Zu Besuch bei Yvonne Wüstel

Heute sind der Skoutz-Kauz und ich unterwegs um Yvonne Wüstel zu besuchen. Sie steht mit dem von ihr und ihren Kolleginnen Anke Küpper und Franziska Henze herausgegebenen Titel „Tatort Nord: Urlaubskurzkrimis von Sylt bis Fehmarn“ auf der Midlist Anthologie und für uns ist das natürlich ein guter Grund mit ihr ein Interview zu führen. Persönlich kennen wir sie noch nicht aber das holen wir ja heute nach. Wir freuen uns auf sie und haben eine Menge Fragen im Gepäck; wir sollten uns also sputen um nicht zu spät zu kommen.

Zu Besuch bei Yvonne Wüstel, die mit Gänsen und Kranichen aufwacht

Hallo liebe Yvonne, wir freuen uns sehr, dass wir dich heute besuchen dürfen. Die Reise war angenehm und der Skoutz und ich freuen uns schon sehr darauf, dir unsere Fragen zu zeigen und sind auch mächtig gespannt auf deine Antworten. Der Skoutzi ist schon wieder ungeduldig und schaut sich bereits bei dir um …

Wo sitzen wir denn, also wo willst du uns empfangen?

Auf der Terrasse in unserem zweiten Zuhause – ein kleines Dorf an der Schlei in der Nähe von Schleswig.

Wunderschön, es ist so toll hier! 

Mein Mann hat für uns eine leckere Suppe im Dutchoven auf offenem Feuer gekocht, dazu gibt es alkoholfreie Cocktails, wir haben aber Gintonic, Whisky oder Wein, wenn ihr mögt.

Es zieht im Moment ein wenig, auf die Suppe freue ich mich schon, Dankeschön. Alkoholfreie Cocktails klingt perfekt!

Vielleicht sägt nebenan der Nachbar seinen Holzvorrat für den Winter, oder einer der Landwirte erntet gerade sein Feld ab. Aber wahrscheinlich hören wir nur die Gänse und Kraniche an der Schlei, und der Seeadler dreht über uns seine Runden. Es duftet nach Wiesenblumen und Gras – ich hoffe, ihr seid nicht allergisch?

Nein, alles in Ordnung. Wie gesagt, ich finde es wirklich traumhaft hier bei dir! Und der Skoutzi hält schon Ausschau nach dem Seeadler. 

Nach welchem Motto lebst du? Und wirkt sich das auch auf dein Schreiben aus?

Ich kriege ja selten genug von allem, deshalb habe ich zwei Mottos:

Zwei direkt? Na, dann erzähl mal.

Live to write, write to live. Das Schreiben bestimmt mein Leben tatsächlich in jeder Hinsicht, so dass ich mich nur wirklich als intakter Mensch fühle, wenn ich schreiben kann. Und gleichzeitig brauche ich alle Eindrücke des Lebens, um überhaupt schreiben zu können. Insofern befinde ich mich in dem fast paradiesischen Zustand, das alles für mich zusammengehört und ineinandergreift: Alltag und Beruf, Familie und Kollegen, Arbeit und Entspannung, Außen und Innen.

Das hört sich für dich sehr harmonisch an, alles passt und fügt sich zusammen. 

Das zweite Motto: Man hat immer eine Wahl. Selbst wenn mir die möglichen Alternativen nicht gefallen, ist es meine Entscheidung, was ich wähle. Das macht mich in jeder Hinsicht frei und unabhängig. Das spiegelt sich natürlich auch in meiner Arbeit wieder: Ich schreibe in vielen Genres
und bin ständig offen für Neues.

Das klingt sehr klug und für mich klingt es richtig. 

Was ist dein erster Gedanke, wenn ich dich frage, was du GAR NICHT magst?

Intoleranz. Schubladen bzw Etiketten.

Intoleranz ist eine Eigenschaft, die ich auch furchtbar finde.  

