Zu Besuch bei Svea Lundberg
Heute sind der Skoutz-Kauz und ich unterwegs um die Autorin Svea Lundberg zu treffen.
Mit ihrem Titel „Camembert mit Puderzucker“ wurde sie auf die Midlist Romance von Karin Koenicke gewählt. Mittlerweile sind die Shortlists veröffentlicht und ihr Titel hat es sich auf der Shortlist Romance bequem gemacht. Es ist unser erster Besuch bei Svea und wir freuen uns beide sehr, dass es heute mit dem Termin geklappt hat. Jetzt müssen wir nur noch die Adresse finden, aber zum Glück kann der Skoutzi ja aus der Luft den Überblick behalten. Und sind jetzt sind wir auch schon angekommen, Svea winkt uns da vorne zu.
Zu Besuch bei Svea Lundberg, die Vielfalt in der Liebe liebt
Hallo liebe Svea, schön dass wir dich heute persönlich kennenlernen dürfen und du dir für uns Zeit genommen hast. Wir freuen uns schon auf ein schönes Gespräch mit dir und schau mal, der Skoutz-Kauz, ist schon unterwegs, um sich bei dir umzuschauen …
Wo sitzen wir denn, also wo willst du uns empfangen?
Na, dann kommt mal mit mir, ich zeige euch meinen Lieblingsplatz im Garten unter dem Walnussbaum. Umgeben sind wir hier von naturbelassener Wiese, Hochbeeten und einem Gewächshaus.
Schön sieht es hier aus! Gefällt mir sehr gut.
Hinter uns auf der angrenzenden Weide grasen Schottische Hochlandrinder und meine Boxer-Rottweiler-Hündin liegt dösend neben meinem Liegestuhl. Ich würde ja nun behaupten, dass ich immer so idyllisch arbeite, aber das hier ist viel eher mein Inspirationsplatz. Geschrieben wird meist klassisch in meinem Büro.
Na ja, aber du könntest wenn du wolltest … wobei, ich käme an einem so idyllischen Ort gar nicht in Arbeitslaune. Aber was steht da auf dem Tisch?
Hier habe ich für euch Ingwertee und Streuselkuchen vorbereitet, greift zu.
Perfekt, ich liebe Streuselkuchen und Ingwertee ist auch wirklich sehr lecker. Aber bevor ich jetzt wie befürchtet meine Arbeitslaune verliere, lass uns zu meinen Fragen kommen:
Nach welchem Motto lebst du? Und wirkt sich das auch auf dein Schreiben aus?
Um ehrlich zu sein, ich habe kein Lebensmotto.
Man muss ja auch kein Motto haben, finde ich. Aber woran orientierst du dich dann beim Schreiben?
Beim Schreiben (und veröffentlichen) ist es mir einfach wichtig, obwohl ich mittlerweile Vollzeit vom Schreiben lebe und das durchaus Druck und Stress mit sich bringen kann, niemals den Spaß und die Leidenschaft zu verlieren.
Ja, das ist ganz wichtig. Ich kann das nicht wirklich nachvollziehen beim Schreiben, aber beim Bloggen geht es mir ähnlich. Ich denke, gerade wenn man vom Schreiben lebt, also daraus folgernd auch schreiben muss, ist es umso wichtiger, den Spaß zu behalten. Wie machst du das?
Für mich heißt das, mir immer wieder bewusste Auszeiten zu nehmen. Auch, um das, was ich bislang geschafft habe, mit ein wenig Abstand zu betrachten und den Raum zu haben, mich weiterzuentwickeln.
Das mit der Weiterentwicklung ist sicher auch wichtig. Das ist ein spannender Gedanke, gerade, wenn du das kontrolliert und bewusst machst. Darüber würde ich mich gerne nochmal intensiver mit dir unterhalten. Das ist ein Aspekt des Schreibens, der meiner Meinung nach zu wenig beachtet wird.
Was ist dein erster Gedanke, wenn ich dich frage, was du GAR NICHT magst?
Rosenkohl und weißen Spargel (grünen hingegen liebe ich).
Als Kind mochte ich auch beides nicht, mittlerweile liebe ich Rosenkohl und weißen Spargel sehr. Und jenseits der Küche?
Menschen, die nicht zu ihrem Wort stehen oder immer nur auf den eigenen Vorteil aus sind.
Da werden dir wenige Menschen widersprechen. Wie steht es mit literarischen No-Gos?
