zu Besuch bei Christian Huyeng
Heute bin ich zu Besuch bei einem Autor, mit dem ich schon sehr angeregt nächtelang über Gott und die Welt gechattet habe, und den ich für seinen enormen Schreibfleiß glühend bewundere. Darum freue ich mich auch schon sehr auf dieses Interview mit Christian Huyeng, bei dem wir jetzt mal ganz offiziell plaudern …
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Kay zu Besuch bei Christian Huyeng, der nie genug Fremdsprachen sprechen kann
Lieber Christian, wie schön, dass es so spontan mit dem Interview geklappt hat. Du bist auch gleich der erste, der mit dem Fragebogen für dieses Jahr konfrontiert wird. Darum bin ich auch besonders gespannt, wie unser Interview wird.
Lass uns am besten gleich anfangen:
Wenn du ein Tier wärst, wärst du ein …?
…
Und schon ist er in die Küche verschwunden, um Kaffee zu kochen.
Ich rufe in die Küche:
Womit kann man dich im Alltag glücklich machen?
Gutes Essen, ein netter Krimi, eine DVD von Poirot oder GoT in der x-ten Wiederholung.
Das mit dem guten Essen lässt ja hoffen, dass das Interview noch länger dauert. Ich habe nämlich immer Hunger. Bei deiner Filmauswahl stimme ich dir auch zu, wobei ich tatsächlich Poirot gerne immer wieder anschaue, obwohl ich längst weiß, wer der Mörder ist. Bei Game of Thrones sind tatsächlich so viele Figuren gestorben, dass ich es nicht mehr sehen oder lesen mag. Stört dich das nicht?
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Wir alle haben Wünsche, für uns, für die Welt. Was sind deine und was tust du, damit deine Wünsche in Erfüllung gehen?
Oh, für die Welt? Das ist schwer, wenn man nicht die üblichen Plattitüden absondern will.
Das wäre schön. Aber lass uns über deine Wünsche sprechen. Was wünscht du dir für dich?
Für mich? Ich bin sehr zufrieden mit meinem Leben. Ich habe einen großartigen Partner, eine tolle Familie, die beste Schreibfreundin, die man haben kann und kann meinen Traumberuf ausüben. Was will man da noch mehr?
Kaffee und Schokolade? Aber das freut mich natürlich sehr für dich, gerade in diesen Zeiten, in denen so viele Menschen so furchtbar grummelig sind, gehört ein zufriedener Mensch schon fast unter Artenschutz gestellt.
Aber wenn du schon deinen Traumberuf erwähnst, lass uns mal über Bücher sprechen:
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Welches Buch hat dich am meisten geprägt?
Schwierig, schwierig …
Danke, das ist gut, denn das sind die besten Antworten. Lass dir ruhig Zeit.
Ich liebe Terry Pratchett, was man einem Teil meiner Bücher wahrscheinlich anmerkt.
Tut man. 🙂
Da ein Lieblingsbuch auszuwählen ist schon einigermaßen schwierig.
Ein Buch, das dich prägt, muss einem ja nicht notwendig gefallen. Rein theoretisch könnte es auch ein abschreckendes Beispiel sein. Bei mir wäre es etwa ein juristischer Kommentar, der mich neben dem Studium zum Belletristik-Schreiben gebracht hat, weil ich sicherstellen wollte, dass ich nie anfange, so zu schreiben oder zu formulieren. Gibt es denn neben Pratchett noch andere Autoren?
Ich muss sagen, dass mich auch Agatha Christie stark beeinflusst (hat) und ich sie sehr bewundere.
Völlig zurecht, würde ich sagen. Wie äußert sich diese Bewunderung?
Das hat natürlich auch einen enormen Einfluss auf mein Schreiben, gerade in meiner neuen Reihe, denn das sind klassische britische Krimis, die in den 50er Jahren spielen.
