonymen Uploader regelmäßig nicht hat. Das Problem ist, dass sich die großen Onlineplattformen nun nicht dem Risiko aussetzen wollen, womöglich urheberrechtsverletzende Inhalte zuzulassen und dann Schadensersatz bezahlen zu müssen. Also werden sie versuchen, das zu verhindern. Hier kommt der Uploadfilter ins Spiel. Denn wie soll ein Megaunternehmen die Millionen von täglich getätigten Uploads anders als mit Filterprogrammen kontrollieren? Dumm nur, dass Urheberrechte sehr kompliziert sind. Es ist also damit zu rechnen, dass hier einfach alles, was irgendwie, irgendwo schon mal da war, künftig nicht mehr durch den Filter hochgeladen wird.

Kritik an Äußerungen, Zitate, Parodien, Persiflagen – all das geht dann nicht mehr. Autoren, die ihre Text-Schnipsel als Werbematerial für ihr neues Buch über ihre Fans verbreiten wollen, können dies nicht mehr. Woher sollen  Facebook oder Instagram wissen, dass diese Schnipsel erlaubt – ja gewünscht – sind, während andere verboten sind? Woher weiß Youtube, dass diese Online-Lesung von der Autorin mit Pseudonym selbst ist?

Angeblich sind nur die großen Plattformen betroffen, YouTube, Facebook, Google … Nicht-kommerzielle Plattformen wie Online-Enzyklopädien sind von der Richtlinie ausgenommen, dumm nur, dass der Gemeinnützigkeits-Charakter vieler prominenter Beispiele zunehmend hinterfragt wird. Neue Plattformen, sind für 3 Jahre ausgenommen, solange ihr Jahresumsatz unter zehn Millionen Euro liegt. Aber für all die kleinen Unternehmer, die über Instagram, Youtube, Facebook oder die großen Blogplattformen ihre Online-Präsenz und ihr mehr oder weniger großes Hobby oder Geschäft betrieben oder bewarben, haben nun Pech gehabt.

Leisstungsschutzrechte

Auch Artikel 11, der die Leistungsschutzrechte (also die Verwertung von Urheberrechten) schützen will und verbietet, dass Inhalte ohne Einwilligung des Urhebers genutzt werden können, steht in der Kritik. Das Problem hier ist, dass man dann zwar z.B. eine bestimmte Äußerung kritisieren kann, aber man kann sie nicht mehr zitieren, um die Kritik zu belegen. Der Hinweis, dass man ggf. externe Links setzen darf, ist da nicht wirklich zielführend. Einen Maulkorb in dieser Form hat es lange nicht mehr gegeben, denn letztlich erlaubt er, jede missliebige Gegenmeinung effektvoll auszuschalten, indem man das Zitat verbietet.

Und wie geht es jetzt weiter?

Im nächsten Schritt muss die Reform  über den Rat in Kraft gesetzt werden. Darüber stimmt der Europäische Rat, voraussichtlich am 9. April, ab. Hier bietet sich Gegnern der Reform grundsätzlich die Möglichkeit, verschiedene Artikel der Reform noch zu verhandeln oder auch die Richtlinie doch noch zu stoppen, indem die Länder die Zustimmung versagen. Daher rufen Reformgegner, wie Julia Reda von der Piratenpartei, weiterhin zu Protesten gegen die Richtlinie auf.

Wenn die Richtlinie im Rat durchgeht (was leider zu erwarten ist), haben die Länder zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht zu transformieren. Anders als bei einer Verordnung wie der DSGVO haben die Mitgliedsstaaten einen gewissen Gestaltungsfreiraum bei der Umsetzung. Auch hier lohnt es also, Druck zu machen, auch wenn diese Möglichkeit gerade ein weiterer Kritikpunkt ist. Wirkungsvoll kann ja nur ein EU-einheitliches Urheberrecht sein. Wenn für jeden EU-Bürger was anderes gilt, wird es sehr schwierig, Online-Verletzungen durchzusetzen, wenn man keine Rechtsabteilung im Rücken hat. Der einzelne Urheber hat hier – da muss man realistisch sein – allenfalls eine Komparsenrolle.

Bei der Umsetzung in nationales Recht kann natürlich vieles noch präzisiert werden, Zitatrechte zum Beispiel, oder was als technischer Standard beim Uploadschutz erwartet wird. Tatsächlich stehen die Uploadfilter ausdrücklich nicht in der Richtlinie, sondern sind nur die wahrscheinlichste Lösung. Es lohnt auf Gestaltungsspielräume hinzuweisen und diese zu fordern, z.B. durch Definition der Betreiberverantwortlichkeit, Filteranforderungen etc.

Wir werden berichten, wie es mit der Urheberrechtsreform weitergeht.

 

2 Comments

  • Norbert Fleck

    Es wird wohl schlicht darauf hinauslaufen, dass private Foren und Bilderdatenbanken dicht machen (spätestens nach der ersten Abmahnung) und Buchautoren, Fotografen und Video-Produzenten nur noch über einen anerkannten Verlag veröffentlichen können – oder eben gar nicht mehr (außer auf der eigenen Homepage, die erst einmal keine nennenswerte Reichweite hat und im Erfolgsfall unter dem Traffic zusammenbricht).

    Wie man nach Inkrafttreten dieser „Reform“ noch eine Plattform bzw. ein Forum betreiben kann, ist mir völlig schleierhaft.

    Selbst Google wird wohl einige Dienste einstellen müssen oder hinter eine Bezahlschranke stellen. – Was wohl der eigentliche Zweck dieser „Reform“ ist, abgesehen vom angenehmen Nebeneffekt, dass man dank „Leistungsschutzrecht“ praktisch jede kritische Meinungsäußerung, die es wagt, etwas zu zitieren, mit Geldforderungen überziehen kann.

    Um ein Plakat der Münchner Demo zu zitieren: „Ich kann gar nicht soviel uploaden, wie ich kotzen möchte“.

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