Mehrere Bücher gleichzeitig lesen?
Heute beschäftigen wir uns wieder einmal mit Leseverhalten, Lesetechniken und besserer Lektüre. Skoutzig lesen bedeutet mit voller Hingabe lesen. Aus Liebe zu den Büchern und ihren Geschichten.
Eine der Fragen, die erfahrungsgemäß im besten Fall zu lebhaften Diskussionen führen wird und im ungünstigen Fall zu einem Riesenstreit unter an sich friedliebenden Buchmenschen lautet:
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Kann man mehrere Bücher gleichzeitig lesen?
Gewohnt unerschrocken hat sich Skoutz dieses heißen Eisens angenommen und versucht hier für euch die wichtigsten Gründe, die für einen flotten Dreier (oder Vierer, Fünfer …) sprechen, zusammengetragen und auch, was für eine eher monogame literarische Beziehung spricht.
Dabei ist die Frage unpräzise gestellt. Natürlich kann man mehrere Bücher lesen. Also technisch. Man schlägt einfach das nächste Buch auf, bevor man vom ersten durch das magische Wort ENDE entlassen wurde. Ob man parallel gut lesen kann, ist hingegen eine andere Frage. Und „Was bringt es?“ ist dann nochmal eine ganz andere …
Es kommt darauf an …
Der Lieblingsspruch des stets alles abwägenden Juristen, ist auch hier nicht falsch. Letztlich ist das eine Frage, die nur individuell und situativ zu beantworten ist. Jeder liest anders, erwartet beim Lesen etwas anderes und nicht alle Lebenslagen eigenen sich gleichermaßen für jedes Buch.
Um diese hochkomplexe Frage aber für sich und die jeweilige Lebenssituation richtig zu beantworten, bevor man dieses unfassbare Risiko eingeht, sich zwei Geschichten zeitgleich auszusetzen, haben wir hier eine Übersicht für euch, die euch bei der Entscheidung hilft:
Was für einen Lese-Gang Bang spricht
1. Mehr ist mehr
Arithmetisch schwer widerlegbar, trifft es auch literarisch zu. Erstaunlich oft kommt mit dem Essen der Appetit und gerade die Wahl zwischen mehreren Büchern zieht dann zumindest in eins.
Warum? Nun, wenn ihr nur ein Buch lest und bemerkt, dass ihr heute nicht in der Stimmung seid, euch mit dem Liebeskummer eurer Prota auseinanderzusetzen, werdet ihr an dem Tag eben nicht lesen. Und am nächsten vielleicht auch nicht … Aber wenn ihr gleichzeitig noch ein anderes Buch im Rennen habt, einen blutrünstigen Thriller vielleicht, der genau zu eurer Laune nach einem langen miesen Arbeitstag passt, dann werdet ihr das Buch lesen. Die Gefahr einer Leseflaute sinkt also mit der Auswahl möglichst verschiedener Bücher.
2. Lesen nach Lust und Laune
Außerhalb von Schule, Studium und Beruf lesen wir ja zum Spaß. Also darf Lesen auch Spaß machen. Das klingt weniger revolutionär als es für viele Buchmenschen ist, denn Regeln wie „Bücher bricht man nicht ab“, „Lesen streng nach Reihenfolge“ u.ä. klingen, als würde viele allzuoft, das wichtigste vergessen: Spaß.
Da ist das Parallellesen ein guter Kompromiss, denn wenn man keine Lust auf Drama hat, kann man eben was Rasantes lesen, oder was Lustiges. Ist die Welt schon schlimm genug, auch ohne Massenmörder? Dann ab in eine Fantasy-Welt!
3. Herz oder Hirn?
Ich persönlich liebe die großen Klassiker, aber oft sind sie eben auch nicht ganz leichte Kost und nicht geeignet, um in der U-Bahn, zwischen zwei Terminen im Büro oder generell in Zeiten zu lesen, wo es schwer fällt, sich zu konzentrieren.
