zu Besuch bei: Christopher Ecker
Von allen Genres ist Contemporary jenes, dessen Autoren am Schwersten zu einem Interview zu bewegen sind. Ich weiß nicht, woran das liegt, obwohl ich zusammen mit Martina viel darüber nachdenke. Umso mehr hat es mich jedenfalls gefreut, dass mit Christopher Ecker ein Exemplar dieser scheuen Spezies zugesagt hat, mich zu empfangen und so möchte ich euch nicht länger vorenthalten, was ein Autor, den immerhin schon Chef-Literaturkritiker wie Dennis Schenk in den höchsten Tönen gelobt haben.
Zu Besuch bei Christopher Ecker, einem wahren Meister der verknappten Rede
Was ist dein »Sprit« beim Schreiben, woher nimmst du deine Ideen?
Wenn ich das bloß wüsste!
Ja, das wäre schön, denn dann würde das Interview schneller zum Gespräch werden. Ich entnehme dem, dass die Inspiraton sich in deinem Fall eher unbemerkt anschleicht und dann hinterrücks überfällt.
Was würdest du tun, wenn du nicht mehr schreiben könntest?
Ich kann es nur wiederholen: Wenn ich das bloß wüsste!
So kommen wir nicht weiter. Aber es bringt mich zu meiner nächsten Frage, die insofern – wenngleich zum Nachteil deiner Leser, gleich die Lösung für diese Ratlosigkeit bieten könnte.
Zu welchen Anlässen hast du schon überlegt, mit dem Schreiben aufzuhören?
Oft.
Und was hat dich dann davon abgehalten? Die Angst vor dem Unbekannten, der Ratlosigkeit, die beim Einlenken in ein neues Gleis womöglich eintreten könnte …
Was war dein emotionalstes Erlebnis beim Schreiben?
Seite 873 im „Fahlmann“.
Was ist da?
Das Ende des 9. Kapitels des Schlussbandes.
Hm. Ich bin sehr versucht, nachzuschlagen. Denn auch wenn ich das Buch gelesen habe, ganz sicher bin ich nicht, auf welche Begebenheit auf exakt Seite 873 du anspielst. Meinen Verdacht behalte ich allerdings auch für mich, denn wir wollen hier ja nicht spoilern.
Wie viel Autobiografie steckt in deinen Geschichten?
Die Milieus und die Landschaften sind meist die, in denen ich lebe.
Also eine Art szenische Autobiografie. Das klingt spannend. Letztens habe ich mich erst mit Mirjam Müntefering über emotional autobiografische Geschichten unterhalten und Michael Dissieux gibt (wie viele andere Autoren) gerne Details aus seinem Leben seinen Protagonisten mit, schrullig autobiografisch quasi.
Was wäre das größte Kompliment, das man dir als Autor machen kann?
Mir hat Ihr Buch sehr gut gefallen.
Auch das wieder rekordverdächtig kurz und im Prinzip sympathisch bescheiden. Da haben andere Kollegen deutlich mehr Anregungen, in der Beschreibung erlebter Komplimente wie auch in der Erwartungshaltung.
Wer ist für dich dein idealer Leser?
Der detektivische, genaue Leser.
Ich habe von dir bislang wie gesagt nur Fahlmann gelesen und ja, ein gewisses Vergnügen am Miträtseln, Hinterherdenken und Vorausgrübeln erhöht absolut den Lesegenuss. Du baust sehr viele kleine Schmankerl in deinen Geschichten ein.
Bei welchem deiner Protagonisten würdest du den Beziehungsstatus mit dir als »schwierig« bezeichnen?
Vielen meiner Helden möchte ich nicht im Dunkeln begegnen, am wenigsten vielleicht dem Ich-Erzähler von „Madonna“.
Ein bisschen seltsam muss ein Protagonist ja sein, damit er spannend ist. Aber die Vorstellung, wie du vor deiner eigenen Schöpfung zurückweichst, wenn sie unverhofft um die Ecke biegt. Wobei ich dem Klappentext nach zustimme, dass der Psychopath, den du da beschreibst wirklich niemand ist, den man auf einen Plausch nach Hause bitten will.
Und zum Schluss: auf welche Frage in einem Autoreninterview möchtest du einfach nur mit »Ja« antworten?
Sind Sie wirklich sicher, dass Sie Christopher Ecker sind?
Das kann ich nicht sicher sagen, aber du hast dich mir so vorgestellt. In jedem Fall war es ein interessantes Gespräch, für das ich mich herzlich bedanke und das ich gern anlässlich der Verleihung des Skoutz-Awards fortsetzen würde.
Hier könnt ihr Christopher Ecker treffen:
Christopher Ecker auf Facebook
Skoutz-Lesetipp: Fahlmann – zeitgenössischer Roman von Christopher Ecker
Georg Fahlmann steht unter Druck. Das Studium, die Ehe, der zermürbende Job im Bestattungsunternehmen seines Onkels und insbesondere die Frauen: Es wird ihm alles zu viel. V
iel lieber schreibt er an seinem historischen Kriminalroman, der vom Käferforscher Carl Richard Bahlow auf einer paläontologischen Expedition in Deutsch-Ostafrika handelt. Aber je länger Fahlmann an seinem Roman arbeitet, desto brüchiger wird das, was er bis dahin für Realität hielt. Wer erfindet eigentlich Bahlow? Wer erfindet Fahlmann? Und überhaupt: Wer erzählt das ganze Buch? Und wieso scheint sich in einem heruntergekommenen Pariser Hotel, dessen Räume ständig ihre Position verändern, das gesamte Romanpersonal versammelt zu haben?
Unterhaltsam, komisch, anspielungsreich, vielschichtig und hintersinnig – Christopher Eckers ebenso spannender wie kunstvoller Roman über Toplyriker in Tierkostümen, skandalöse Zwischenfälle im Bestattungswesen, käferessende Entomologen, allmächtige Leierkastenmänner, durchsichtig werdende Schönheiten und einen Botaniker, der das Schicksal des Planeten in den Händen zu halten meint, lässt die Welt noch einmal eine große Erzählung sein.
Skoutz meint: Ein Buch von einem Vollblutautor über einen Autor. Und zwar einen, der an seinem Buch scheitert. Das könnte tragisch sein (und das ist es irgendwo auch), aber es ist auch komisch. Für Autoren, die sich gewiss an vielen Stellen selbst erkennen, und auch für Leser, denen die Dynamik des Scheiterns sicherlich aus anderen Situationen vertraut ist. Das Buch, um das es im Buch geht, birgt eine Geschichte, die wir jedenfalls gern auch am Stück gelesen hätten und das Rätselraten, wie nun alles zusammenhängt – das alles verbindet Eckerin wunderbaren Worten zu einem Lesegenuss der ganz besonderen Art.
Hinweis:
Christopher Eckert ist Skoutz-Juror Jannis Plastiargis mit seinem neuesten Roman „Der Bahnhof von Plön“ aufgefallen und wurde von ihm für die Midlist Contemporary des Skoutz-Awards 2016 nominiert.
Wir haben das Buch aus diesem Grunde natürlich sofort genauer untersucht und wie alle anderen Midlist-Titel auch ausführlich besprochen (weiterlesen).