Ja, ich habe schon einen auf der Longlist des Skoutz-Award 2021 entdeckt, den ich auch auf dem SuB liegen habe. Wir haben in der Vergangenheit ja schon viel über Klassiker gesprochen, hast du da Kandidaten, die eine gewisse Wirkung auf die entfalten konnten?
Wenn es um ‚hohe‘ Literatur geht, muss ich sagen, dass ich von Zola sehr beeindruckt bin, aber auch von Lope de Vega oder Cervantes, dass die allerdings einen größeren Einfluss auf mein eigenes Schreiben haben, das kann ich nicht sagen.
Das mag jetzt eine steile These sein, aber ich sehe zwischen Cervantes und Pratchett durchaus Übereinstimmungen. Diese Art, die Welt zu sehen und eine groteske Szene aufzubauen, die zu wunderschönen Erkenntnissen führt. Und was hat dich emotional gepackt?
Nachhaltig erschüttert hat mich ‚Color del Verano‘ von R. Arenas.
Wer?
Das wird hier kaum einer kennen, ist aber ein ganz großartiges Buch eines kubanischen Autoren, das ich jedem ans Herz legen kann. Oh je, bei der Frage kommt man nicht nur ins Grübeln, sondern offenbar auch ins Quatschen.
So war der Plan. Das macht ja hoffentlich nicht nur mir Lust aufs Lesen (notiert sich R. Arenas).
Wenn ich nämlich mal so darüber nachdenke, welches Buch ich in meinem Leben wohl am häufigsten gelesen habe, dann ist es ‚Pharao‘ von Pauline Gedge.
Echt?
Ja, als Jugendlicher hat mich das Buch sehr fasziniert, aus heutiger Sicht ist es aber so …mäh.
Sagen wir so: Neben Cervantes oder auch Christie verliert es ein wenig.
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Bleiben wir noch kurz beim Buchregal. Welcher Klassiker liegt allen Vorsätzen zum Trotz immer noch auf deinem SuB?
Ich habe gar keinen SuB.
Echt?! Du bist ja krass drauf!
Klassiker der deutschen Literatur liegen eher nicht so in meinem Fokus, auch wenn es da sicher tolle Bücher gibt.
Wer hat den von deutschen Klassikern gesprochen?
Da ich Romanistik studiert habe, kenne ich den französischen und spanischen Kanon rauf und runter. Da sind durchaus auch ein paar amüsante Bücher dabei, wie der Don Quichote, der ja auch nicht soooo oft gelesen wird, oder die Novelas Ejemplares von Cervantes.
Und mit wem ist die Buch-Leser-Beziehung eher kompliziert?
Bei den Franzosen liegt aber, ehrlich gesagt, Balzac, bei mir immer brach, mit dem kann ich sehr wenig anfangen.
Und welches Buch ist hätte deiner Meinung nach deutlich mehr Leser verdient und warum?
Mehr Aufmerksamkeit hätten meiner Meinung nach zum einen die Bücher des ‚Lo Real Maravilloso‘ verdient, insbesondere die kubanischen Autoren wie Arenas, Llezama Lima oder Sarduy. Das sind gewaltige Werke und wirklich erschütternd.
Da kenne ich jetzt, ehrlich gesagt, nur Sarduy, kann das insoweit aber bestätigen. Hast du auch noch Tipps für leichtere Kost?
Ansonsten finde ich, jeder sollte dringend Terry Pratchett lesen.
Ja, der hat zwar schon viele, aber wenn ich mir die Welt so anschaue, definitiv noch nicht genug Leser.
Die nächste Frage interessiert mich wegen deines enormen Outputs schon aus kollegialer Sicht ganz besonders:
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Themen finden ist oft einfacher als aus den vielen Ideen, die richtige Auswahl zu treffen. Wie entscheidest du, welches Projekt du als nächstes verwirklichst?
Och, ich mache mir einen Jahresplan. Ich habe ja mehr als eine Reihe und die müssen in Einklang gebracht werden.
