Aus für die LLC! Beginnt jetzt das Messesterben?
Eine schlimme Nachricht hat uns in der Skoutz-Redaktion aufgeschreckt:
Diese Woche hat sich das Team der LoveLetter Convention* sich schweren Herzens dazu entschlossen, dass es diese Veranstaltung künftig nicht mehr geben wird. Dass ihnen diese Entscheidung wahrlich nicht leicht gefallen ist, spürt man beim Lesen des bewegenden Beitrags auf ihrer Homepage, mit dem sie sich von ihrem Publikum und den Verlagen und Autoren verabschieden.
„Eine Planung die nächsten Jahre ist wegen der Corona-Pandemie unmöglich geworden, da niemand weiß, wie es weitergehen wird.“
Wahre Worte, die gerade mit einem Blick auf andere Veranstaltungen und deren Organisatoren, bei so Manchem böse Vorahnungen wecken. Denn eines ist sicher – das wird nicht die letzte Veranstaltung sein, auf die wir künftig (oder jedenfalls auf absehbare Zeit verzichten müssen). Beginnt jetzt das große Messesterben?
Schon am 29. Januar diesen Jahres sagte die Leipziger Buchmesse* ihren diesjährigen Termin mit Bedauern ab und so war es wohl nur eine Frage der Zeit, wann das erste Organisationsteam einer der kleineren Messen das Handtuch werfen wird.
Wir bei Skoutz fragen uns deshalb, welche Buchmessen neben der Loveleter Convention in diesem Jahr wohl noch abgesagt werden und ob wie viele sich aufgrund der derzeitigen misslichen Lage dann auch gleich ganz verabschieden müssen.
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Der Anfang vom Ende?
Die Loveletter Convention wurde eingestellt, die LBM wurde abgesagt, die FBM zögert … und uns wird schlecht. Natürlich ist es verständlich, dass Organisationsteams in diesen coronautischen Zeiten mit ihren Nerven, ihren Kräften, ihren Ressourcen und auch ihrer Zuversicht am Ende sind. Kaffeesatzlesen ist verlässlicher als Prognosen für den Sommer.
Das ist bei Events mit enormen Vorlauf und Planungsbedarf eine Katastrophe. Da gehen ja nicht nur bei den Organisatoren sondern auch den aktiven Teilnehmern nicht nur viele Arbeitsstunden drauf, sondern auch sehr viel Geld. Das wird alles durch die erforderlichen Hygienekonzepte nicht einfacher, damit die Messe nicht zu lasten der Gesundheit geht. Denn ohne uns Leser macht keine Buchmesse Sinn.
Das wirft aber die nächste Frage auf: Würden genügend Leser kommen? Das hängt nicht nur von der Erlaubnis durch die Behörden ab, sondern auch tatsächlich von der persönlichen Risikobereitschaft. Es ist mit dem Hygienekonzept auf der Messe allein nicht getan. Wer hat schon Lust mit einer FFP2-Maske stundelang durch halbleere Hallen zu schlendern, um aus sicherer Entfernung mit Autoren zu sprechen, deren Ausstellungsbücher man aus hygienischen Gründen besser nicht anfassen sollte. Und selbst wenn man das auf sich nimmt, der Sache und der Hoffnung wegen, dann bleiben die logistisch verschärften Anforderungen an Anreise, Übernachtung, Verpflegung etc.
Es ist verständlich, wenn angesichts dieser Unwägbarkeiten gerade kleinere, mehr aus ehrenamtlichen Engagement heraus ins Leben gerufene Veranstaltungen abgesagt werden. Die Loveletter Convention dürfte da das erste, sicherlich nicht das letzte Opfer des Messesterben gewesen sein.
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Was ist die Alternative?
Auch wenn das jeder versteht, nagt doch die Sorge: Muss das gleich so drastisch sein? Werden nun noch mehr Buchmessen ihre Pforten für immer schließen? Wie soll es weiter gehen? Finden sich gute Alternativen?
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Sind Online-Messen die Zukunft?
Wir haben letztes Jahr nach der sehr kurzfristigen Absage der LBM 2020 versucht, mit unseren Freunden von der FaKriRo eine Alternative gerade auch für die kleinen Anbieter ins Leben zu rufen, die Online-Buchmesse gibt es ja schon seit Jahren als Alternative für Sofatouristen und auch die FBM hat sich letztes Jahr mit einem Online-Konzept versucht.
Das Ergebnis war insgesamt eher mau. Zuhause setzt man sich nicht einen Tag an den PC und lässt sich wie beim Bingen der neuesten Staffel Netflix stundenlang von Messe-News berieseln.
