zu Besuch bei Markus Cremer
Heute bin ich ins schöne Aachen gereist, um den vielseitigen Abenteuer-, Steampunk-, Fantasy- und Science Fiction-Autor (ich hoffe, ich hab jetzt nichts vergessen) Markus Cremer zu treffen. Ich hatte bereits in Leipzig schon das Vergnügen, ihn live zu erleben, bin aber dennoch gespannt, was mich erwartet, denn eines sei schon mal verraten – er ist wahrlich eine Erscheinung. Viel Spaß!
Zu Besuch bei Markus Cremer, der seine Leser auf spannende Lese-Abenteuer mitnimmt
Beschreibe dich in einem Wort!
Einzigartig. Liebenswert. Omnipotent. Bescheiden.
Ich schwöre euch, ich hab das nicht zensiert. Bei omnipotent hat er selbst gekniffen *lach*
Strukturierter Planschreiber, Bandenmitglied oder kreativer Chaot – was ist dein Schreib-Erfolgs-Konzept?
Ich mache Notizen in … nun … Notizbüchern (ich sollte was mit Wörtern machen).
Wenn du das nicht selbst vorgeschlagen hättest 🙂 Notizbücher finde ich super, man hat etwas vor sich … Handgeschriebene Worte sind irgendwie greifbarer … Ich schweife ab, entschuldige, du hat meine nostalgisch romantische Ader damit geweckt 🙂 Hast du ein spezielles System? Nach Genre? Oder zeitlich sortiert?
Manche sind nach Genres sortiert, andere hingegen sammeln Informationssplitter, Figurenentwürfe und kuriose Orte.
Allein diese Entwürfe zu erkunden ist sicher schon ein Abenteuer für sich … Notizen zu machen, sie in Büchlein zu sammeln, zu archivieren, zeugt ja von einer gewissen Struktur. Wie organisiert bist du? Oder doch eher der kreative Chaot?
Tatsächlich bin ich Mitglied der anonymen Plotter …
… entschuldige, dass ich dich hier unterbrechen muss. Ich bekomme irgendwie gerade das Bild nicht los, wie da ein Haufen Autoren im Kreis sitzt und du da stehst, dich vorstellst und alle sagen: „Hallo, Markus“ *lach* Jetzt schau nicht so, ich bin Opfer meiner blühenden Fantasie! Okay, wir machen ja schon weiter … Also, was heißt das genau?
D.h. ich werfe bei der Entscheidung für einen Stoff zunächst wahllos Szenenschnippsel, Titelideen, Charakterentwürfe und grobe Plotideen auf eine oder mehrere Seiten.
Eine Art wildes Brain-Storming 🙂
Auf diese Weise entsteht der Grundriss einer Geschichte inklusive der Strukturierung. Mittendrin oder am Ende kommen die Recherchen, die oft noch weitere Ideen oder Orte aufwerfen.
Wie wichtig ist dir die Recherche?
Natürlich sind Recherchen wichtig, allerdings gehören Hintergrundinformationen in den … was soll ich auch sagen … Hintergrund.
Welche Taste ist die am meisten abgenutzte auf deinem PC?
Mit Sicherheit die Leertaste, die jedes Mal vom rechten Daumen mit Nachdruck malträtiert wird.
Zeig mal, ob der besser trainiert ist, als die restlichen Finger 🙂 Das nenn‘ ich jetzt mal Sensations-Journalismus 😉
Ansonsten tippe ich in der Regel mit drei bis fünf Fingern.
*schaut ihre Hände an und fragt sich, nach welchen Kriterien er auswählt*
Klingt komisch … ist aber so. Funktioniert sogar.
Scheint so, du hast schon einiges veröffentlicht und ich muss gestehen, ich tippe auch mit einer elitären Auswahl 🙂
Wenn eine Fee dir einen perfekten Autorentag anböte, wie sähe der aus?
Morgens plotten …
Pssst, lass das nicht die „Anonymen Plotter“ hören 🙂
… dann die perfekte Anfangsszene schreiben, um am Nachmittag gleich mehrere Verlagszusagen zu erhalten. Etwas in dieser Art. Zwischendurch mit meinem Sohn einige Kampfszenen auf dem Rasen durchspielen: „Nimm dies, du Hund!“
So kann man Recherche spaßig gestalten 🙂
Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?
Da ich alle Charaktere erfinde … wohl eine ganze Menge … wobei mir die Schurken oft leichter fallen.
Das hätte ich jetzt nicht gedacht 😉 Da lernt man ja Seiten an dir kennen *lach*
Auf der anderen Seite erspart es mir wahrscheinlich eine Menge Therapiestunden inklusive Aufarbeitung der Kindheit.
Was ist dein Geheimrezept, um die Muse anzulocken und Schreibblockaden (große und kleine) zu überwinden?
Meine Muse ist eher ein Ghoul, der aus den Tiefen meines Unterbewusstseins Leichenteile von Charakteren anliefert. Mein Job besteht dann – nach seiner Meinung – darin, aus diesen ganzen Einzelteilen etwas Lebendiges zu schaffen.