Inhaltlich gesehen sämtliche Arten der Romantisierung von Übergriffigkeit, und auf stilistischer Ebene wörtliche Rede, die nicht durch ein lautliches Verb ein- oder ausgeleitet wird. Also so etwas wie: „Bla bla“, grinste er. Da stellen sich mir wirklich die Haare zu Berge.
Diesen oft unter Dark Romance bemäntelten Trend finden wir auch sehr besorgniserregend, auch – oder gerade – weil viele Leserinnen, sich daran gar nicht stören, aber das ist auch wieder ein abendfüllendes Thema. Inzwischen ist die toxische Beziehung ja schon fast zum Klischee erstarkt.
Als Klischee wird man nicht geboren, sondern muss sich den Titel erarbeiten. Klischees sind so praktisch wie lästig. Wie gehst du persönlich mit ihnen um? Beim Schreiben wie im Leben?
Grundsätzlich würde ich auch sagen, dass an vielen (nicht allen) Klischees etwas Wahres dran ist, ich halte sie also nicht per se für schlecht.
Nein, ich auch nicht. Sie sind halt statistische Werte, Erwartungen. Und da geht es ihnen, wie allen Statistiken: Wenn ein Jäger links einen Meter am Hasen vorbeischießt und der andere einen Meter rechts, haben statistisch beide getroffen und der Hase sein Happyend.
Nichtsdestotrotz finde ich es wichtig, mit Klischees – in Büchern und im „echten Leben“ – sorgsam umzugehen.
Was erwartest du da?
„Jedes Wiedererzählen verstärkt die Botschaft“ – indem man also Klischees und Vorurteile immer wieder in Büchern (unreflektiert) reproduziert, werden sie immer mehr als „allgemeingültig“ wahrgenommen.
Da wären wir wieder bei der salonfähig gewordenen toxischen Beziehung. Was ist dann jetzt dein professioneller Rat?
Daher versuche ich Klischees nicht komplett zu vermeiden (eben weil sie oft nicht von ungefähr kommen), sondern sie als solche kenntlich zu machen. Ich nutze sie also durchaus, gebe mir aber Mühe, es nicht „platt“ wirken zu lassen.
Das ist vermutlich auch der ehrlichste und reflektierteste Umgang mit ihnen. Ich mag beispielsweise gerne Bücher, wo mit Klischees gespielt wird und dadurch meine Erwartungshaltung auch gefordert und in Frage gestellt wird. So kann es ja passieren, dass man beim Lesen erst merkt, dass man an bestimmte Attribute bestimmte Erwartungen knüpft, die nicht notwendig stimmen. Und wo wir bei Erwartungen sind, passt die nächste Frage gut:
In welchen Genres schreibst du? Hast du dich bewusst dafür entschieden oder hast du nachher überlegt, wie du deine Geschichte einordnest?
Ich schreibe unter meinem Realnamen Julia Fränkle im Genre Fantasy, von düster bis romantisch. Mein Hauptaugenmerkt liegt aber auch auf meinem (offenen) Pseudonym Svea Lundberg. Als Svea schreibe ich Romance, vermische diese aber gern mit Thrill- oder Crime-Elementen, mit einer Prise Erotik oder auch mal ganz „sweet & soft“, so wie in „Camembert mit Puderzucker“, welches es auf die Skoutz-Midlist geschafft hat.
Klingt fantastisch und ich habe aus beiden Genre schon Geschichten von dir gelesen. Gerade bei Liebesromanen finde ich es toll, wenn da noch mehr an Handlung geboten wird. Ob das jetzt eine Krimi-Geschichte, ein bisschen Fantastik oder eben eine gute Prise Humor sind, ist mir alles recht.
Ich möchte mich auch innerhalb der vielen Facetten von Liebesromanen nicht festlegen, sondern vielfältig bleiben. Die Protagonisten und Protagonistinnen in meinen Romanen sind nicht immer, aber oft LGBTQ*-Figuren, wobei die Liebe zwischen Männern überwiegt. An der Stelle muss ich erwähnen, dass ich meine Bücher zwar mitunter als „Gay Romance“ vermarkte, ich diesen Genrebegriff aber aus verschiedenen Gründen für problematisch halte.
Das verstehen wir gut. Wir haben bei Skoutz in unserer Kategorisierung innerhalb der Liebesromane auch lange mit dem Begriff gehadert. Wir finden, dass Liebe immer Liebe ist, völlig egal, in welcher Kombination sie Menschen finden, und deshalb das keines eigenen Subgenres bedarf. Aber wie du sagst – diese Geschichten werden von vielen Menschen unter diesem Begriff gesucht – und wir wollen ja, dass Bücher gefunden werden, also beugen wir uns der Konvention. War das bei dir eine bewusste Entscheidung für die Liebe?
