Skoutz-Wiki: Stil
Stil ist etwas, was man generell anderen im Ärger gerne abspricht, auch wenn das natürlich unzutreffend ist. Jeder hat Stil – aber eben nicht zwingend einen guten, oder präziser: dem jeweiligen Kritiker genehmen.
Was aber ist Stil (wenn nicht das Ende des Besens)?
Das Wort Stil ist seit dem 15. Jahrhundert im Deutschen bezeugt und geht auf das lateinische stilus (Stengel, Schreibgerät) zurück. Vermutlich weil man früher am Text erkennen konnte, mit welchem Gerät „stilus“ er geschrieben wurde. Daraus hat sich dann auch die Art zu Schreiben (Handschrift) als Stil durchgesetzt und irgendwann eben auch die Technik.
Stil bezeichnet heute eine „charakteristisch ausgeprägte Erscheinungsform“ (ursprünglich einer Sprache oder eines Kunstwerks) oder das „einheitliche Gepräge der künstlerischen Erzeugnisse einer Zeit“ (z. B. Bau-, Mal-, Rembrandt-, gotischer Stil).[1]
Daneben meint man mit Stil oft aber auch eher Technik, nämlich die Art und Weise der Ausführung, wie etwa beim Sport (Reit- oder Schwimmstile). Umgangssprachlich spricht man aber von Stil, wenn man Verhaltensmerkmale aus dem Alltag – meist in Bezug auf einzelne Personen – beschreiben will, etwa Kleidungs- oder Führungsstil aber auch ganz allgemein den Lebensstil …
Kluge Menschen sagen daher, Stil sei die kennzeichnende Ausdrucksform des Menschen innerhalb eines bestimmten räumlichen, zeitlichen oder gattungsbezogenen Bezugrahmens, der jeweils als Norm begriffen wird.
Wo Menschen sind, ist also auch Stil. Denn über ihre Sprache, ihre Kleidung, Wohnungseinrichtung, über Musik- und Kunst stellen wir uns nach außen hin dar und geben uns dadurch auch bewusst oder unbewusst eine mehr oder weniger eigene Note. Mit dem jeweils anderen Stil können Menschen sich innerhalb einer Gruppe voneinander unterscheiden. Sie können sich aber auch als Kennzeichen einer Gruppe, die räumlich (wie Lederhosen in Bayern), zeitlich (wie Schnabelschuhe im Mittelalter), thematisch (Gothic) etc. von anderen unterschieden werden kann.
Stil entsteht also einerseits durch Abgrenzung von anderen Stilen, Normen, Gepflogenheiten und andererseits durch Wiederholung der eigenen Merkmale. Wer einen so eigenen Stil entwickelt, dass er in kein anderes Stilmuster passt, hat seinen persönlichen oder individuellen Stil gefunden. Auch wenn der freilich bei genauerer Betrachtung nur ein individueller Mix verschiedener Stile ist. Ein Stilbruch ist dagegen der vorsätzliche oder versehentliche Verstoß gegen bestehende Stilkritierien und legen entweder den Grundstein für einen neuen Stil oder einen handwerklichen Makel 🙂
Stil in der Literatur
In der Literatur bezeichnet Stil die besondere Art und Weise des Schreibens. Also das, wodurch sich das Werk des einzelnen Autors von anderen Werken unterscheidet und sozusagen typisch für den Autor ist. Es gibt dabei wie in der restlichen Welt auch Stile einzelner Dichter, Gruppen, Regionen oder Epochen. Außerdem gibt es Gattungsstile, die sich auf die besondere Schreibweise eines Werktypus beziehen.
Oft können Epochenstile erst im Nachhinein erkannt und den jeweiligen Werken zugeordnet werden – und auch das nur, wenn man genügend Bücher verschiedener Epochen gelesen hat, um solche Muster zu erkennen. Das liegt daran, dass man erst in der Rückschau sicher sagen kann, was in der entsprechenden Breite aufgegriffen und dann auch wieder aufgegeben wurde, um es als Merkmal einer bestimmten Zeitspanne bezeichnen zu können. Wichtige Stilepochen in der Literatur sind etwa
- Sturm und Drang
- Klassik
- Romantik
- Realismus
Sprachstil
Bezogen auf Sprache ist „Stil“ die Summe der Merkmale eines Textes, die versuchen, die Art und Weise zu beschreiben, mit der seine Aussage versprachlicht wird. Bestimmte Stilmittel sind naturgemäß auf konkrete Sprachebenen (z.B. Hochsprache, Alltagssprache, Slang) beschränkt. Gleiches gilt auch für rhetorische Figuren. Auch die Veröffentlichungsform (Textgattung) spielt hier eine Rolle. Ein Roman hat andere Möglichkeiten als eine SMS – und auch Erwartungen der Leser zu erfüllen.
