Zu Besuch bei Paula Grimm

zu Besuch bei Paula Grimm

Heute ist der Skoutz-Kauz mit Gundel Limberg unterwegs zu einer besonders spannenden Autorin, der es mit ihrem Debüt gelingt, bei ihren Lesern das Kopfkino zum Laufen zu bringen, obwohl sie selbst blind ist.

Entsprechend neugierig sind wir, was uns bei unserem Besuch bei Paula Grimm alles erwartet.

Zu Besuch bei Paula Grimm, die mit Worten Bilder malt

Liebe Paula, ich freue mich, hier zusammen mit unseren Leserinnen und Lesern mehr über dich und deine Bücher zu erfahren.

Bisher hatte ich noch keine blinde Autorin kennengelernt. Aber ich wurde selbst gefragt, was ich denn tun würde, wenn ich blind werden würde. Da habe ich spontan gesagt: diktieren. Aber ist das die Lösung?

Wie funktioniert für dich das Schreiben von Büchern?

Für blinde Schüler gehörte in meiner Schulzeit Schreibmaschinenunterricht zu den Fächern in der Unter- und Mittelstufe so wie Sekretärinnen in ihrer Ausbildung auch lernen müssen, blind zu schreiben. Tastaturen von Notebooks und PCs sind ja im Grunde Schreibmaschinentastaturen, die um spezielle Tasten ergänzt wurden. Ich persönlich schreibe manuell kenne aber auch blinde und sehbehinderte Autoren, die am Computer oder Personen diktieren.

Bis hierher unterscheidet sich das auch gar nicht so von der Arbeit, wie sie wir in der Skoutz-Redaktion auch ausführen.

Ja, ich denke auch, dass es nach wie vor auch Autoren ohne Sehbeeinträchtigungen gibt, die einen Schreibservice zum Tippen ihrer Werke beauftragen. Wie man Texte erstellt, hängt wohl auch von der Mentalität und Arbeitsweise ab.

Gutes Stichwort! Wie ist das bei dir?

Ich erlebe es so, dass bei mir Gedankenstrom und Schreibfluss harmonieren. Was mir dabei sehr hilft, ist, dass ich die Sprachausgabe, die mir vorliest, zeitweilig abschalten kann. Dann kann ich erst einmal in Ruhe meinem Gedankenstrom folgen und schreiben. Das Tippen auf der Tastatur stört mich nicht dabei, meinen Gedanken zu lauschen und ist das passende und unaufdringliche Hintergrundgeräusch.

Das ist die technische Seite, aber da gibt es noch etwas: Ich habe „Felicitas“ gelesen und mich gefragt, wie kann sie das alles so anschaulich beschreiben? Du bist von jeher blind, hast also keine visuellen Erinnerungen. Wie gelingt dir das?

So ganz stimmt das nicht. Ich gelte zwar seit Geburt als vollblind, hatte aber etwa bis zur Mitte meines vierten Lebensjahres einen ganz geringen Sehrest. Hell und dunkel sowie bei optimalen Lichtverhältnissen einen Farbpunkt, den ich auf dem rechten Auge noch sehen konnte.

Wie dürfen wir uns das vorstellen?

In Erinnerung geblieben sind mir die Farben blau und rot. Blau ist mir so gegenwärtig, dass ich behaupten kann, zum Schreiben mache ich immer blau. Was das genau bedeutet, habe ich in einem Text in einem meiner Blogbeiträge beschrieben (weiterlesen – Externer Link*).

Wie dürfen wir uns das – unabhängig von deinem Blog vorstellen? Wie ist deine Verbindung zu blau? Die Annahme, dass dein Umgang mit Farbe auch nur annähernd dem unseren entspricht, wäre ja etwas – verzeih das Wortspiel – blauäugig.

Wie inspirierend blau für mich ist, ist mir erst beim Schreiben des Romans Felicitas bewusst geworden. Allerdings muss ich sagen, dass blau für Felicitas von ganz anderer Art von Bedeutung ist als für mich.

Tatsächlich? Da du Felicitas und all ihre Gefühle ja ersonnen hast, ist das ein faszinierender Gedanke.

Wenn man z. B. bedenkt, dass sie die blaue Taube auf ihrem Handrücken ständig bei sich haben muss und sieht, ist das etwas vollkommen Anderes als mein Leben mit der Erinnerung an diese Farbe. Da muss ich mich mit Felicitas verständigen und muss, wenn ich bezogen auf die Farbe etwas schreibe, gründlich nachspüren ob es zu ihr passt.

Man merkt auch in deinem Buch, wie wichtig dir die Charakterentwicklung ist. Du erschaffst Hauptfiguren, die es nicht leicht, haben, die Stärke entwickeln – kannst du uns in diesem Zusammenhang etwas über die ersten sieben Leben des Pumas sagen?