Und selbstzufriedene Dummheit, die sich konsequent gegen neue Erfahrungen, Gedanken und Erkenntnisse sperrt.

Da kann ich dir absolut zustimmen. 

Als Klischee wird man nicht geboren, sondern muss sich den Titel erarbeiten. Klischees sind so praktisch wie lästig. Wie gehst du persönlich mit ihnen um? Beim Schreiben wie im Leben?

Klischees gibt es, weil es Klischees gibt – zumindest auf den ersten Blick. Denn letztlich ist ein Klischee nur eine Momentaufnahme. Sobald ich genauer hinschaue, erkenne ich, dass es da viel mehr zu entdecken gibt. Ich bin ja nicht frei, vom Denken in Schubladen.

Ja, da ertappe ich mich auch schon mal bei. Und so oft, wie ich mir sage, lass es, es passiert einfach. Ich finde das aber auch nicht schlimm. Dass man vom ersten Eindruck mit seinen Erfahrungen eine Erwartung verknüpft. Solange man dabei beweglich bleibt.

Doch ich bemühe mich, offen zu bleiben für Korrekturen. Beim Schreiben gilt das gleiche: Natürlich gibt es auch bei mir den übergewichtigen Kuttenträger, der auf seiner Harley vorbeidonnert. Aber in meinen Romanen ist dieser Mensch unterwegs nach Hause, wo sein Sohn im Rollstuhl sitzt und er zur Entspannung Luciano Pavarotti hört. Menschen sind Überraschungspakete – immer und überall, egal ob im wirklichen Leben oder im Roman

Ja, also ich sag es immer wieder, ich lese gerne über Klischees in Büchern. Und noch schöner ist es natürlich, wenn da noch viel mehr zu finden ist. Klischees erlauben doch oft erst eine Überraschung. 

In welchen Genres schreibst du? Hast du dich bewusst dafür entschieden oder hast du nachher überlegt, wie du deine Geschichte einordnest?

Ich schreibe in vielen Genres – Wohlfühlromane (auch „Frauenunterhaltung“ genannt – aber ich mag das Wort nicht!), historische Romanbiographien, Krimis, Fantasy …

Passt hervorragend in meine bevorzugten Genres, wobei ich auch nicht von Frauenliteratur sprechen mag. Das ist bbbbrrrrrr. Und wie kommst du zum Schreiben.

Meistens findet die Geschichte mich, und ich bin heilfroh, dass meine Agentin bzw die Verlage die Einordnung übernehmen.

Ah, dann lässt du es einordnen. Super, hält dir deinen Kopf frei. 

Von wem kommt deine strengste Kritik? Und wie gehst du mit ihr um?

Mein Mann ist mein strengster Kritiker. Als er in den frühen Neunziger Jahren mein erstes fertiges Manuskript gelesen hat, warf er es mit den Worten „So einen Scheiß lese ich nicht!“ zur Seite.

Oh mein Gott 😮 Wie hast du reagiert?

Das hat mich angespornt, an mir, meinen Texten und Geschichten zu arbeiten, besser zu werden. Und seit 25 Jahren lebe ich nun vom Schreiben. Also ja, was er zu sagen hat, ist mir sehr wichtig.

Wenn seine Kritik jetzt konstruktiver ist, dann geht es ja. 

Ein Sprichwort sagt „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.“ – Wie findest Du diesen Satz?

Ein Garten. Hm. Ich stelle mir angelegte Gärten vor mit Rasenflächen, Staudenrabatten, Beeten voll üppigem Gemüse und einem perfekt umgesetzten Kompost.

Na ja, der Garten kann ja auch aus vielen Wildblumen bestehen, Obstbäume und Kräuter enthalten. 

Dieses Bild hakt aber bei vielen Büchern, die ich lese. Das wären dann eher verwilderte Gärten, in denen das Unkraut um Ruinen herumwuchert, struppige Wüsten oder apokalyptische Landschaften.

Ja genau, so einen Garten. Da habe ich sofort ein Bild im Kopf … 

So etwas möchte ich aber nicht in meiner Tasche haben.

