zu Besuch bei Ralf Kor (Juror Horror 2022)
Heute bin ich bei einem der wenigen Horror-Autoren zu Besuch, die ich nicht nur gerne mag, sondern auch gerne lese. Es ist erstaunlich, was für ein liebenswert verrückter Haufen die Horrorleute sind und wie supernett die meisten Horror-Autoren doch sind, wenn man weiß, welche Abgründe sie auf dem Papier skizzieren. Ich gebe zu, dass ich für viele Bücher dieses Genres eine zu rege Fantasie habe, die mich nach dem Buch noch lange nicht aus der Geschichte entlässt. Bei Ralf Kor aber siegt meine Neugier. Mir gefällt die Art, wie er das Genre neu definiert, mit teerschwarzem Humor oder einer Hommage an Heftchenwestern.
Doch genug geredet, der Skoutz und ich sind angekommen.
Zu Besuch bei Ralf Kor, der sich im Käfigbau übt
Lieber Ralf, vielen Dank, dass wir dich mal wieder besuchen durften. Da du als Familienvater, fleißiger Autor und neuerdings Skoutz-Juror sicher viel zu tun hast, fangen wir gleich mal an …
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Wenn du ein Tier wärst, wärst du ein …? (Und warum?)
Ein Schweinehund.
Äh, was? Warum?
Dann würde ich meinem Schweinehund mal im Wege stehen, damit er weiß, wie sich das anfühlt.
Haha. ja, das ist schlau. Damit man sich mal auf Augenhöhe trifft.
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Womit kann man dich im Alltag glücklich machen?
Mit einem Lächeln und bestenfalls einem Witz. Das Leben ist zu kurz, um nicht zu lachen. Was bleibt uns denn sonst?
Oh, jede Menge, aber ich stimme dir sofort zu, dass die schönen Dinge lachend schöner, farbiger und besser sind, und die miesen verlieren viel von ihrem Schrecken. Darum ist es ja auch oft gar nicht böse, sondern befreiend und dann verbindend, wenn man über Dinge, die einem fremd sind, erst einmal lacht.
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Wir alle haben Wünsche, für uns, für die Welt. Was sind deine und was tust du, damit deine Wünsche in Erfüllung gehen?
Ich wünsche mir einen Käfig, in dem Politiker und mächtige Menschen ihre Fantasien ausleben können.
Oh ja, schön. Da stelle ich mir so ein Szenario wie bei Mad Max III vor.
Genau. Und am Ende kriegen alle eine Teilnehmerurkunde und lassen im besten Fall ihr und andere Völker in Frieden. Was ich dafür tue? Einen Käfig bauen.
Sehr löblich. Ein schräger aber sehr logischer Ansatz. Und was wünscht du dir dafür?
Das Buch: Kampfkäfige bauen für Dummies.
Und für dich persönlich? So ganz im Ernst.
Im Ernst? Zufriedenheit. Jeder wünscht es sich, genau wie ich.
Ich jedenfalls auch. Was etwas ist, das man zum Glück in weiten Teilen auch für sich allein erarbeiten kann. Lass uns, bevor es allzu philosophisch wird, mal über Bücher sprechen.
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Welches Buch hat dich am meisten geprägt?
Stephen Kings Nachtschicht, denke ich.
Inwiefern?
Nach den John Sinclair Heftchen war das meine erste Berührung mit Horrorromanen. Aber auch Bücher wie Milan Kunderas „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ und Dürrenmatts „Die Physiker“ waren Bücher, die mich über meinen Tellerrand haben blicken lassen.
Die Physiker würde ich auch auf meine Liste setzen. Das war die erste Schullektüre, die ich richtig gut fand. Wobei ich zur Ehrenrettung der anderen Schullektüren sagen muss, dass ich sie besser fand, als ich sie mir nochmals allein ohne metaphernjagende Deutschlehrer vorgenommen habe.
Bleiben wir noch kurz beim Buchregal. Welcher Klassiker liegt allen Vorsätzen zum Trotz immer noch auf deinem SuB? Und welches Buch ist hätte deiner Meinung nach deutlich mehr Leser verdient und warum?
Der Herr der Ringe. Ich kann mich einfach nicht dazu durchringen, es zu lesen.
Bei einem Horror-Autor ist das ja okay. Wenn ich dir sage, dass ich als High-Fantasy-Schreiber auch drei Anläufe und den ersten Teil des Jackson-Films gebraucht habe, bis ich es geschafft habe, beruhigt dich das vielleicht. Ich bin einfach nicht reingekommen. Woran liegt es bei dir?
Ich habe so viel darüber gehört, dass mir die Lust daran vergangen ist.
Und umgekehrt, was sollte mehr gelesen werden?