Da ich ein naturverbundener Mensch bin und mich die Idee, dass Menschen von einem Krafttier begleitet werden, schon über 35 Jahre lang fasziniert,. Weil Felicitas, aber auch meine andere Protagonistin, die den Spitznamen Orca trägt, für ihren Lebensweg Kraft in Gestalt eines guten Lebensbegleiters brauchen, habe ich in beiden Büchern Krafttiere eingeführt. Bei Orca, die eigentlich Amanda heißt, ist es übrigens nicht der Wal, sondern der Wolf.

Gut, dass du das erwähnst, da hatte ich jetzt tatsächlich einen Orca vor Augen. Wie kommst du zur Auswahl dieser Krafttiere?

Tatsächlich habe ich, indem ich Felicitas ein Pumaweibchen zur Seite gestellt habe, die indianische Mythologie mit einer alten Vorstellung, die es in Europa gab, vermischt. Denn es heißt Katzen haben sieben oder neun Leben. Ich bin für neun.

Das drückst du ja auch im Titel aus. Sonst ergäben die ersten sieben Leben ja keinen Sinn.

Genau. So haben Salvadora und Felicitas noch zwei Leben übrig. 🙂

Diese Mischung von europäischer und südamerikanischer Vorstellungswelt passt meiner Meinung nach aber sehr gut. Schließlich lebt Felicitas in Europa hat aber durch die Linie ihrer Vorfahren der mütterlichen Seite indianische Wurzeln.

Die Idee zu Felicitas kam mir übrigens beim Musikhören, und zwar als ich die CD Mercedes Sosa live in Europa hörte.

So ist das mit der Inspiration. Sie kommt unverhofft, und meist von hinten. Gibt es auch Schriftsteller, die dich geprägt haben? Und liest du sie in Blindenschrift, also Braille, oder magst du Hörbücher?

Seit ich lesen kann bin ich eine Leseratte. In meiner Kindheit und Jugend habe ich alles gelesen, was mir unter die Finger kam. Aufgewachsen bin ich mit den Büchern von Otfried Preußler, Ursula Wölfel etc. Und ich lese noch immer, leihe mir Bücher aus der DZB lesen in Leipzig oder lese Ebooks mit meinem Brailledisplay, das via Bluetooth an mein Handy angeschlossen werden kann und so auf Apps mit Ebooks zugreifen kann.

Da ist die moderne Technik wirklich von Vorteil. Wenn ich mir überlege, was für unhandliche Schmöker gedruckte Braille-Bücher sind.

Damit setze ich mich immer noch Leseeinflüssen aus, obwohl für mich nicht immer nachvollziehbar ist, welchen Einfluss ein Buch genau auf meine Schreibarbeit und mich hat.

Der Skoutz glaubt ja, dass jedes Buch immer einen Einfluss hat. Darum gefällt ihm auch das Sprichwort so gut, wonach niemals zwei Menschen dasselbe Buch lesen. Nicht einmal dann, wenn es dieselben Menschen sind. Aber natürlich gibt es Favoriten. Welche sind die deinen?

Wenn man mich fragt, welche Bücher mir immer wieder ins Gedächtnis kommen und damit oft einflussreich für mich sind, nenne ich Krabat von Otfried Preußler, Moby Dick, Gioconda Belli, Otavio Paz und Gabriel Garcìa Marquez.

Und sonst?

Ich höre aber auch sehr gerne Hörbücher. Joseph und seine Brüder von Thomas Mann in der Lesung von Gerd Westphal oder die ungekürzte Lesung von Green Mile, die es nur noch gebraucht gibt, haben mich tief beeindruckt.

Gibt es etwas, was du unseren Lesern noch über dich verraten möchtest?

Wer mehr über meine Schreibarbeit und mich erfahren möchte, findet Aktuelles z. B. auch über meine Lesungskonzepte in meinen Blogs vor allem in  Paula Grimms Schreibwerkstatt* oder auf Geskensblog*.

Da gibt es z. B. etwas über „die blaue Stunde“, die Lesung in der es um die Farbe blau geht, und zwar sowohl für Felicitas als auch für mich. Aktuell ist der Beitrag: „Als Autorin aus E- und U-Literatur EU-Literatur machen“*. Vielleicht interessieren sich eure Leser ja für den Artikel. Ich würde mich freuen.

Vielen Dank, liebe Paula !

Mehr über Paula Grimm:

Wir haben, wie im Interview bereits angeklungen ist, auch Paula Grimms Debüt „Felicitas“ gelesen und vorgestellt (weiterlesen).

 

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