Warum wir uns Geschichten erzählen
Wir von Skoutz sagen ja immer, dass Nur die Geschichte zählt. Als wir letztens in der Redaktion so beisammen saßen, kamen wir auf eine ganz einfache, aber erstaunlich schwierig zu beantwortende Frage: Warum erzählen wir eigentlich Geschichten? Woher kommt dieses universelle Bedürfnis des Menschen, Geschichten zu erzählen. Nicht einfach Nachrichten und Sachinformationen, die das Überleben sichern („Hinter dem Mammutbaum wohnt ein schlecht gelaunter Säbelzahntiger.“ oder „Die lustigen Pilze mit den roten Punkten sind sehr unbekömmlich“ …), sondern erfundene Geschichten, die zuvorderst unterhalten wollen.
Und darum haben wir daraus einen Artikel gemacht.
Woher stammt das Bedürfnis, sich Geschichten zu erzählen?
Auf die eine oder andere Weise erzählt wohl jeder Mal (fiktive) Geschichten. Aus irgendeinem Grund ist das Interesse an Geschichten und dem Erzählen von Geschichten ein universelles, typisch menschliches.
Geschichten sind vielseitig einsetzbar, sie erlauben uns in einer Bildsprache unser Innerstes verständlich zu machen. Wir können mit ihnen überzeugen, erinnern, warnen und erziehen. Sie können ver- und entführen, trösten und aufrütteln, erden und uns zu Höhenflügen motiveren.
Geschichten erzählen ist hohe Kunst und Handwerk zugleich, an der wir mit euch in der Skoutz Schreibstube stetig feilen. Wir machen uns Gedanken zu Spannungsbögen, Dialogen, Figurenentwicklung, Beschreibungen und vielem mehr. Storytelling ist die Königsdizisplin im Marketing, wo ein Produkt durch die Verbindung mit einer Geschichte attraktiv gemacht werden soll.
Geschichten verbinden
Dass Geschichten Menschen verbinden, muss man Skoutzen natürlich nicht erzählen. Aber wir können es wissenschaftlich belegen. Hirnstrommessungen haben ergeben, dass beim Erzählen eine Vereinheitlichung der Gehirnströme stattfindet. Das emotionale Erleben zwischen Publikum und Vorleser synchronisiert sich. Diese Konvergenz verbindet also auf einer sinnlichen Ebene.
Zugleich sind Geschichten identitätsbildend und zwar über Zeit und Raum hinweg. So funktioniert Folkore, die ganze Völker eint. Aber auch in Familien, Vereinen oder dem Freundeskreis verbinden Geschichten. Wir erinnern uns mit kleinen Geschichten an Menschen und Ereignisse. Wir verorten uns mit erfundenen Geschichten, wie der Weihnachtsfolklore, die sehr, sehr oft nicht halb so alt ist, wie man meinen möchte.
Und oft sind es auch Geschichten zu Geschichten, wenn wir unsere Erinnerung an die Oma zum Beispiel daran knüpfen, wie sie uns immer unser Lieblingskinderbuch vorgelesen hat. Umgekehrt werden auch wir mit Geschichten beschrieben. Oftmals auch zu unserem Leidwesen. Oder wer hat keine Anekdoten zu bieten, die von Freunden und Geschichten bei Treffen gerne immer wieder erzählt werden, auch wenn wir sie gern vergessen würden? 🙂
Geschichten machen uns gesund und schlau
Wissenschaftliche Untersuchungen aus dem angloamerikanischem Raum haben herausgefunden, dass Geschichten positive Effekte auf die neuronale Kopplung haben, mit anderem Worten: Informationen, die in eine Geschichte eingebettet sind, können wir uns viel besser merken. Das Zuhören bei einer Geschichte hat – selbst bei Horrorgeschichten! – zudem eine grundsätzlich entspannende Wirkung, die z.B. in der Therapie psychischer Erkrankungen erfolgreich eingesetzt wird. Regelmäßiges Hören oder Lesen von Geschichten ebenso wie das Erzählen von Geschichten verbessern die kognitiven Eigenschaften, insbesondere unsere Merkfähigkeit. (Ich frage mich unwillkürlich, wie vergesslich ich wäre, wenn ich nicht so viel lesen würde … 🙂 )
Geschichten helfen uns erinnern
Daraus abgeleitet erklärt sich, warum Kleinkindern schon Wichtiges in Form von Geschichten vermittelt wird: Weil sie es sich besser merken.
Der logische Rahmen, den eine Geschichte den Informationen zuweist, erleichtert das Lernen. So funktionieren Eselsbrücken und andere Merkhilfen. Das liegt vermutlich daran, dass wir die Information mit der Geschichte visualisieren und daher besser verarbeiten können.
Dazu ein kleines Experiment: Merkt euch mal folgende Worte:
Schwarz, Katze, Sportler, Weihnachten, Hunger, Haus, Küche, Ende, Käsebrot, Tisch, Dieb
und zwar in der richtigen Folge.