Ehrlicherweise bin ich in dieses aktuelle Haupt-Genre ein wenig hineingerutscht. Meine schriftstellerischen Wurzeln liegen in der Fantasy, wobei auch meine frühesten Werke im Jugendalter schon immer einen diversen Figuren-Cast und eine Lovestory hatten. Während meines Studiums wollte ich mich an ein Skript wagen, das „im echten Leben“ spielt. Mein Protagonist Jannis, ein Polizist, und die grobe Storyline mit Krimianteil waren schnell gefunden, aber ich habe tagelang über einem möglichen Romance-Plot gegrübelt. Jede Frau, die ich meinem Prota als Love Interest vorgestellt habe, hat sich so was von falsch angefühlt, bis es mir irgendwann wie Schuppen von den Augen gefallen ist: Jannis will einen Felix!
Ha! Das ist auch so ein Fall von Buchmagie! Wenn eine Figur ihrem Autor ganz selbstbewusst sagt, wie sie es haben will und die Geschichte dann eben auch nur so und nicht anders funktioniert. Ich finde das großartig. Und wie ging es dann mit Jannis und Felix weiter?
So ist in vielen Monaten Arbeit und mit der Hilfe von Sensitivity Readern mein Debütroman „Kristallschnee“ entstanden, der Anfang 2016 beim dead soft Verlag erschienen ist.
Und dann? (*während ich mir noch einen Schluck Ingewertee einverleibe*)
Danach bin ich erst mal in diesem Genre geblieben und mittlerweile sind so über dreißig Veröffentlichungen entstanden. Ich liebe diese Art der Romane noch immer, möchte aber zukünftig noch vielfältiger schreiben – und auch wieder mehr im Fantasybereich.
Das klingt toll! Lass uns bitte unbedingt wissen, wenn du was neues hast. Wir stellen sehr gerne die neuesten Abenteuer „unserer“ Skoutz-Autoren vor. Für euch und natürlich auch für unsere Skoutze, die alle nach frischer Lektüre lechzen (*ist etwas schwierig auszusprechen, wenn man den Mund voll mit Streuselkuchen hat*).
Von wem kommt deine strengste Kritik? Und wie gehst du mit ihr um?
Das kann ich gar nicht auf einzelne Personen festlegen.
Musst du nicht …
Ich habe einen Pool aus Testlesern und Testleserinnen und Lektoren und Lektorinnen, die meine Manuskripte liebevoll zerpflücken. Außerdem suche ich mir bei sensiblen Themen auch gern Unterstützung von Experten und Expertinnen oder Menschen, die das, was ich im Roman schildere, bereits selbst erlebt haben. Diese Rückmeldungen sind natürlich super hilfreich und wichtig.
Ja. Das glaube ich sofort. Ich finde dieses Sensitivity Reading etwas negativ belastet, aber im Vorfeld sauber zu recherchieren und dann eben auch an kritischen oder wichtigen Passagen mit praxiserworbener Expertise zu arbeiten, ist für mich Bestandteil guten Schreibens. Man kann ja unmöglich alles wissen.
Aber auch Kritik von Lesern kann wertvoll sein. Natürlich bin ich mir darüber bewusst, dass ich es niemals allen werde recht machen können – und das möchte ich auch nicht.
Nein, man kann es nie allen Recht machen das ist wahr. Das ist auch die Wurzel meines „Sensitivity-Unbehagens“. Nicht, dass man Betroffene um ihre erfahrungsbasierte Einschätzung bitten soll, sondern dass gefordert wird, bestimmte Themen nur noch nach Freigabe ansprechen zu dürfen, als könne man da mit einer Checkliste arbeiten. Bei uns in der Skoutz-Redaktion haben wir etwa verschiedene Mitglieder mit Krebsgeschichte. Die gehen, obwohl alle im Grundsatz kämpferisch und positiv sind, trotzdem so völlig unterschiedlich damit um, dass deren Rat an einen Autor in jedem Fall sehr unterschiedlich ausfallen würde, ohne dass einer von ihnen falsch sein kann.
Erfahrungen und Empfindungen sind super individuell, es gibt nicht DIE EINE Erfahrung. Dementsprechend wird man mit einem Buch nie alle Leser und Leserinnen abholen können und es wird immer Themen geben, bei denen die Meinungen und Erfahrungen Einzelner so weit auseinandergehen, dass Leser A sich super repräsentiert fühlt, Leser B aber keinesfalls. Das ist jedoch etwas, womit man als Autorin rechnen muss, und das finde ich auch vollkommen in Ordnung.
