Zu Besuch bei Julia Hoch
Das Buch „Lebenswende – Die Schwestern Brüggemann bleiben am Ball“ der Autorin Julia Hoch wurde von den Vorjahressiegern Sylvia Witt und Oliver Uschmann und unseren diesjährigen Spaßmachern in der Jury in die Midlist Humor 2022 gewählt.
Das ist ein willkommener Anlass, Julia einen Besuch abzustatten. Insbesondere, weil wir diese Autorin bisher noch gar nicht kannten. Und um das zu ändern, haben sich der Skoutz-Kauz und Ela auf den Weg zu ihr gemacht.
Zu Besuch bei Julia Hoch, die ihren Figuren auf der Schulter sitzt
Hallo liebe Julia, der Skoutz-Kauz und ich freuen uns sehr, dass wir dich besuchen dürfen und die ein paar Fragen stellen dürfen.
Dann lass uns doch einfach gleich damit anfangen, bevor der kleine Kauz es sich hier zu gemütlich macht.
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Wenn du ein Tier wärst, wärst du ein …?
Darüber musste ich jetzt länger nachdenken.
Nur zu! Wir haben Zeit.
Ich glaube, ich wäre gerne ein Fuchs. Er ist sehr anpassungsfähig, flink, geschickt und schleicht sich auch in urbane Räume.
Oh ja, der Fuchs ist wirklich ein wundervolles Tier. Und perfekt für Buchmenschen. Meister Reineke gilt als schlau, fantasievoll und Leseanfänger werden ja gern auch mal Lesefüchse genannt. 🙂
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Womit kann man dich im Alltag glücklich machen?
Zeit für einen langen Spaziergang durch den Wald und an Feldern vorbei. Am liebsten zusammen mit meinem Mann.
Das liebe ich auch, man kann so schön entspannen dabei und seinen Gedanken freien Lauf lassen.
Und von den kleinen zu den großen Wünschen …
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Wir alle haben Wünsche, für uns, für die Welt. Was sind deine und was tust du, damit deine Wünsche in Erfüllung gehen?
Mein recht weitgefasster Wunsch wäre, dass Menschen respektvoller miteinander umgehen.
Ein sehr frommer und kluger Wunsch, würde ich sagen. Kann dich aber gut verstehen, tatsächlich würde damit so manches aktuelle Problem wie von Zauberhand gelöst werden. Und was tust du dafür, dass das wahr wird?
Ich versuche, das täglich umzusetzen und anderen Menschen mit Respekt, Akzeptanz und Toleranz gegenüberzutreten. Fehler mache ich da natürlich auch ständig, aber ich bemühe mich.
Es ist schon wichtig und gut, dass man überhaupt bei sich schon mal damit anfängt.
Ein etwas mehr auf mich selbst bezogener Wunsch ist, dass mein zweites Romanprojekt (noch unveröffentlicht) gut bei der Leserschaft ankommt.
Das wird es bestimmt, also raus mit der neuen Geschichte von dir, wir Leser brauchen doch neues Futter. Sag uns einfach Bescheid, wenn es soweit ist. Wir unterstützen unsere skoutzigen Autoren und ihre Bücher sehr, sehr gerne.
Ja, und wo wir gerade beim Buch sind, lass uns doch das Thema etwas genauer beleuchten:
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Welches Buch hat dich am meisten geprägt?
Ich glaube, dass Kafka* („Der Verschollene*“) bei mir einiges bewirkt hat.
Uh, eher schwere Kost würde ich sagen. Wobei die Geschichte, tatsächlich eine seiner unbekannteren ist. Und sonst?
Im Grunde prägen mich aber alle Bücher, die ich lese. Von jedem nehme ich etwas mit. Manchmal inhaltlich, manchmal sprach-stilistisch.
So soll es doch auch sein, wenn wir Bücher lesen. Ich sammle ja Buchsprüche und bei einem heißt es, dass nie zwei Menschen dasselbe Buch lesen werden. Weil eben das Lesen schon den Menschen verändert. Ein Gedanke, den ich so faszinierend finde.
