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Zu Besuch bei Marie Reiners

Zusammen mit dem Skoutz-Kauz besuche ich heute, Marie Reiners, die zwar schon mit hunderten von Geschichten ein Millionenpublikum begeistern konnte, aber bei uns trotzdem als Debütantin geführt wird. Der Grund ist einfach: Ihre bisherigen Erfolge feierte sie als Drehbuchautorin, u.a. für „Mord mit Aussicht“, und wagt sich nun zum ersten Mal an einen Roman.

„Frauen, die Bärbel heißen“ gelang direkt der Sprung auf die Midlist Humor. Ich bin schon sehr gespannt auf dieses Treffen, denn als großer Fan dieser Serie freue ich mich auf ein Interview mit Aussicht …

 

Zu Besuch bei Marie Reiners, die Millionen zum Lachen bringt …

Liebe Marie, dann legen wir mal los …

©Gaby Gerster

Wie würdest du dich in einem Wort beschreiben?

Lebendig?

 

 

Beruf oder Berufung – was macht dir an deinem Job als Autor am meisten Spaß?

Der Beruf der Autorin ist für mich der schönste Beruf der Welt. Figuren zu erschaffen und sie dann so leben zu lassen, wie ich möchte, betrachte ich als große kreative Erfüllung. Als Romanautorin ist das allerdings wesentlich einfacher zu realisieren als in meinem eigentlichen Beruf der Drehbuchautorin.

Das klingt ja sehr spannend. Wo liegt denn der Unterschied?

Der größte Unterschied ist sicher, dass ich als Romanautorin alleine über die Inhalte entscheiden darf, während Film immer ein Teamprodukt ist, das von den anderen Gewerken wie z.B. Regie, Kamera, Schnitt, Ausstattung und natürlich Schauspiel maßgeblich mitgeprägt wird.

Ja, das klingt logisch. An diese riesigen Teams, die hinter einer Produktion stehen, denkt man ja als Zuschauer vor dem Bildschirm meist nicht.

 

Wann hast du dein erstes Buch veröffentlicht und wie lange hast du daran geschrieben?

Mein erstes Drehbuch hab ich 1990 geschrieben, meinen ersten Roman erst 2017.

Wie lang hast du an deinem Debütroman geschrieben?

Da ich ihn parallel zu anderen Projekten verfasst habe, hab ich über zwei Jahre daran gearbeitet.

 

Wie läuft ein typischer Tag als Autor bei dir ab?

Schwer zu sagen. In Bezug auf einen Roman gibt es eigentlich keinen typischen Arbeitstag für mich.

Kannst du mir das ein wenig näher ausführen?

Wenn ich inspiriert bin, kann ich schon mal 17 Stunden am Stück vorm Rechner sitzen, es kommt aber auch vor, dass ich wochenlang nichts Substantielles schreibe, weil mir nichts einfällt oder ich an Drehbüchern arbeite.

Das ist bei vielen Autoren, die einen anderen Hauptberuf haben so. Wobei die 17 Stunden mich nachhaltig beeindrucken.

 

Das Jahr 2020 stellt uns alle vor neue Herausforderungen. Wie sehr beeinflusst Corona deinen Schreiballtag?

Autoren haben ja eh den Vorteil, dass sie alleine arbeiten und Home Office der Regelzustand ist. Daran hat Corona also nichts verändert, allerdings greift das Virus bzw. seine Folgen derart massiv in unser aller Alltag ein, dass die  Grundstimmung eine andere ist,  was sich natürlich auch aufs Schreiben auswirkt.

Wie darf ich das verstehen?

Ich schreibe zur Zeit manchmal auch innerlich mit Maske 🙂

Das ist ein starkes Bild. Darüber würde ich mich gern noch etwas länger mit dir unterhalten. Aber das holen wir nach.

 

Kreativ oder doch eher regeltreu? Wie flexibel bist du beim Schreiben?

Wie das Gummiband an besagter Maske.

Das holen wir definitiv nach!

 

Welches war dein erstes selbstgelesenes Buch? Und hast du es heute noch?

Na ja, ich hab sehr früh lesen gelernt, also mit vier Jahren und weiß es daher nicht mehr so genau.

Wenn nicht vielleicht direkt das erste, aber ein besonderes?

Das erste selbstgelesene Kinderbuch, an das ich mich noch erinnere, ist Peter Pan und es hat mich gelehrt, dass ich niemals wie Wendy werden möchte.

Wobei der Original-Pan doch nicht wirklich ein Kinderbuch ist. Aber Wendy mochte ich auch nicht.

Mit sechs hab ich aber dann schon den Bücherschrank meiner Eltern kreuz und quer geplündert.

Und nein, ich besitze all diese Bücher nicht mehr.

 

Stell dir vor, du könntest eine beliebige Figur aus einem Buch zum Essen treffen. Was würde passieren?

Da würde mir für jeden Tag meines restlichen Lebens eine Figur einfallen. Und zwar zum Frühstück, zum Mittag- und Abendessen und die Themen wären unendlich.

Erfreulich, wenn eine Frage so inspirierend ist. Ich sehe, das ist eine Menge, bei der man sich wirklich unmöglich festlegen kann 🙂

Stimmt. Als ich z.B. meine Magisterarbeit über Frauenfiguren bei Kleist schrieb, hab ich tatsächlich irgendwann das Gefühl gehabt, mit ihm, der Marquise von O. und Penthesilea am Küchentisch zu sitzen und zu reden und was soll ich sagen – sie konnten mir sehr bei meiner Arbeit helfen.

Kennst du „Guten Abend, Herr Fernau?“ Da geht es Herrn Fernau genauso und er schreibt sehr witzig über seine Begegnungen allerdings mit historischen Figuren. Mit wem würdest du heute plaudern wollen?

