Skoutz-Classics: Erotik in der Bibel
Heute befassen wir uns mit dem Klassiker schlechthin. Mit dem Buch der Bücher. Mit der Bibel. Und zwar mit der Bibel als Buch, als eine Art Anthologie, in der über viele Jahrhunderte alle möglichen Texte verschiedenster Verfasser zusammengetragen wurden. Als Sammlung von allen möglichen Geschichten und Textformen. Vom Abenteuerroman bis zu düsteren Dystopien. Zum Hauptartikel geht es hier.
Die Erotik in der Bibel
Wenn man über Erotik in der Bibel spricht, wird meist Paulus im 1. Korintherbrief zitiert, der Enthaltsamkeit predigt und ehelichen Sex als ausdrücklich als Notlösung für die Triebgesteuerten ansieht (1 Kor, 7,9). Eine bei genauerer Betrachtung persönliche und keinesfalls mehrheitsfähige These, die dennoch das Gebot des Zölibats bestärkt. Viele hocherotische, explizite Passagen verstehen wir nicht so richtig, da wir nicht die jüdisch/erotische Bildsprache kennen. Wenn bei uns jemand ein Rohr verlegen will oder einen von der Palme schüttelt, ja in die Kiste steigt, vögelt oder bumst, würde man – vom Wortwörtlichen kommend – auch nicht automatisch an Sex denken.
Tatsächlich knistert und knackt es in der Bibel an vielen Stellen, und zwar außerordentlich explizit.
Sex als Gottes Auftrag
Schon in der Schöpfungsgeschichte erkennt Gott schnell, dass ein Adam ohne Eva nur der halbe Spaß ist und erklärt Adam auch gleich, wie er mit seiner Eva umzugehen hat: „Darum verlässt ein Mann Vater und Mutter und hängt seiner Frau an und sie werden „ein Fleisch“ (Gen 2,23-24). Schau an, seither spricht man also vom sich vereinen – und gemeint ist hier nicht die Nachwuchssicherung, sondern das Verlangen zweier Menschen füreinander.
Und das mit dem Sex vor der Ehe ist auch nicht so absolut zu sehen. „Du sollst nicht ehebrechen„, verlangen die zehn Gebote, doch damit ist offensichtlich die Beziehung zu einer verheirateten Person gemeint. Man soll also die Finger von Menschen lassen, die anderweitig gebunden sind. Beziehungen zu einer unverheirateten Person sind gerade nicht erfasst. Gott verlangt zwar von Adam und Eva: „Seid fruchtbar und mehret euch„, verheiratet hat er sie aber bezeichnenderweise nicht.
Auch deutlich später in der Bibel hat man die Lust in der Liebe noch nicht vergessen. So fordert ein Vater in den Sprüchen von seinem erwachsen gewordenen Sohn: „Lass dich von ihrer Anmut allezeit sättigen und ergötze dich allewege an ihrer Liebe„. (Sprüche 5,18f) Und auch die Prediger wissen sehr genau, dass Sex Spaß machen soll: „Genieße jeden Tag mit der Frau, die du liebst, solange das Leben dauert, das Gott dir unter der Sonne geschenkt hat […]. Denn das ist der Lohn für die Mühsal und Plage, die du hast unter der Sonne“ (Prediger 9,9).
In Hesekiel (23,20) wird auch eine für heutige Verhältnisse noch drastische Beschreibung gebraucht: Sie […] bekam Sehnsucht nach […] den Männern, deren Glied so groß wird wie das eines Esels und deren Samenerguss so mächtig ist wie der eines Hengstes. Sie wollte es wieder mit ihnen treiben“. Wobei diese Übersetzung nicht der etwas verschämten Luthervariante folgt, sondern eine modernere Fassung ist. So sagt man ja auch heute noch: „Suche Mann mit Pfedeschwanz, Frisur egal.“
Das Hohelied Salomos
Eines der Bücher des Alten Testaments ist das Hohelied Salomos. Es widmet sich in acht Kapiteln in einer Detailtiefe, die dem Kamasutra nicht nachsteht, der erotischen Liebe. Da geht es um Lust und Leidenschaft zwischen zwei Menschen, die einander begehren, sich gegenseitig verführen und aneinander erfreuen. Sex ist hier nicht schmuddelig, sondern wird als göttliches Geschenk gefeiert. „Mein Geliebter ist mein und ich bin sein.“ Er verbindet die Liebenden und macht sie zu gleichwertigen Partnern, Schenkenden und Beschenkten gleichermaßen und bringt – siehe oben – paradiesische Zustände zurück. Das ist doch toll!