Das klingt ja beinahe makaber, Master Frankenstein … 🙂
Mit Schreibblockaden habe ich weniger zu kämpfen. Wenn mir eine Stelle nicht geraten möchte, dann schreibe ich einfach beim nächsten Kapitel weiter. Auf diese Weise entsteht automatisch der Zielpunkt für das Kapitel vorher.
Und praktisch bist du auch noch 🙂
Welchen Anteil hat das reine Schreiben im Autorenjob und was gehört noch dazu?
Meine Rohentwürfe werden immer zügig abgefasst und lesen sich, als hätte ein Geisteskranker eine Tastatur mit der Kettensäge bearbeitet.
*grübel* solange du es lesen kannst 🙂
Der Vorteil – aus meiner Sicht – liegt darin, dass ich keine Skrupel bei der Überarbeitung habe. Die Überarbeitung benötigt
Huch, jetzt ist er irgendwie weggetreten … Hallo? *In die Hände klatscht*
Lesungen finde ich großartig.
Ah, da ist er wieder 🙂
Ob in Schulen, Cons oder in Bars ist dabei völlig egal. Würde ich gerne öfter machen, was aber zeitlich nicht immer einfach zu bewerkstelligen ist. Bei einer solchen Veranstaltung bekommt man ehrliche Rückmeldungen, trifft gelegentlich andere Autoren und erfährt, was die Leser an den eigenen Geschichten mochten. Oder was sie nicht leiden konnten … extrem lehrreich.
Wie entstehen deine Titelbilder. Hast du Ideen? Fertigst du sie selbst an?
Als Verlagsautor kümmere ich mich – von dilletantischen Entwürfen abgesehen – nicht um die Covergestaltung. Ein Umstand, der für alle Beteiligten besser ist.
Hmmm … *schaut ungläubig und überlegt, wie er das wohl meint*
Wirklich. Einige Zeugen haben heute noch Probleme mit den Augen.
Wirst du von namhaften Optiker-Ketten gesponsert?
Was macht für dich ein gutes Buch aus?
Ein Buch soll mich fesseln und in den Zustand versetzen, dass ich einfach wissen MUSS, was auf der nächsten Seite auf mich lauert. Es darf mich nur nicht langweilen.
Gelingt dir das immer? Ich meine, hast du Glück bei deiner Lektüreauswahl oder bist du sehr kritisch?
Zwischendurch lese ich – um mich selbst zu bestärken – auch einmal wirklich schlechte Romane, z.B. Horror-Heftromane aus den 80er Jahren.
Warum machst du das?
Da kann sich dann mein innerer Lektor austoben. Auf diese Weise hält er bei der Erstfassung meiner eigenen Geschichte meistens die Klappe 😉
Echt jetzt? Du setzt so deinen Anspruch an dich selbst runter? 🙂 Was für ein Trick 😉
Welche Gefahren lauern im Alltag auf deine Manuskripte, was kann dich von deiner Geschichte trennen?
Ein altes Haus, eine junggebliebene Frau und ein kleiner Sohn.
In der Reihenfolge?
Alles Dinge, die ich liebe (nicht in dieser Reihenfolge), die aber auch dafür sorgen, dass sich der Alltag nicht gerade geruhsam gestaltet. Auf der anderen (der guten) Seite … nun, diese Umgebung erdet einen auch. Dem Sohn ist Feuerwehrmann Sam wichtiger, als die Überarbeitung eines Manuskriptes.
Der ist ja auch cool. Meine Kids würden deinem Sohn da zustimmen 🙂
Eine verstopfte Regenrinne, die ihr Wasser nicht mehr halten kann und lieber ins Badezimmerfenster uriniert … nun, mit solchen Dingen ändern sich die Prioritäten spontan.
Ich bewundere deine Flexibilität 😉
Auch wenn viele (gutmeinende) Schreibratgeber davon abraten, sich auch nur bei einem Erdbeben von der Schreibsession weglocken zu lassen.
Meine Schwiegermutter sagt immer, dass Gegenteil von gut gemeint sei … ach ich schweife schon wieder ab 😉 Gibt es sonst noch was? Filme? Serien?
Und gute Filme oder alte Serien zu sehen ist keine Prokrastination oder Faulheit …
Sondern?
… es handelt sich um eine Übung in Strukturanalyse. Oder? ODER?
*Kinnlade klappt runter, Augen werden groß* Ja, natürlich … *räusper*
Und wenn du mal den Kopf freibekommen willst, womit beschäftigst du dich dann am Liebsten?
Ich bastele gerne am Haus herum – getreu dem Motto: „Nicht schön – aber selbst gemacht!“
Bist du auch jemand, der an keinem Baumarkt vorbeikommt? Und immer was mitnehmen muss … ob er es braucht oder nicht? 😉
Auch hantiere ich gerne mit Schrott und zimmere steampunkige Gegenstände … sehr zur Freude meines Sohnes und weniger zur Freude meiner Frau.
Man muss Prioritäten setzen, denn man kann nicht alle zufriedenstellen 🙂
Was sonst noch? Lesen. Lesen geht immer. Überall.