Heute würde ich als erstes sämtliche Figuren von Patricia Highsmith daten, zur Vorspeise Ediths noch unveröffentlichten Tagebucheintragungen lauschen,  beim Hauptgang Mr. Ripley über seine Lieblingsmorde befragen und mich beim Dessert von Elsie becircen lassen, ach ja, und sie briefen, nicht ganz so sorglos zu sein. Und so weiter …

 

Auf welche Frage hattest du in letzter Zeit keine Antwort und hast du sie finden können?

Warum verhalten sich in Zeiten von Corona so viele Menschen, von denen ich eigentlich dachte, sie seien klug,  wie Idioten?

Hast du eine Antwort darauf gefunden?

Weil die Pandemie ganz offenbar unterschiedliche und starke Ängste auslöst, die absurde und  für mich oft nicht nachvollziehbare  Bewältigungsmechanismen zur Folge haben. Wie z.B. auf Verschwörungstheoretiker und Rechtspopulisten reinzufallen.

Man kann sehr gut in diesen Tagen beobachten, wie Menschen mit Ängsten umgehen. Die These, dass sie aus jedem Menschen das individuell Schlechteste herausholt, scheint sich gut belegen zu lassen. Der Feige wird feiger, der Böse böser, der Dumme dümmer …

 

Wie oft schaust du täglich auf dein Handy?

Geht so.

Das ist relativ … 😉

Wenn ich weiß, wo es ist, ständig. Aber ich verlege es auch häufig und vergesse es dann für Stunden.

Klingt nach einem inneren Handy-Wächter! Das ist praktisch.

 

Was darf in deinem Kühlschrank niemals fehlen?

Tonic für Gin B 🙂

 

 

Für welche drei Dinge in deinem Leben bist du am dankbarsten?

Verstand, Kreativität, Empathie.

Eine schöne Wahl.

Danke! Ich bilde mir jedenfalls ein, diese Gaben von Familie und Freunden mit auf den Weg bekommen zu haben und nutze sie mal mehr, mal weniger erfolgreich.

Solange du sie nutzt!

Lass uns ein bisschen Zeitreisen …

 

Bei welchem historischen Ereignis wärst du gern dabei gewesen und warum?

Auch da gäbe es einige, aber bei reiflicher Überlegung wäre ich sehr gerne mal Augenzeugin bei einem von Jesus Wundern gewesen.

Warum ausgerechnet bei diesem Ereignis?

Um wenigstens ansatzweise zu verstehen, wie ein Glaube entstehen konnte, der bis heute die Welt derart maßgeblich beeinflusst. Vermutlich sollte ich ergänzen, dass ich selbst irgendwas zwischen Agnostikerin und Atheistin bin.

Meinst du, dass das wirklich Jesus Wunder ausgelöst haben? Nicht eher die Berichterstattung durch die Apostel oder später die von Paulus? Eigentlich könnte der christliche Glaube tatsächlich ein literarisches Phänomen sein …

 

Über welches Thema könntest du eine 30-minütige Präsentation halten, ohne jede Vorbereitung?

Über wenige, wenn´s um Sachverstand geht, über ´ne Menge, wenn man mich einfach schwätzen und improvisieren lässt.

Nur zu, wir sind tolerant, solange es unterhaltsam ist.

Heißt, jederzeit und einigermaßen fundiert z.B. übers Drehbuchschreiben, Hunde und zwischenmenschliche Beziehungen, bei Quantenphysik und Makramee und sehr vielen anderen Themen käme ich allerdings nicht weiter als bis zur Begrüßung.

 

 

Was würdest du rückwirkend ändern, wenn du die Möglichkeit dazu hättest?

Ich wäre als junger Mensch gerne viel öfter gereist und hätte sehr gerne ein paar Monate im Ausland gelebt.

Wohin hätte es dich gezogen?

Vorzugsweise nach Frankreich und England. Stattdessen fand mein Leben bis 18 in Mönchengladbach-Rheydt statt, was nur sehr bedingt für Kultur, Party Life  und überwältigende Natur bekannt ist.

Dann nach vorn und anders gefragt …

 

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Dass mir Verstand, Kreativität und Empathie erhalten und gewogen bleiben. Und natürlich Gesundheit.

Das sind gute Wünsche, denen ich mich gerne anschließe!

Vielen Dank, liebe Marie Reiners, dass du dir die Zeit genommen hast, mich zu treffen und mir all meine Fragen zu beantworten. Es war mir wirklich ein Vergnügen und ich hoffe, wir haben vielleicht mal wieder das Vergnügen. Deinem Roman wünsche ich für den weiteren Wettbewerb viel Erfolg.

 

Mehr über Marie Reiners und ihre Arbeit findet ihr hier:

 

Da Marie aktuell noch an ihrem 2. Roman arbeitet, müssen wir uns mit dem Lesetipp noch etwas gedulden. 🙂

 

Hinweis:

Die rabenschwarze Kriminalkomödie “Frauen, die Bärbel heißen” von Marie Reiners wurde im Februar 2019 bei Fischer veröffentlicht. Auf 400 Seiten erzählt Marie Reiners mit viel Spaß am Absurden die Geschichte einer Außenseiterin, die mitten in einen Mordfall gerät und doch eigentlich nur ihre Ruhe haben will …

Mit diesem bissigen Romandebüt konnte Marie Reiners unsere Jurorin Halo Summer so sehr zum Lachen bringen, dass diese “Frauen, die Bärbel heißen” aus knapp 250 Titeln der Humor-Longlist  auf die Midlist gewählt hat. Damit ist Bärbel  eine der Anwärterinnen auf den Skoutz-Award 2020 in der Kategorie Humor.

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