Es geht dabei keineswegs um eine überhöhte, sogenannte reine körperlose Liebe, sondern um Sex als Ausdruck und unverzichtbarer Bestandteil der Liebe: „Stark wie der Tod ist die Liebe und hart wie das Todesreich ist die Leidenschaft“ (Hld 8,6).
„Komm mein Freund, lass uns aufs Feld hinausgehen und die Nacht verbringen. Dass wir sehen, ob der Weinstock sprosst und seine Blüten aufgehen. Da will ich dir meine Liebe schenken“ (Hld 7,12-13). Ganz klar. Hier spricht eine Frau selbstbewusst von ihrer Leidenschaft.
Alles pink?
Bei der Lektüre muss man sich jedoch vor Augen führen, dass es sich um Lyrik handelt, die typischerweise mehr andeutet als beschreibt. Auch muss man berücksichtigen, dass sich Sprachbilder über die Zeit (wir sprechen von Jahrtausenden!) verändern. Während wir heute vögeln oder bumsen, wenn wir in die Kiste steigen, und uns Muschis, Melonen oder Schwänzen widmen, drängte der junge Mann damals eben in den Weinberg oder Garten, um den Rebstock zu pflegen und die Früchte dort zu genießen. Auch in der deutschen Sprache kennen wir den Spruch “Nur die Harten kommen in den Garten”, der selbe Anspielungen gebraucht.
„Ich komme in meinen Garten […] Ich pflücke meine Myrrhe zusammen mit meinem Balsam. Ich esse meine Wabe samt meinem Honig und trinke meinen Wein samt meiner Milch“ (Hld 5,1).
Eine sehr schöne Zusammenstellung all dieser Formulierungen im Hohenlied gibt es bei „http://www.unmoralische.de/erotik.htm“ (externer Link).
Erotische Erzählungen in der Bibel
Dina – Blutige Rape Romance
Dina ist der Genesis zufolge eine Tochter von Lea und Jakob. Sie ist so schön, dass Sichem, der Sohn eines einflussreichen Fürsten, sich in sie verliebt. Er entführt und vergewaltigt sie. Offenbar fand seine Liebe danach irgendwie Dinas Gehör. Danach bittet Sichem jedenfalls seinen Vater und Jakob um die Erlaubnis, sie heiraten zu dürfen. Nach einigem Hin und Her willigen die Väter ein. Jakob allerdings nur, wenn sich alle Männer aus Sichems Stamm beschneiden lassen. Auch dem wird um der Liebe willen nachgegeben.
Während noch alle von dem Eingriff geschwächt sind, überfallen zwei Brüder von Dina die Stadt und töten alle männlichen Einwohner. So sollte angeblich die Schmach getilgt werden, die Dina angetan worden war. Bezeichnenderweise ist aber von Dinas weiterem Schicksal nichts mehr bekannt. Jakob hingegen verurteilt das Verhalten seiner Söhne und verflucht sie, statt sie wie erwartet zu segnen.
Die Wissenschaft diskutiert diese Erzählung seit jeher kontrovers, auch und gerade in Bezug auf Gewalt gegen Frauen und Frauenbilder. Eine sehr interessante Aufbereitung gibt es beim Bibel-Lexikon.
Susanna im Bade
Susanna ist eine Gestalt, die zwar in der deutschen Einheitsübersetzung der Bibel enthalten ist, von Luther aber als lesenswert, aber nicht offiziell zur heiligen Schrift gehörend eingestuft wurde. Das ist erstaunlich, denn diese Geschichte ist nicht nur unter amourösen, sondern auch unter juristischen Aspekten sehr spannend und entsprechend oft zitiert:
Der reiche Babylonier Jojakim wurde oft von zwei hoch angesehenen Richtern besucht. Erst nach und nach erfährt man, dass die Richter eigentlich wegen Susanna, der schönen Frau von Jojakim kamen, in die sie sich verliebt hatten. Die Bibel formuliert das erfrischend direkt, z.B. in Dan 13.9:
Da regte sich in ihnen die Begierde nach ihr. Ihre Gedanken gerieten auf Abwege und ihre Augen gingen in die Irre.
In der Folge lauerten die Lüstlinge Susanna auf, die im Garten baden wollte. Sie bedrängten Susanna und wollten sie zwingen, mit ihnen zu schlafen. Susanna weigerte sich empört. Die Richter versuchten daraufhin, sie zu erpressen. Wenn sie nicht mit ihnen schlafen will, würden sie Anklage gegen sie erheben und behaupten, sie hätte Ehebruch mit einem jüngeren Mann begangen. Doch Susanna ließ sich auch davon nicht überzeugen. Sie wehrte sich und schrie laut um Hilfe.