Ähnlich ist es, wenn man emotional gerade angespannt ist. Je unausgeglichener man ist, desto enger ist die Toleranz für andere Gefühlslagen. Die einen wollen bei Liebeskummer Drama und Tragödien lesen, den anderen steht es nach Splatter und Crime. Wieder andere flüchten bewusst in heile Welten mit Happy-End-Garantie. Alles hat seine Berechtigung. Aber bevor man sich bei wechselnden Lebenslagen durch unter anderen Prämissen begonnene Bücher quält und am Ende in einer Leseflaute landet, ist es schlauer, ein zur Stimmung passendes Buch zu wählen. Oder bewusst zu etwas völlig Neuem! Viele gehen bei Liebeskummer zum Friseur für ein neues Outfit. Wie wäre es für eine Leseratte mit einem neuen Genre?
4. Vielfalt ohne Risiko
Gleichzeitig lesen hat den Vorteil, dass es viel mehr Abwechslung bietet als lineares Lesen.
Klingt komisch, ist aber so. Denn wenn ihr immer nur ein Buch zur Zeit lesen wollt, seid ihr bis zum (womöglich) bitteren Ende an ebenjenes gebunden. Speziell, wenn ihr versucht, Bücher niemals abzubrechen. Das hat unweigerlich Folgen auf euer Auswahlverhalten. Denn wer will schon ein Buch lesen, das einem (eigentlich) nicht gefällt? Also werdet ihr nur Bücher lesen, von denen ihr möglichst sicher seid, dass sie euch nicht enttäuschen.
Wer aber auf Nummer sicher geht, gibt neuen Büchern wenig bis keine Chance. Das ist aber viel risikoloser, wenn ihr euch entscheidet, es mit dem gleichzeitig lesen zu versuchen. Eine schlaue Mischung aus Anspruch und Unterhaltung, aus verschiedenen Tonlagen und Stimmungen oder Genres. So könnt ihr wechseln, wenn ein Buch nicht passt, oder ihr wegen des emotional oder inhaltlich schweren Stoffs eine Pause braucht. Und so bringt ihr mehr Abwechslung in eure Lektüre, weil ihr nicht auf ein bestimmtes Buch festgelegt seid, sondern eine gewisse Flexibilität ausreizen und genießen könnt!
5. Challenge accepted
Gleichzeitig lesen bedeutet auch, dass man mit Pausen liest. Also muss man verschiedene Storylines im Kopf behalten und sich an Details erinnern, damit man dann wieder einsteigen kann. Das ist Gehirnjogging vom Feinsten und besser als Memory! Ihr lest sehr bald bewusster und könnt euch mehr merken.
Und wenn euch das zu anstrengend ist, habe ich noch einen Tipp für euch: Notizbücher! 🙂
6. SuB-Optimal
Gleichzeitig lesen ist in den meisten Fällen schneller. Das ist auch gut für euren SuB, den berüchtigten Stapel ungelesener Bücher. Und falls ihr euren SuB bzw. eure Lesestatistik über begonnene Bücher definiert, bietet gleichzeitig lesen auch die Möglichkeit, semi-legal die Ergebnisse zu schönen.
Aber ganz ehrlich: Öfter zu lesen, weil man die „mag nicht lesen“ und „kann nicht lesen“ Zeiten reduziert, ist definitiv ein sehr guter Anfang, um den SuB abzubauen.
7. Anspruchsdenken
Beim gleichzeitig lesen kann man bessere Bücher lesen. Das klingt wieder komisch, aber so ist es wirklich. Auf den ersten Blick heißt gleichzeitiges Lesen nicht dass Bücher qualitativ unterschiedlich sind. Aber gerade, wenn man parallel liest, seht ihr viel deutlicher, wohin das Leseherz euch zieht. Gerade Vielleser entwickeln dabei bald und instinktsicher ein Gefühl für ihr erweitertes Beuteschema. Was dazu führt, dass ihr viel öfter Bücher lest, die euch wirklich gefallen. (Und mit der Skoutz-Buchfieberkurve findet ihr in unserer Buchsuche auch die Bücher, die das haben, was ihr wollt!)