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Bleiben wir noch kurz beim Buchregal. Welcher Klassiker liegt allen Vorsätzen zum Trotz immer noch auf deinem SuB?
Ulysses* will ich unbedingt lesen, räume aber ständig anderen Büchern meine Lesezeit ein.
Das Werk von James Joyce wurde mir jetzt schon mehrfach empfohlen, ich glaube ich werde es mir wohl auch mal holen. Also spätestens, wenn es mir jetzt noch einmal über den Weg läuft. Das ist dann Schicksal!
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Und welches Buch hätte deiner Meinung nach deutlich mehr Leser verdient und warum?
Bei der Frage kann ich mich gar nicht auf ein Buch beschränken.
Na, das ist keine Schande. Aber erklär mir, warum.
Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Büchern aus unabhängigen und Kleinverlagen viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Diese Verlage trauen sich was und bilden kulturelle Vielfalt ab. Ist sehr schade, dass große Buchhandelsfilialen diesen kleinen Verlagen nur wenig Raum bieten.
Stimmt und damit sprichst du Skoutz aus dem Herzen! Wir haben uns ja der Aufgabe verschrieben, dass wir jeder Geschichte – egal, über wen sie uns erreicht – eine Chance geben wollen. Weil jede Geschichte, aus ganz verschiedenen Gründen, verdient hat, beachtet zu werden.
Und das ist ein wunderbares Stichwort, um uns jetzt mal über deine Werken zu unterhalten, und vor allem, wie du beim Schreiben so vorgehst.
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Themen finden ist oft einfacher als aus den vielen Ideen, die richtige Auswahl zu treffen. Wie entscheidest du, welches Projekt du als Nächstes verwirklichst?
Vor dieser Entscheidung stand ich vor ungefähr einem Jahr.
Und? Wie hast du es gemacht?
Mir kam neben meinem begonnenen Romanprojekt eine weitere Idee, die sich mehr und mehr aufdrängte und auffächerte. Jedoch gewann eine Hauptfigur die Überhand und wollte ihre Geschichte erzählen, sodass ich das vorherige Romanprojekt nun intensiv bearbeite. Es ist aber schön zu wissen, dass ich bereits den nächsten Roman schreiben könnte.
Das hört sich klasse an, so müssen wir dann auch nicht all zu lange auf eine neue Geschichte von dir warten.
Wenn dann die Entscheidung, was du schreibst, gefallen ist und du loslegen kannst, wie geht es dann weiter?
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Wo stehst du beim Schreiben einer Szene? Bist du eher der aufmerksame Beobachter und Dirigent oder mittendrin in allen Höhen und Tiefen mit Blut, Schweiß und Tränen?
Um authentisch schreiben und beschreiben zu können, muss ich jede Perspektive einmal eingenommen haben. Ich umrunde meine Figur und tauche in sie hinein. Meist sitze ich mit auf der Schulter und schaue hin und wieder in ihren Kopf.
Das Bild hab ich jetzt unauslöschbar im Kopf! *lach*
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Welche Szenen fallen dir beim Schreiben am schwersten und wie meisterst du sie trotzdem?
Das kann ich gar nicht so genau eingrenzen. Es gibt keine bestimmte Art von Szenen, bei denen ich hängen bleibe.
Gar nie nicht?
Manchmal weiß meine Figur vielleicht noch nicht so recht, welche Entscheidung sie treffen, welchen Weg sie gehen wird oder wer ihr ggf. einen Stein auf Letzteren wirft. Dann stocke ich und muss mich einem anderen Text zuwenden – einem eigenen oder einem fremden.
Das höre ich öfter, dass man in so einer Situation am besten aus der Szene raus muss, sich neu fokussieren und dann frisch wieder rein. Ich hoffe, dass es bei dir dann auch besser geht.
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Was ist dir beim Schreiben deiner Geschichten am wichtigsten, worauf achtest du besonders?
Mir ist der Brückenschlag zwischen E- und U-Literatur sehr wichtig. Auch wenn man sich von diesem Schubladendenken am besten gänzlich verabschieden sollte.