Daraufhin ließen die Richter sie tatsächlich verhaften und behaupteten, sie inflagranti beim Ehebruch mit einem Unbekannten erwischt zu haben. Natürlich glaubte man den hochangesehenen Männern und so wurde Susanna zum Tode verurteilt. Doch der Prophet Daniel hatte eine göttliche Eingebung, wonach Susanna unschuldig sei. Also befragte er die beiden Richter als Zeugen voneinander unabhängig. Tatsächlich verstrickten sie sich in Widersprüche. So kam Susanna frei und die beiden Richter wurden bestraft.
Onan und Thamar
Der Name lässt aufhorchen, die Geschichte selbst ist skurril. Thamar ist eigentlich die Frau von Onans älteren Bruder. Als der stirbt, bevor Thamar ein Kind empfangen hat, kann sie nach damaligem Recht verlangen, dass ein anderer Mann der Familie ihr „aushilft“. Schwiegervater Juda bittet seinen Sohn Onan, Thamars Anspruch zu erfüllen.
Doch der hatte keine Lust auf Vaterfreuden und legte erst einmal selbst Hand an. Daher auch die Bezeichnung Onanie. Doch weil Thamar offenbar doch durchaus ihre Reize hatte, gingen sie auch zusammen ins Bett. Doch auch hier schummelte Onan: „Sooft er zur Frau seines Bruders ging, ließ er den Samen zur Erde fallen und verderben, um seinem Bruder Nachkommen vorzuenthalten.“
Gott war darüber so erzürnt, dass er Onan tötete. Daraus wird oft ein Verbot der Onanie hergeleitet, doch tatsächlich ging es darum, dass Onan seine Pflicht nicht erfüllte und so Thamar und Juda betrog. Denn wenn Thamar kinderlos blieb, würde Onan (und nicht Thamar) seinen verstorbenen Bruder beerben.
Thamar übrigens wusste sich zu helfen. Nachdem Juda keine Lust hatte, auch noch seinen dritten Sohn zu riskieren, schickte er sie als Witwe zurück zu ihrem Vater. Doch Thamar hatte offenbar einiges über die Männer ihrer Familie gelernt, verkleidete sich als Prostituierte und posierte dort, wo Juda selbst vorbeikommen musste. Tatsächlich lässt er sich von Thamar verführen und übergibt ihr zu Bezahlung ein Siegel. Als Thamar – bereits hochschwanger – der Prostitution angeklagt wird, gibt sie sich zu erkennen und präsentiert den Siegelring. Sie argumentiert, so nur ihr Recht eingefordert zu haben und wird freigesprochen. Ihre Zwillingssöhne werden als legitime Erben anerkannt.
Jonatan und David
Auch wenn an einigen Stellen explizit gegen Schwule gewettert wird, hat die Bibel auch ein schwules Paar, das Gottes Wohlgefallen findet, und das in einer an Dramatik nur schwerlich zu überbietenden Geschichte:
Jonatan, der Sohn des Königs Saul, und dessen größten Rivalen David verbindet mehr als nur eine einfache Freundschaft. Pikanterweise ist David übrigens mit Michal, Jonatans Schwester verheiratet.
Gleichwohl erzählt die Bibel mehrfach, dass Jonatan und David „einen Bund vor dem Herrn“ geschlossen haben, und einander jeweils „wie das eigene Leben liebten“. Als David vor Sauls Zorn fliehen muss, warnt ihn Jonatan. Beim Abscheid küssen sie sich und betrauern ihre Trennung.
Als Jonatan in der Schlacht bei Gilboa zusammen mit seinem Vater fällt, stimmt David eine erschütternde Totenklage an:
Weh ist mir um dich, mein Bruder Jonatan. Du warst mir sehr lieb. Wunderbarer war deine Liebe für mich als die Liebe der Frauen.
Tamar, die Tochter Davids
Auch die andere biblische Tamar ist übrigens ziemlich emanzipiert.
Amnon, Davids ältester Sohn, verliebt sich in seine Halbschwester Tamar. Listig stellt er sich krank und bittet seinen Vater, ihm Tamar als Pflegerin zu schicken. Als Tamar kommt, verlangt er, dass sie mit ihm schläft. Obwohl sie ihm durchaus symbolträchtig einen Herzkuchen mitgebracht hat, lehnt Tamara ab. Stattdessen wäscht sie ihm rhetorisch brilliant in mehreren Versen den Kopf. Wenn er sie will, sollte er lieber versuchen, das Verhältnis zu legalisieren, denn ohne das, bedeutet so etwas nur massig Ärger für sie beide! Daraufhin fühlt sich Amnon in seiner Ehre gekränkt, vergewaltigt Tamar und wirft sie dann in einer Machtdemonstration hinaus.
Tamar kehrt nicht in den Palast zurück, sondern geht daraufhin zu ihrem Bruder Absalom, der von da an Amnons erbittertster Gegner wird.