Da habe ich, ehrlich gesagt, ein bisschen den Überblick verloren, gehst du mit mir mal durch?
Derzeit habe ich ‚Kommandant Nachtu‘, irre Fantasy mit einem Schuss Crime, ‚Nachtu & Lu‘, irre Fantasy mit mehr Crime und einer Menge Diversity, ‚Lu ermittelt‘, eine Art Cosy Crime mit einer gewissen Portion Irrsinn und dann noch ‚Robert Ashford ermittelt‘, ein klassischer britischer Krimi in den 50er Jahren.
Wow! Ich bin ja schon stolz, dass ich neben meinen Einzeltiteln meine Schwerttanz-Saga und mein Gemeinschaftsprojekt noch koordiniert bekomme. Wie machst du das?
Ich plane für alle vier Reihen grundsätzlich mehrere Titel im Voraus und plotte sie auch durch. Dann sehe ich zu, dass ich die Leser, die besonders eine Reihe mögen, nicht zu kurz kommen bei den Publikationen und erstelle einen Veröffentlichungsplan für das laufende Jahr.
Das ist schon mal eine koordinative Meisterleistung, für die ich Chaos-Häschen dich glühend bewundere. Und wie entscheidest du, welche Ideen du wo und wie umsetzt?
Inhaltlich entscheide ich nach verschiedenen Kriterien. Zum Beispiel: Was war im letzten Buch das Leitmotiv? Was sollte es dann im nächsten sein? Was war das Setting? Usw.
Hm. Also auch sehr rational.
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Wo stehst du beim Schreiben einer Szene? Bist du eher der aufmerksame Beobachter und Dirigent oder mittendrin in allen Höhen und Tiefen mit Blut, Schweiß und Tränen?
Ich bin ein Plotter, also kein emotionaler Entdeckungsschreiber. Deswegen kann man sicher sagen Beobachter und Dirigent. Ich weiß ja schon, was den Figuren im Roman bevorsteht.
Das finde ich persönlich ja sehr faszinierend, weil ich eher entdeckend schreibe. Wenn ich schon genau weiß, was passiert, habe ich gar keine Lust mehr, es aufzuschreiben.
Welche Szenen fallen dir beim Schreiben am schwersten und wie meisterst du sie trotzdem?
Ich glaube, bisher hatte ich noch keine Szenen, die mir wirklich schwer gefallen sind.
Na komm!
Liebesszenen wären wohl eher nicht mein Ding, aber auf die verzichte ich so gut wie ganz in meinen Büchern. Obwohl, stimmt nicht … in ‚Plötzlich Phantom‘ gibt es sogar eine Lovestory.
Und wenn du wirklich mal ins Schliingern kommen solltest?
Wenn ich mal nicht weiter wüsste, dann würde ich in ein Buch schauen, in dem eine solche Szene behandelt wird und von dessen Autor ich restlos überzeugt bin.
Lerne von den Meistern, das ist nie verkehrt.
Jetzt kommt eine Frage, die man Plottern besonders gut stellen kann:
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Was ist dir beim Schreiben deiner Geschichten am wichtigsten, worauf achtest du besonders?
Handwerkliche Qualität. Klingt immer ein bisschen blöd, ist aber so.
Gar nicht. Was verstehst du denn unter handwerklicher Qualität?
Damit meine ich, dass die Geschichte einen guten Aufbau haben muss, die Charaktere glaubwürdig sind und man ihre Motive nachvollziehen kann. Die Dialoge müssen knackig sein und möglichst authentisch. Und in meinen drei Fantasy-Reihen: Humor, Humor, Humor.
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Es heißt, jeder Künstler muss auch ein bisschen wahnsinnig sein. Was ist dein Schuss „Wahnsinn“?