Du meinst diese sehr deutsche Unterscheidung zwischen ernsthafter (künstlerisch wertvoller) und unterhaltender Literatur? Ja, die finden wir bei Skoutz auch schrecklich. Als könne Kunst keinen Spaß machen – oder umgekehrt, sei es keine Kunst, Menschen zu unterhalten. Im angelsächsischen Raum gibt es diese Unterteilung nicht einmal, da gibt es nur fiction und non-fiction. Wo siehst du da die verbindenden Elemente in deinem Werk?
Unterm Strich möchte ich mit klarer, aber trotzdem rhythmischer Sprache einen spannenden Inhalt transportieren und gleichzeitig auf beiden Ebenen Lücken für unterschiedliche Lesarten lassen. Außerdem ist mir die Sichtbarmachung der „kleinen Frau“ sehr wichtig.
Mit den Lesarten ist wieder der Raum für die Bücher eröffnet, die nie zweimal vom Selben gelesen werden. Deinen Personenfokus finde ich sehr schön, weil mir in den Büchern viel zu oft und viel zu konstruiert über die besonderen Menschen, die Auserwählten, die Helden geschrieben wird. Dabei sind so viele wundervolle Menschen gar nicht besonders in ihren Taten, sondern viel mehr im Sein. Das mochte ich auch bei LebensWende sehr. Diese feinen Details …
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Es heißt, jeder Künstler muss auch ein bisschen wahnsinnig sein. Was ist dein Schuss „Wahnsinn“?
Mir kommen ständig seltsame Ideen, die auf der Grenze der Wirklichkeit tanzen, obwohl ich ja Gegenwartsliteratur schreibe (und damit nah an der Realität bleiben sollte).
Ah geh! Magischer Realismus ist eine eigene Gattung und zur Not schaffen wir dir eine eigene. Die Hoch-Literatur oder so. Warum ist das so?
Ich träume viel und intensiv. Vielleicht liegt‘s daran?
Ja, wer weiß? Woran sitzt du aktuell?
Beschreibe dein aktuelles Buch in 3 Sätzen
Hilde und Lore Brüggemann (82) erfahren aus der Zeitung vom drohenden Abriss ihrer Kneipe, die sie bis vor zwanzig Jahren geführt hatten. Sie verlassen ihre gemeinsame Wohnung und ihre Starre, versuchen, mithilfe von alten und neuen Bekannten an Informationen zu kommen und das Ärgste zu verhindern. Ein Buch mit skurrilen, zeitweise kafkaesken Szenen – mal laut, mal leise.
Das hört sich nach Selbstironie und -kritik an und direkt aus dem Leben gegriffen. Und nach den „kleinen Frauen“ und nach dem Griff nach Vorbildern. Du erwähntest ja vorhin Kafka, nicht wahr? Ich bin jedenfalls sehr gespannt!
Lass uns doch noch ein wenig zu dir selbst kommen:
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Was würdest du noch gerne lernen und wozu?
Ich würde unglaublich gerne Schlagzeug spielen lernen. Letztes Jahr hatte ich mich sogar bei einer privaten Musikschule dafür angemeldet, musste aber feststellen, dass Familie und Arbeit so viel Zeit einnehmen, dass noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. Vielleicht starte ich in einigen Jahren einen erneuten Anlauf, wenn meine Kinder noch etwas älter sind. Der Wunsch bleibt.
Ah, wie klasse und sobald du es kannst, dann wollen wir es aber auch mal hören. Ein Paukenschlag für die nächste Buchveröffentlichung vielleicht?
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Welcher Moment im Leben hat dich besonders geprägt?
Wahrscheinlich die Geburt meines zweiten Sohnes, die nicht ganz so glatt lief.
Die Geburt seines Kindes prägt wohl jeden von uns und wenn diese dann auch noch problematisch war um so mehr. Ich hoffe, es geht ihm heute aber gut.
Nun sind wir schon fast durch mit unseren Fragen, leider, dennoch wüssten wir da noch etwas von dir. Deshalb lass uns doch mal hören.
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Was sollen deine letzten Worte sein?
Bewege deine Geschichte!
Wow! So schön und passend.
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Und mit welchen Worten soll dieses Interview enden?