Wir haben das sehr genau untersucht, waren viel unterwegs, haben uns aufmerksam angesehen, wie die verschiedenen Verlage und Autoren, die Vereine und die Buchwelt ganz allgemein, dieses Thema angepackt haben. Online-Lesungen, Livestreams auf Insta und Twitch, Discord-Workshops und Diskussionen auf Zoom, Meet & Greets als Facebook-Veranstaltungen.
Ja, an Ideen mangelte es nicht. Was also führt dazu, dass große Teile des Publikums zwar die Absage der Präsenz-Veranstaltung tränenreich beklagen, aber die Online-Angebote nur sehr punktuell (wenn überhaupt) wahrnehmen?
Ein Problem ist sicherlich, dass die eigentlichen Veranstaltungen auf sehr verschiedenen Plattformen stattfinden. In Umgebungen, die viele aus Datenschutzaspekten meiden, die sie nicht kennen und daher für einen Einmal-Besuch auch technisch abschrecken, die erst die Installation von Apps erfordern würden etc. Dazu kommen dann Link-Sammlungen auf die Homepages der Aussteller, die dann anders als auf einer Messe völlig verschieden sind und daher auch anstrengend zu besichtigen, was man ja jederzeit tun könnte (auch wenn man es dann nicht macht). Außerdem gibt es keine Messekekse.
Keine Kekse, keine Krümel
Messekeks ist ein wichtiges Stichwort! Messe ist halt mehr als Vortrag, mehr als Buchvorstellung, mehr als Workshop. Es ist die Größe, das Gefühl Teil eines (irren) Ganzen zu sein, eine bunte Jahrmarktswelt in ihrer ganzen lauten Vielfalt. Das sind die ungefilterten Reize, die von allen Seiten auf dich einstürmen. Die unverhofften Entdeckungen im großen Trubel. Die wertvollen Begegnungen. Das ist die Anreise in den endlosen Ameisenkolonnen, die überfüllten Lokale danach und eben auch Begegnung. Weil alle da sind und man an jeder Ecke ein bekanntes Gesicht trifft? Weil man auf der Messe auf ein paar Hektar problemlos Menschen trifft, für die man sonst mal mindestens durch die Republik, wenn nicht durch Europa reisen müsste. Um sich zu treffen. Jetzt und hier!
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Dezentrale Events
Wir hören öfter, dass man vielleicht dezentral Veranstaltungen bündeln könnte. Unterstellt, wir dürfen irgendwann wieder etwas freier wenigstens herumlaufen, könnte man auch statt den großen Messen, die schnell zu Superspreader-Events werden können, so doch dezentrale Angebote ins Leben rufen, um dem Messesterben zu begegnen.
- Regional verteilt: Ein Meet&Greet mit ein paar Autoren in Köln, einen Lesetag in München, einen Bloggerworkshop in Frankfurt, eine Buchparty in Hamburg und eine Neuheitenpräsentation nach Genres in Dresden. Alles an einem Tag, sodass jeder irgendwo hinkann und den Rest dann anschließend per Videostream nacherleben kann?
- Halb und halb: Eine Messe, die bewusst klein gehalten ist, um ein bisschen Livestimmung zu zaubern, aber daneben ein flankierendes Online-Konzept entwickelt hat? Messeamputation statt Messesterben, auch ein Ansatz.
- Virtuelle Messe: Was spricht dagegen wie bei einem Multiplayer-Spiel eine Messe zu machen? Vielleicht auf Second Live, das so eine Renaissance erfahren könnte? Da hätte man alles wie auf einer Messe außer den Viren. Doch auch diesbezügliche Vorstöße sind schwierig. Wir haben das (allerdings vor Corona) mit einer Skoutz-Award-Veranstaltung ausprobiert.
- Online: Das ist sicherlich zukunftsträchtig. Aber da fehlt das bislang überzeugende Konzept. Etwas, das technisch einfach ist, das die Vielfalt der Buchwelt so kompakt wiedergibt wie es eine Präsenzmesse kann. Die Begegnungen erlaubt und das Gemeinschaftsgefühl beschwört.
Wir müssen reden!
Ihr seht, die Lage ist ernst! Wir würden so gerne Entwarnung geben, aber wir können es nicht. Wir hoffen, dass die ganzen kleinen Messen und Cons sich dem Messesterben widersetzen, dass die Leute hinter BuCon, Hombuch, SaarCon und Co. nicht aufgeben und unterstützen gerne wo wir können.
Doch was würde funktionieren? Was fällt euch ein? Welche Angebote würden euch reizen? Was geht nicht? Warum?
Lasst uns doch darüber diskutieren und sehen, ob es nicht doch Möglichkeiten gibt, trotz Corona das Messesterben zu verhindern! Wir versprechen euch, all eure Ideen, die uns – auf welchen Wegen auch immer erreichen – nach Kräften zu verbreiten!