Ich bin Ägyptologe, ich denke, das reicht als Antwort …
Hihi, mir schon. Aber wir haben darüber auch schon nächtelang geplauscht. Aber, um auf die Frage von oben zurückzukommen, wäre dann nicht der „Pharao“, sogar das Buch, das dich am meisten geprägt hat? Immerhin hat es deinen Berufswunsch beeinflusst?
Oh, nein, das hat meinen Beufswunsch gar nicht beeinflusst – ich wollte schon im Kindergarten Ägyptologe werden. Ich habe mal so ein scheußlich kitisches Metallbild von Tutanchamun auf dem Weihnachtsmarkt gesehen und meine Oma hat es mir geschenkt. Von da an wusste ich: Ich werde entweder Pharao – oder Ägyptologe.
Jetzt bin ich beeindruckt Lass uns mal in der Gegenwart bleiben …
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Beschreibe dein aktuelles Buch in 3 Sätzen
Robert Ashford, Schauspieler, Duke und Lebemann, muss dieses Mal an den Ufern des Nil ermitteln. Archäologen haben ein Königsgrab entdeckt und sterben nun wie die Fliegen. Der Fluch des Pharao oder doch ein ganz irdischer Killer?
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Was würdest du noch gerne lernen und wozu?
Man kann nie genug Fremdsprachen beherrschen! Ich denke, ich würde gerne noch Chinesisch lernen, das kann nie schaden …
Ni hao! Ich übe mich ja immer wieder mal in Mandarin. Das können wir zusammen lernen. Meine Lektorin hätte es sogar studiert.
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Was sollen deine letzten Worte sein?
Mehr Licht!
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Und womit soll dieses Interview enden?
Kuchen, oder Fleischwurst. Um Nachtu zu zitieren: Ein Tag, der mit Fleischwurst beginnt, kann gar nicht schlecht sein!
Dann lass uns jetzt für den informellen Teil in die Küche gehen, denn wie gesagt – ich habe immer Hunger.
Lieber Christian, wie erwartet war es wunderbar unterhaltsames Interview. Ich bedanke mich sehr herzlich für die Zeit, die du dir für Skoutz genommen hast.
Hier könnt ihr Christian Huyeng erreichen:
- Christian Huyeng auf Facebook*
- Christian Huyeng auf Instagram
- und wer mag, darf ihm auch schreiben: autorbuer@gmail.com
Skoutz-Lesetipp
Bei so vielen verschiedenen Büchern fällt die Auswahl natürlich schwer, aber wir haben uns dann doch für den Krimi entschieden:
Robert Ashford ermittelt: Der Fluch von Crawford Hall – Klassischer Krimi von Christian Huyeng
England in den 50er Jahren …
Eine Woche Urlaub mit Tee und Scones in ländlicher Idylle – so hatte sich Robert seinen Aufenthalt in West Ridding vorgestellt. Leider wird nichts daraus: Man findet den mysteriösen und attraktiven Mr. Leigh tot im Wald. Selbstmord – zumindest nimmt das Chief Inspector Mosley an. Robert lässt das Schicksal des jungen Mannes keine Ruhe, und er beginnt auf eigene Faust mit Ermittlungen, sehr zum Missfallen von Scotland Yard. Doch dann stirbt auch noch die reiche Erbin Elizabeth Crawford, scheinbar an den Folgen einer Lebensmittelvergiftung …
Skoutz meint: Robert Ashford ist kein Held, dem die Herzen zufliegen, aber das ist durchaus reizvoll. Schließlich geht es hier nicht um einen schmachtvollen Liebesroman, sondern um einen handwerklich raffiniert aufgezogenen Krimi, bei dem die Suche nach dem Mörder im Vordergrund steht. Neben der Spannung kommt aber auch der Humor nicht zu kurz: Die genüsslich durch den Kakao … pardon 5Uhr-Tee gezogenen Klischees der historisierenden Cosy-Crimes sprühen vor feiner Ironie und einer tiefen Liebe fürs Genre.
Robert Ashfords Fall war zwar sein und unser erster, aber sicher nicht unser letzter. (kn)
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