Stilanalyse
Meist kann man den Stil lange bevor man sich der Technik widmet, schon erfühlen. Beim Lesen auf der emotionalen Ebene eben. Das beschreibt man dann meist mit mehr oder minder schmeichelhaften Adjektiven wie kompliziert oder schlicht, böse oder humorvoll, umständlich oder schnörkellos, rasant oder langatmig. Das ist allerdings in hohem Maße vom Geschmack und der Stimmung des Lesers abhängig und daher wenig präzise. Diese Einordnung nennt man in der Literaturwissenschaft Stillagen. Stillagen können die grob gerastert in leicht, mittel und schweren Stil und fein gerastert beispielsweise in primitiven oder vulgären, sachlichen, pathetischen, gewundenen, manieristischen, gehobenen oder klassischen Stil eingeteilt werden.
Stilistik
Man kann dem Stil aber auch wissenschaftlich an den Kragen gehen. Diese Disziplin innerhalb der Literaturwissenschaften heißt Stilistik (auch Stilkunde). Sie befasst sich mit den Regeln, die hinter der Auswahl und Kombination von sprachlichen, stilistischen Mitteln stehen. Dazu muss man sich mit Inhalt, Handlung und Thema befassen, mit der Form des Textes. Und schließlich mit den bei allen Deutschlehrern so überaus beliebten Stilmitteln. Oft sind auch Symbole typisch für bestimmte Autoren. So ist z.B John Irving berühmt dafür, dass in jedem seiner Bücher irgendwo ein Bär erscheint.
Bei der Stilanalyse befasst man sich also zunächst mit Thema und Inhalt, dann mit der Form, dem Aufbau und der Gliederung einer Geschichte, und schließlich der Sprache, ihren rhetorischen Mitteln und der handwerklich-technischen Komponente. Um dabei von einem persönlichen oder Gattungs-Stil sprechen zu können, bedarf es dann noch des Vergleichs mit anderen Werken, um anhand von Gemeinsamkeiten Einflüsse und Grundmuster bestimmen zu können. Das kann sehr spanennd sein, denn tatsächlich sind oft ganze Genres von einem einzelnen Autor beeinflusst worden, den man vielleicht heute gar nicht mehr oder jedenfalls nicht in seiner Bedeutung kennt. Lovecraft etwa für den Horror.
Auch Leser haben einen Stil
Denn die Stilanalyse ist in vielerlei Hinsicht von der Interpretation des jeweiligen Lesers abhängig und dadurch immer wertend. Das erklärt auch, warum man im Deutschunterricht oft beim besten Willen nicht erkannt hätte, was andere gefunden haben. Weil es einen nicht anspricht, weil ein Symbol für den einen bedeutsam für den anderen aber mit anderen Erlebnissen und Erfahrungen total unbedeutend ist. Dinge, die zur Zeit, in der ein Werk geschrieben wurde, absolut skandalös waren, erkennt man in anderen Epochen gar nicht mehr als solches (Die (homoerotischen) Wirrungen des Zögling Törless von Robert Musil zum Beispiel). Die Stilanalyse sollte daher auch berücksichtigen, unter welchen Aspekten – historischen, politischen, persönlichen – heraus man ein Werk betrachtet.
Die Disziplin, die sich mit der Stilanalyse auseinander setzt, heißt übrigens Stilistik. Sie gilt als Grundlagenforschung der Literaturwissenschaft. Durch sie können sowohl die einzelne, schöpferische Leistung des Künstlers als auch epoche-, gattungs- oder gruppenbildende Stile erkannt werden.
Weiterführende Links
Germanistik Uni Würzburg