OK, ich denke da nie an Erde oder sowas. Für mich ist das Zitat ein schönes, Lesen und sich wohlfühlen wie in einem Garten. 

Deshalb gefällt mir das Zitat von Stephen King besser: „Bücher sind einzigartige, tragbare Magie“. Die kann dann auch mal böse oder bitter sein.

Magisch finde ich Bücher auch, das könnte dann auch passen. 

Mit welchem Buch wurde deine Liebe zu Büchern geweckt?

Als Kind waren es „Die Wawuschels mit den grünen Haaren“ von Irina Korschunow (wir hatten damals das Glück, dass Irina Korschunow in unserer Schule gelesen hat)

Ach wie toll, das muss ja für euch als Kinder unglaublich toll gewesen sein. 

und natürlich „Hanni und Nanni“ – rauf und runter, einige Bände habe ich bestimmt dreißig Mal gelesen.

 

haha, ja die habe ich auch total zerlesen … 

Als Jugendliche hat mich „Der Herr der Ringe“ zur Fantasy gebracht, Agatha Christie (meine Lieblinge „Mord im Pfarrhaus“, „Alter schützt vor Scharfsinn nicht“, „Das Schicksal in Person“ und „16:50h ab Paddington“) hat meine Liebe zu Krimis geweckt und Hermann Hesse („Siddhartha“, „Unterm Rad“, „Der Steppenwolf“) und Stefan Zweig („Die Schachnovelle“) haben mir die Tür zur sogenannten „Literatur“ geöffnet. Und irgendwann dazwischen kam noch Stephen King.

Ist ja bunt gefächert, viel Klassik und schön gemischt. Aber viele der Bücher habe ich auch schon in jungen Jahren kennen,- und lieben gelernt. Alle „Miss Marple“ Bücher habe ich früher schon sehr gerne zur Hand genommen. 

Bei so vielen Büchern liegt die nächste Frage nahe: 

 

Wie sortierst du deine Buch-Regale?

Meine Bücherschätze sortiere ich nach Genre und Themengebiet, und dann alphabetisch nach Autoren und Autorinnen. Für Deko habe ich nicht viel Platz, die Regale in allen Räumen quellen ohnehin fast über und es kommen wöchentlich neue Bücher hinzu …

Der Platzmangel, ja, das ist wohl das Problem von uns Buchmenschen. Ich bekomme momentan einfach keine vernünftige Sortierung hin. 

Die gesellschaftliche Diskussion über das, was man in der Kunst tun und lassen darf, ist zur Zeit sehr hitzig. Wie stehst du dem gegenüber und wie beeinflusst das deine eigene Arbeit?

Das wird jetzt etwas länger dauern 😉

Das macht ja nichts, wir haben noch Zeit. 

Meine ganz persönliche Meinung: Die Aufgabe der Kunst – egal ob Musik, darstellende oder bildende Kunst oder Literatur – ist es, Schönheit und Ästhetik erfahrbar zu machen, aber auch Augen zu öffnen, Grenzen auszuloten und zu überschreiten, den Finger in Wunden zu legen. Kunst darf, kann und muss gelegentlich auch die Schmerzgrenze überschreiten.

Okay, klare Anage. 

Es ist wichtig, dass Kunst zum Nachdenken, zur Diskussion anregt.

Wenn man dann dazu die Menschen ans Diskutieren bringt, und man sich damit auseinandersetzt, hätte die Kunst ja schon einiges erreicht. Ich nehme das leider aktuell sehr oft als fürchterliche Schreierei um Befindlichkeiten wahr, die völlig vom Ansatz weggehen und nur noch subjektiv geführt werden. Das wirst du nicht meinen. Welches Bild hast du vor Augen?