Du und du allein! Nachteile beim gleichzeitig lesen.
Bis hierher klingt es, als sei gleichzeitig lesen DAS DING überhaupt. Aber ganz so ist es nicht und natürlich sind nicht all diejenigen, die vehement gegen Parallellektüren wettern, ignorant und dumm.
1. Auswahl schafft Distanz
Wenn man in mehreren Buchwelten zugleich weilt, wird man sich womöglich in keine von ihnen so vertiefen als wenn es die einzige wäre. Speziell dann, wenn ein Buch für euch nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen bereithält. Wie leicht ist es, feige auszusteigen und in Buch zwei weiterzulesen? Und wie enttäuschend, wenn ihr dann die Wendung zumindest emotional verpasst.
Wenn ihr diese innere Distanz bemerkt, die euch von eurer Buchmagie trennt, dann ist vielleicht die Zeit gekommen, das Tempo zu drosseln und die Wechselintervalle zu verlängern.
2 Vorsicht bei Divenbüchern
Gleichzeitig lesen ist Gehirnjogging. Aber wie beim echten Jogging auch, ist da, wo der Trainingseffekt ausbleibt, der Muskelkater vorprogrammiert. Wenn ihr euch die Details eurer Bücher nicht merken könnt, dann bringt euch das um einen erheblichen Teil des Lesespaß. Und wenn ihr was verwechselt, dann ist es ganz doof.
Die meisten Bücher sind gesellig. Buchregale, Bibliotheken, Buchstapel … alles kein Problem. Aber ein paar Bücher sind richtige Diven, die vertragen es gar nicht, wenn sie ihr Publikum teilen sollen.
Bücher mit komplexeren Charakteren, Handlungssträngen, einer formelleren Sprache oder anderen Details, die ungeteiltes Aufmerksamkeit verlangen eigenen sich einfach nicht fürs gleichzeitig lesen. 🙂 Da solltet ihr die Konsequenz ziehen und brav dabei bleiben.
3. Erhöhte Abbruchquote
Unsere Feldversuche haben ergeben, dass ihr in der Tendenz beim gleichzeitig lesen mehr lest. Aber auch, dass die Bereitschaft, ein Buch abzubrechen, steigt. Weniger als bewussten Abbruch im Sinne eines Zuklappens und Wegstellens. Aber einfach indem ihr das Weiterlesen immer weiter nach hinten verschiebt. Das ist zunächst völlig okay.
Buchtechnisch schädlich wird es, wenn daraus eine Sucht wird, wenn ihr immer ungeduldiger auf der Jagd nach dem Kick von Buch zu Buch hüpft und am Ende keinen mehr eine Chance gebt, seine Wirkung zu entfalten. Dabei fällt es immer schwerer, das Interesse zu halten. Höchste Zeit, ein Detox vorzunehmen und gezielt ein Buch konzentriert in seiner ganzen Dröhnung wirken zu lassen.
Fazit zum gleichzeitig lesen
Tja, wie anfangs gesagt, kommt es darauf an, ob es eine gute Idee ist, es mit der Parallellektüre zu versuchen. Es bietet, vereinfacht gesagt, Flexibilität mit all ihren Vorteilen. Und als Kehrseite eben auch eine gewisse unvermeidliche Beliebigkeit.
Die Kunst besteht darin, die Balance zu halten und ein bisschen Selbstkritik zu üben. Wenn sich euer Leseverhalten verändert, ist das gleichzeitig lesen nichts für euch.
Aber wir haben schon einen Fortsetzungsbeitrag vorbereitet, in dem wir uns ein paar Techniken ansehen, wie man das Beste aus seiner Parallellektüre herausholen kann.
Lest hier weiter und bleibt skoutzig!