Ich freue mich unglaublich darüber, dass mein Roman auf der Midlist gelandet ist und Oliver Uschmann und Sylvia Witt überzeugt hat. Dafür bin ich sehr dankbar!
Und an euch natürlich auch ein großes Danke für das Einrichten eines solchen Preises!
Auch wir sagen Dankeschön. Dankeschön für dein Buch, Dankeschön für deine Zeit und Dankeschön dafür, dass du uns Rede und Antwort gestanden bist. Und vergiss nicht, uns zu sagen, wenn die Brüggemanns wieder loslegen! Da wollen wir dabei sein!
Mehr zur Autorin Julia Hoch
Wer mag, kann sich auch gerne auf der Literaturplattform* (ebenfalls auf Instagram*) umschauen, die sie mit ihrer Kollegin und Freundin Sabine Gelsing vorletztes Jahr ins Leben gerufen haben.
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Skoutziger Buchtipp
Von Ansichten und Aussichten – Geschichten zum Nachdenken und Mitdenken von Julia Hoch und Sabine Gelsing
Ganz nebenher stellt es uns ein Bein: das Leben.
In diesem Moment sorgt es dafür, dass wir kämpfen, uns neu erfinden. Und im Bewusstsein, dass es ein Ende hat, geben wir unser Bestes.
19 Geschichten erzählen mal leise, mal laut von der Schönheit der Natur, von Fehlschlägen und Erfolgen, vom Jungsein und Altwerden, von Einsamkeit und Verbundenheit – auch über den Tod hinaus.
Gelsing & Hoch Literaturverlag 2021.
Skoutz meint: Die Autorinnen sprechen davon, dass uns das Leben ein Bein stellt. Vielleicht, aber die einen stolpern, fangen sich und machen daraus einen Tanz, die anderen straucheln und stehen erfahrener wieder auf. Und was lernen wir beim Lesen daraus? Das Leben ist bunt. Selbst, wenn es grau ist. Das beweisen die Geschichten aus unser aller Alltag. Unschuldig weiß und schwarzhumorig. Mit vielen Grautönen und schrillen Farben an unerwarteten Ecken. Es bleibt also spannend. So spannend, wie die herrlichen Bilder, die dieses Buch zu einem ganz besonderen machen. (jf)
[Werbung] Mehr Informationen wie Leseproben etc. gibt es über unseren Affiliate-Link bei Amazon* und Gelsing-Hoch*, wo ihr das Buch auch direkt beziehen könnt.
Hinweis:
In diesem Jahr haben sich Sylvia Witt und Oliver Uschmann durch die Longlist Humor ohne Rücksicht auf Zwerchfell und Lachmuskelkater gearbeitet und haben die vielfältigen Buchtitel betrachtet, gelesen und eine richtig breite Mischung aus diesem Genre für die Midlist bestimmt, von feinsinnigem Schmunzeln bis lautem Schenkelklopfen ist hier wirklich reichlich Grund, zu lachen, vertreten und das können wir in diesen Tagen sicher alle gut brauchen.
Eines dieser Bücher ist LebensWende Die Schwestern Brüggemann bleiben am Ball von Julia Hoch. Das Buch wurde im August 2021 im Ulrike Helmer Verlag veröffentlicht. Die Geschichte erzählt von den Zwillingsschwestern Lore und Hilde Brüggemann, die wegen dem Bau eines Einkaufszentrums allerlei auf die Beine stellen, um das zu verhindern. Es ist lustig, humorvoll und lebensweise. Und es hat sich schon mal erfolgreich gegen knapp 200 Mitbewerber durchgesetzt.
Wer das Buch schon kennt, kann (und soll!) es bei uns natürlich auch bewerten, damit unsere Buchsuche weiter wächst.
Mit der Skoutz-Buchfieberkurve bewertet ihr mit fünf einfachen Klicks ein Buch anhand von fünf Kriterien statt fünf Sternen. So seht ihr auf einen Blick, wie das Buch wirklich ist. So schön kann Bücher suchen sein.
Natürlich gibt es dort auch noch andere Bücher, Rezensionen und vieles mehr.