Ein Beispiel: Es gibt von dem Streetartist Banksy ein Graffiti mit Ronald McDonald und Mickey Mouse, die fröhlich hüpfend in ihrer Mitte das Mädchen von dem berühmten Napalm-Foto aus dem Vietnam-Krieg an den Händen halten. Als ich das erste Mal bei einer Ausstellung vor einem Bild dieses Graffitis stand, war es wie ein Schlag ins Gesicht. Der Zusammenhang zwischen Konsum, Wirtschafts-Imperialismus und Krieg und Leid so vieler Menschen wurde für mich FÜHLBAR.

Ganz plakativ vor Augen führen, genau! Ich kenne das Bild auch und musste schlucken. 

Das schaffen Fakten nicht. Allerdings gilt hier für Kunst das gleiche wie für einen medizinischen Eingriff: Sie muss den Betrachter/Leser aufklären und ihm oder ihr die Entscheidung überlassen, ob sie sich dem aussetzen wollen.

Dann wäre aber der Konsum freiwillig und nicht die Kunst verpflichtet vorausschauend schon auf Unwohlsein in jeder Form Rücksicht zu nehmen. 

Chat GPT und andere KI-Apps sind gerade in aller Munde. Was hältst du davon, dass KI Geschichten, ja ganze Bücher alleine verfassen kann? Sind das für dich überhaupt richtige Werke?

Ich habe noch keine KI Texte gelesen und kann mir also kein Urteil bilden. Allerdings habe ich Schwierigkeiten mit vorzustellen, dass eine KI kreativ genug ist um die Brüche zu produzieren, die Literatur erst spannend machen.

Ja, das kann ich mir auch nicht wirklich vorstellen aber wir müssen sicher noch ein wenig warten um zu sehen, wie es mit den KIs weitergeht. Und jetzt so kurz vor dem Ende des Interviews habe ich noch eine kleine, letzte Frage für dich:

Welche Frage sollen wir dir nächstes Jahr im Interview stellen?

Wann fährst du wieder nach Schottland?

Oh ja, wenn wir im nächsten Jahr wiederkommen, können wir ja auch ein wenig über Schottland plaudern. Liebe Yvonne, wir danken dir ganz herzlich, dass wir dich besuchen durften und dass du für uns Zeit hattest! Wir haben uns hier bei dir an der Schlei sehr wohl gefühlt und unser Skoutz sucht immer noch einen Seeadler. Wir machen uns jetzt auf den Heimweg und zehren von der leckeren Suppe, die wir serviert bekommen haben. 

Hier gibt es mehr über Yvonne Wüstel:

 

Skoutz Lesetipp:

Küstenmord: Das letzte Lied: Kriminalroman (Die Ostsee-Kommissare 1) von Eva Jensen 

In einer luxuriösen Seniorenresidenz bei Schleswig wird ein Toter gefunden. Alle Indizien sprechen für Mord. Doch wer hat ein Interesse an dem vorzeitigen Ableben eines 94-jährigen Opernsängers? Geht es ums Erbe? Oder ist gar ein Todesengel am Werk?

Je länger Kommissarin Katja Greve und ihr neuer Kollege Daniel Kowalski ermitteln, umso zahlreicher werden die Motive. Schon bald offenbaren sich den beiden mehr menschliche Abgründe und Tragödien, als ihnen lieb ist …

Skoutz meint: Ein sehr lokalkoloritreicher Thriller, mit zwei Ermittlern, die sich erst zusammenraufen müssen, wenn sie dem Verbrechen Paroli bieten wollen. Der Mix aus Spannung und Amüsement ist perfekt gelungen. Der Plot wendungsreich mit einigen erfrischenden Ideen, die mich überraschen konnten. So mag ich meine Feierabendlektüre. (jtf)

 

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Hinweis:

Yvonne Wüstelsteht mit ihrem Titel Tatort Nord: Urlaubskurzkrimis von Sylt bis Fehmarn“ auf der Midlist Anthologie von Petra K. Gungl und Fenna Williams.  Damit hat sie natürlich die Chance auf den Award im Bereich Anthologie.

Wir haben das Buch gelesen und euch hier auch schon vorgestellt.

 

 

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