Wer mehr Aufmerksamkeit verdient, ist Jeff Strand.
Ja? Den kenne ihn nur im Original von meinem Papa. Der mochte ihn. The Pressure, glaub ich. Aber da ist doch das meiste vergriffen, oder?
Inzwischen bringen der Festa Verlag und Savage Types ihn ja wieder raus, zudem in toller Übersetzung, aber damals kamen seine Bücher bei Heyne und Voodoo Press heraus und die Übersetzung war furchtbar. Ein wirklich toller und facettenreicher Autor, den ich auch ein wenig als Vorbild sehe.
Dann empfehle ich dir seinen Schreibratgeber, das einzige seiner Bücher, das ich von ihm im Regal habe. Sehr unterhaltsam und lehrreich in einem:The Writing Life: Reflections, Recollections, And a Lot of Cursing*
Zudem kann ich so kongenial und höchstgeschmeidig zum nächsten Fragenblock überleiten:
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Themen finden ist oft einfacher als aus den vielen Ideen, die richtige Auswahl zu treffen. Wie entscheidest du, welches Projekt du als nächstes verwirklichst?
Mir fehlt leider die Zeit, all meine Ideen zu einem Projekt zu realisieren.
Genau so habe ich dich eingeschätzt! Umso wichtiger ist ja die Auswahl. Also?
Zum einen muss es mich kicken. Ich muss beim einschlafen an die Story denken, mit ihr aufwachen und mit ihr Mittagessen. Wenn der Film in meinem Kopf läuft, ich dumm in die Luft starre, wenn meine Frau mit mir redet, dann ist es Zeit, in die Tasten zu hauen.
Schreiben als Befreiungsschlag sozusagen. Die Besessenheit durch eine Geschichte passt ja zu einem Horror-Autor.
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Wo stehst du beim Schreiben einer Szene? Bist du eher der aufmerksame Beobachter und Dirigent oder mittendrin in allen Höhen und Tiefen mit Blut, Schweiß und Tränen?
Wie gesagt, läuft vor meinem inneren Auge ein Film. So denke und schreibe ich. Manchmal muss ich mich aber auch tief in meine Protas einklinken, um sie zu verstehen.
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Welche Szenen fallen dir beim Schreiben am schwersten und wie meisterst du sie trotzdem?
Sexszenen versuche ich zu vermeiden. Sowas wird in der Regel peinlich oder langweilig. Es gibt selten gute Sexszenen.
Sexszenen als Horror der ganz eigenen Art? Okay. Und so allgemeiner gesprochen?
Am schwersten fällt mir in der Regel das Ende. Ich wünsche mir dann eine Bombe, die das Problem löst. Aber ich kann ja nicht in jedem Roman eine Bombe auftauchen lassen.
Schwierig, ja. Aber als Leser kann ich dir nur sagen: Es liest sich nicht so, als hättest du dich so gequält.
Aber wenn wir schon von Quälen reden …
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Was ist dir beim Schreiben deiner Geschichten am wichtigsten, worauf achtest du besonders?
Knackige Dialoge. Die liegen mir recht gut und mit ihnen kann ich viel mehr sagen, als allem anderen. Daher versuche ich stets dialoggesteuerte Geschichten zu schreiben.
Vielleicht mag ich deine Bücher deshalb. Ich schreibe auch am liebsten Dialoge.
Mir geht ja deine Geschichte in deinem Kopf nicht aus dem Kopf, diese Besessenheit …
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Es heißt, jeder Künstler muss auch ein bisschen wahnsinnig sein. Was ist dein Schuss „Wahnsinn“?
Ich höre gerne zu und rede nicht viel.
Echt? Ist mir jetzt gar nicht aufgefallen.
Das kann auf andere schnell unheimlich wirken. Manchmal guckt mich meine Frau während einer geselligen Runde an und fragt: „wen bringst du jetzt wieder um?“ und ich antworte: „wenn ich dir das verrate, müsste ich ausziehen.“
Ah geh! Autoren dürfen das. Aber da du ja durchaus was zu sagen hättest, warum schweigst du?
Ich achte viel auf meine Umwelt und wie sie agieren. Natürlich nicht ständig (das wäre ja echt creepy), aber es kommt vor.
Ich vermute mal, dass du das nach Autorenart in ein Buch umwandelst. Daher die nächste Frage:
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Beschreibe dein aktuelles Buch in 3 Sätzen
x Mann verliert seine Frau durch Unfall.
y Mann erweckt sie und Frau wird zum Zombie.
z Mann versucht den Alltag mit ihr zu meistern.
Klingt nach einer abgefahreneren Variante von Kings Friedhof der Kuscheltiere. Gaaage! Erzählst du mir noch mehr?