*schluckt die Antwort und macht keine Challenge draus* 😉
Ach ja … Geschichten plotten entspannt mich auch.
Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?
Tatsächlich sind mir die meisten meiner Figuren sympathisch … selbst die Schurken und bösen Charaktere. Okay, vielleicht nicht direkt sympathisch, aber zumindest interessant.
Alles andere hätte mich gewundert, wenn so viel Biografie und von deinem Wesen in ihnen steckt 🙂
Eine gemütliche Runde mit Darth Vader, Dr. Moreau, Dracula und Prof. Moriarty würde bestimmt eine anregende Unterhaltung ergeben.
Wenn die jemals zustande kommt, bitte ruf an und lad mich ein!
Wie groß ist dein SUM (Stapel ungeschriebener Manuskripte) und wie gehst du mit ihm um?
Während ich an einem Roman schreibe, unterbreche ich auch hin und wieder, um Kurzgeschichten für Wettbewerbe einzuschieben. Auf diese Weise benötige ich für ein Buch und ein Dutzend Kurzgeschichten knapp ein Jahr.
Das ist doch ein recht guter Schnitt …
Da ist auch noch ein Stapel bereits geschriebener Romanmanuskripte, die ich vielleicht irgendwann einmal gründlich überarbeite … wenn Zeit ist … viel Zeit … und keine neuen Ideen am Horizont auftauchen … was sie aber ständig tun.
*Taschentuch rüberreicht und verständnisvoll die Schulter klopft*
Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?
Schwer zu sagen. Klar, die erste Veröffentlichung einer Kurzgeschichte, eines Romans oder der erste Literaturpreis sind schon klasse. Auch die erste Lesung war aufregend und lief ungewöhnlich gut. Alles Meilensteine, die einen antreiben.
Also immer das erste Mal … wenn etwas neu und aufregend ist … gab es noch andere Momente?
Kurios fand ich die Angelegenheit mit dem Titelbild zu „Archibald Leach“. Der Illustrator Martin Schlierkamp bat mich um einen Rohentwurf für ein Bild/Foto mit der Pose des Protagonisten. Eine ausgedehnte Internetrecherche ergab … nichts. Schließlich warf ich mich in mein Lesungsoutfit und machte mehrere Fotos davon, die ich Martin schickte. Dann hörte ich eine Weile nichts, bis die (phantastische) Zeichnung kam … mit mir als „Coverboy“ – komplett mit schiefem Krawattenknoten. Gut, mein Gesicht ist nicht zu sehen … was sicherlich verkaufsfördernd ist.
Einmal auf dem Titelbild *hach* … da werden Träume wahr … also für viele … ähhh andere … 🙂
Wie definierst du Erfolg?
Mein persönlicher Erfolg ist immer die Geschichte, die ich gerade beendet habe.
Rankings, Nominierungen oder ähnliches?
Was Preise und Listen angeht, so bin ich in der komfortablen und glücklichen Position, dass mein erster “Archibald Leach“-Roman für zahlreiche Preise nominiert wurde und auch auf der Phantastik-Bestenliste auftauchte.
Herzlichen Glückwunsch! Das ist sicher ein toller Erfolg und ein großes Lob an dich als Autor. Und was ist für dich persönlich das größte Kompliment?
Das größte Kompliment? Wenn ein Leser sagt, dass ihm meine Geschichte gefallen hat. Ganz einfach.
Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?
Wirst du auch in Zukunft weiterschreiben?
Das hoffen wir doch ganz stark. Ich drücke dir und deinem Roman für den weiteren Wettbewerb alle Daumen. Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, mich zu treffen und mir all meine Fragen zu beantworten. Es hat sehr viel Spaß gemacht und ich hoffe, dass wir uns in Frankfurt wiedersehen werden.
Hier könnt ihr Markus Cremer treffen:
Mehr spannende Informationen und die aktuellsten News findet ihr auf:
- Markus Cremers Homepage
- der Facebook-Seite von Marcus Cremer
Wenn ihr mehr über seine Kurzgeschichten wissen wollt, dann schaut doch auf seiner Seite in der Rubrik Kurzgeschichten, da findet ihr verschiedenste Links zu den einzelnen Genre.
Hinweis:
“Archibald Leach und die Monstrosutäten des Marquis de Mortemarte” von Markus Cremer ist sicherlich der sperrigste Titel in der diesjährigen Midlist. Der ca. 550 Seiten lange, im Mai 2017 im Art Skript Phantastik Verlag veröffentlichte Steampunk-Roman erzählt die mit vielen verrückten Details gespickte Geschichte um den Kampf gegen einen verrückten Wissenschaftler, der die Welt bedroht, erfrischend anders.
Daher ist es auch absolut verdient, dass der Titel sich gegen über 200 Mitbewerber aus der Longlist Science Fiction durchsetzen konnte. Von Skoutz-Juror Stefan Cernohuby auf die Midlist Science Fictiongepackt, hat Archibald Leach jetzt alle Chancen, mit Volldampf den Skoutz-Award 2018 zu ergattern.