Knifflig? Gewiss. Und jetzt erzählen wir eine Geschichte dazu:
Unsere schwarze Katze Sportler hatte Weihnachten solchen Hunger, dass sie in unserem Haus in der Küche gesucht hat und am Ende das Käsebrot vom Tisch gestohlen hat. Was für ein Dieb!
Jede Wette, jetzt ist das Ergebnis besser. Es gibt reichlich Memo-Techniken, die darum auf Storytelling setzen. Auch Warnhinweise sind so einprägsamer. Die Geschichte von Peter und dem Wolf ist sprichwörtlich für Reputationsverlust. Einmal gehört, Konzept kapiert, nie mehr vergessen.
Geschichten helfen uns zu verstehen
Auch wenn es unerfreulich ist, das Leben ist chaotisch, schwierig und verwirrend. Es ist nicht schwer, sich vom Alltag im Großen und im Kleinen überfordert zu fühlen. Eine Geschichte gibt uns da Orientierung. Sie ist uns Warnung, Hilfe oder Kompass. Wir versuchen in kleinen Storys, Anekdoten oder Mythen, große Wahrheiten zu erkennen. Als Autor versuche ich umgekehrt, schwer verdauliche Informationen in leicht bekömmliche Geschichten zu packen. Bittere Pillen sind am besten zu schlucken, wenn man sie in Honig tunkt und darauf schreibt Unzerkaut schlucken. Und auch das ist eine Mikro-Geschichte!
Schöpfungsmythen helfen uns, die Frage nach dem Woher zu erklären (oder die Unerklärlichkeit erträglich zu machen). Viele alte Märchen und Fabeln enden mit „Und die Moral von der Geschicht …“ und fassen so zusammen, was wir lernen sollten. Moderne Mythen erklären uns oftmals weitesgehend unbelastet von Fakten unsere Welt und wie wir unsere Probleme lösen könn(t)en. Sie sprechen uns auf einer anderen Ebene als unserem Verstand an und sind daher so wirkungsvoll.
Wir versuchen, mit Geschichten Ordnung zu schaffen, Verständnis zu gewinnen und Regeln abzuleiten. Wir identifizieren uns mit Figuren, weil wir hoffen, dass wir von ihnen lernen, weil wir uns in ihnen wiederfinden und weil wir so emotional auch eine Verbindung zu all den anderen Menschen herstellen, die dasselbe tun. Eine gut erzählte Geschichte erlaubt uns einen vollständigen Perspektivwechsel. In einem Buch mit der entsprechenden Erzählperspektive ist das viel intensiver und einfacher als in einem noch so dringlichen abstrakten Bericht.
Geschichten helfen uns also auch, uns zu verstehen.
Geschichten bergen Gefahren
Geschichten verbinden uns mit unserer Geschichte, mit unseren Gruppen, verorten uns in der Gegenwart und weisen Wege in die Zukunft. Aber gerade in Zeiten von Social Media, Fake News und Shit Storms können nur eine falsche Geschichte auch falsche Informationen unauslöschbar in unsere Erinnerungen tragen. Das ist umso missbräuchlicher, je weniger Rechtfertigung diesen Schmerzen entgegenstehen.
Wie nützlich ist eine Geschichte, die einen hilflos macht?
Ein moderner Mythos sagt:
„Aus großer Kraft folgt große Verantwortung“.
Mit diesen Worten schickte Spiderman-Autor Stan Lee seinen Superhelden 1962 auf den Weg. Auf einen Weg gegen das Verbrechen, gegen Ungerechtigkeit, gegen das Böse. Das sollte auch der Anspruch jedes Geschichtenerzählers sein.
Wenn es keinen Grund wie „Warnen wir andere“ gibt, sollte man also keine fremden Peinlichkeiten preisgeben. Eigentlich selbstverständlich, aber auf der Jagd nach Likes und Followern wird schnell in Boulevard-Manier Sensationsgier und Unterhaltung vor soziale Verantwortung und Empathie gesetzt. Aber genau das macht unsere Welt dann eben auch um genau diese Beiträge schlechter.
Das bringt mich auf einen sehr spannenden Gedanken:
Wenn wir mit unserer Welt und unserer Person nicht zufrieden sind, bringt es wahrscheinlich nichts, zu erzählen, was nicht gut ist und was nicht funktioniert. Spannender wäre es, zu erzählen, wie es besser wird. Nicht als „Man muss …“ (wobei „MAN“ dann oft für „Mich Ausgenommen Natürlich“ steht), sondern als Erfolgsstory, die zeigt, wie wir das Ziel erfolgreich erreichen. Oder wie es dann wäre, wenn wir da sind. Oder mit anderen Worten:
Mehr Utopie als Apokalypse!
Das ist ungleich motivierender und hilft auch, den Fokus auf das Ziel zu richten und nicht auf den Weg! Dann sind wir nämlich bei Hindernissen auf einem Weg auch in der Lage, andere Wege zu dem Ziel zu finden und zu wechseln.
Und die Geschichte dazu, die ist so richtig skoutzig.
In diesem Sinne!