Till Undead heißt das Buch und kommt bald bei Redrum heraus. Es wird ein schwarzhumoriger Horrorroman über das Zusammenleben mit einer Untoten.
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Was würdest du noch gerne lernen und wozu?
Ich würde gerne tiefer in Programmiersprache und Grafikgestaltung eintauchen. Beides Themen, die ich spannend finde, für die ich jedoch keine Zeit habe.
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Welcher Moment im Leben hat die besonders geprägt?
Die Geburt meines ersten Kindes. Das war ein wahninnig ergreifender Moment, der mich völig überwältigt hat.
Ja, das glaube ich.
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Was sollen deine letzten Worte sein?
„Sag Johnny, dass er sein Ding durchziehen soll!“
Äh, was?
Generationen werden noch über den Sinn meiner Worte nachdenken und Theorien aufstellen. Und ich werde in meinem Grab liegen und grinsen.
Und mit welchen Worten soll dieses Interview enden?
„Sag Johnny, dass …“ ne, Quatsch. Besser so: „Liebes Skoutz-Team, zieht euer Ding durch!“ Das ist wirklich ein spannender, gut organisierter und transparenter Wettbewerb.
Danke, wobei das tatsächlich in hohem Maße auch ein Verdienst der Jury ist. Darum habe ich auch noch ein paar kleine Fragen zu deinem Jury-Job … Transparenz und so!
André und der Horror-Skoutz:
Was hat dich bewogen, den Jury-Job zu machen? (Vielen Dank dafür!)
Ich wurde gefragt und dachte: ja klar, ich hab ja noch nicht genug am Hacken. Nene, ich bin Vielleser und meine, mich im Genre gut auszukennen. Ich bin eben auch Fan und habe mich gefreut, als die Anfrage von euch kam. Das st für mich eine große Ehre. Danke dafür!
Was macht für dich ein gutes Buch aus?
Es muss mich vom ersten Satz an mitnehmen. Und vom zweiten. Und dritten.
Worauf achtest du bei deiner Auswahl besonders?
Ich achte schon aufs Cover und den Titel. Das empfinde ich als sehr wichtig. Dann muss der Klappentext mich interessieren. In der Regel brauche ich dann auch keinen Blick ins Buch mehr, sondern fange einfach mit dem Lesen an.
Dann hast du ja viel zu Lesen gehabt. Umso beeindruckender ist deine Midlist.
Hier gibt es mehr über Ralf Kor
Und dann ist da noch das Interview, das wir letztes Jahr mit Ralf Kor über knackige Texte, King of Queens und den Segen der Sturheit geführt haben (weiterlesen)
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Skoutz-Lesetipp:
Cannibal Love – bitterböser Funcore aus der Feder von Ralf Kor in 2 Teilen
Volker hat ein Problem mit seinem besten Kumpel. Dieser findet Geschmack an Menschenfleisch.
Volker hat ein Problem mit seinem Boss. Der ist ein Choleriker mit einer Kettensäge.
Volker hat ein Riesenproblem mit dem Pérez-Kartell und muss nach Mexiko. Dort lernt er eine Frau kennen, und mit ihr fangen seine Probleme erst richtig an.
Und darum gibt es auch noch einen zweiten Teil:
Volker hat ein Problem. Schon wieder.
Er steht kurz vor einem Burn-out. Nachts besorgt er Fleisch für das Restaurant, tagsüber grillt er es.
Volker hat ein Problem mit Benny und Cariba. Beide sind tot und nerven ihn total. Volker hat ein Problem mit seinen Träumen, die ihn immer wieder in seine Kindheit führen. Dann steht der Drogenbaron Jesús vor seiner Tür und damit fangen seine Probleme erst richtig an.
Skoutz meint: Ralf Kors Humor ist so schwarz, dass er rapt. Viele Zitate und Klischees werden genüsslich eingearbeitet und zu etwas ganz eigenem verarbeitet. Man merkt beim Lesen, welche Freude es dem Autor macht, immer noch einen draufzusetzen und auch dort, wo er den Leser nicht unvorbereitet erwischt, ist es lustig. Man denkt, das kann er nicht bringen. Neeee, Alter, das geht nicht. Und dann … Zack! Geht’s wohl. Abgedreht, clever und sehr, sehr unterhaltsam. Ralf Kor hat ein Händchen dafür, das Skurrile bis auf die Spitze zu treiben, umzudrehen und alles in Frage zu stellen. Ein Buch wie ein Tarrantino-Drehbuch. Aber hemmungsloser. Ich mag Volker. Was sagt das jetzt über mich? Ich klär das mit meinem Psychiater, bis dahin empfehle ich euch das Buch (kn)
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