Das ist ein wichtiger Punkt, auf den ich nachher auch nochmal zurückkomme. Aber wir waren bei Kritik. Wie schreibst du, damit du zufrieden mit dir und vor allem deinem aktuellen Text bist?
Ich versuche einfach, Bücher so zu schreiben, dass ich ein gutes Gefühl damit habe, und hoffe, dass das dann auch die Leser und Leserinnen empfinden. Gelingt mir das immer? Natürlich nicht! Und die Kritik kann dann mitunter sehr wehtun – auch gerade wenn sie berechtigt ist. Ich versuche dann, mich erst mal zurückzuziehen und die Kritik sacken zu lassen, bis ich mich in der Lage fühle, angemessen zu reagieren und mir zu überlegen, ob und wie ich diese Kritik für kommende Romane berücksichtige.
Ich kann mir das schon vorstellen, dass es nicht einfach ist, Kritik zu ertragen. Aber wenn sie dazu führt, das deine zukünftige Geschichten noch besser werden, dann hast du da ja etwas herausgezogen.
Ein Sprichwort sagt „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.“ – Wie findest Du diesen Satz?
Ich finde, es ist schon etwas Wahres dran.
Ja, oder? Wir finden es total schön und passend. Ich mag den immer gern, speziell wenn ich beim Fragen in einem Autorengarten sitze.
Wenn ich so an unseren eigenen Garten denke, kann man dort immer wieder neue Dinge entdecken. Der Garten sieht jedes Jahr ein wenig anders aus, obwohl man dasselbe darin pflanzt – so ähneln sich auch Storylines und doch ist jede (hoffentlich!) individuell und vom Schreibenden geprägt. Eine vielfältige Auswahl schriftstellerischer Pflänzchen sozusagen.
Ha! An einem guten Sprichwort hat man immer wieder neue Facetten. Diesen Saatgut-Gedanken hatten wir so jetzt nämlich noch nicht, und damit passt das ja auch supergut zu deiner Aussage. Auch wenn alle ihre Suppe mit Wasser und Salz kochen, schmeckt sie dann doch sehr verschieden. Jetzt sind wir ja schon bei Büchern …
Mit welchem Buch wurde deine Liebe zu Büchern geweckt?
Meine Liebe zu Büchern ist weniger durch bestimmte Bücher entstanden als vielmehr durch meinen Vater geprägt worden.
Finde ich gut, meine Eltern haben früher auch sehr gerne und viel gelesen. Ein Familienerbe quasi. Wie war das bei euch?
Mein Vater war ein sehr belesener Mann, der sich von Abenteuerroman über Biografien bis hin zu Fachliteratur für vieles begeistern konnte. Dementsprechend hat er mir, seit ich denken kann, auch immer viel vorgelesen und das auch querbeet. Und manchmal haben wir diese Geschichten, wenn uns beispielsweise das Ende nicht gefallen hat, zusammen weitergesponnen. Was dann so weit ging, dass ich ihm irgendwann Ende der Grundschulzeit mein erstes eigenes „Buch“ von drei DIN-A4 Seiten unter die Nase gehalten habe.
Ha, Ha Perfekt!
Bücher, die meine Kinder- und Jugendzeit mit geprägt haben, sind sämtliche Elfen-Romane von Bernhard Hennen.
Das wird ihn sicher freuen!
Dann die Reihe „Blitz, der schwarze Hengst“ von Walter Farley, „Bitterschokolade“ von Mirjam Pressler, Max von der Grüns „Vorstadtkrokodile“ und – das muss ich zugeben – die Romane von Karl May, auch wenn ich die heute (losgelöst von ihrem zeitgenössischen Kontext) kritisch sehe. Oh, und nicht zu vergessen „Pettersson und Findus“ von Sven Nordqvist.
Karl May ist im Augenblick ein so überreiztes Thema, dass es schwierig ist, sich da sachlich auszutauschen. Bei einem so umfangreichen Werk sind eben auch sehr viele, und natürlich nicht immer optimal gelöste Ansätze enthalten. Das wäre auch mal ein schöner Beitrag – Karl May genau betrachtet. Wir melden uns dann. Aber bei dieser enormen Auswahl hast du gewiss ein wohlsortiertes Buchregal… oder mehrere.
Wie sortierst du deine Buch-Regale?
Nach Genre und dann nach Autor / Autorin, mit eher wenig Deko, aber ein paar Buchkerzen und schöne Lesezeichen oder Postkarten müssen schon sein.
Wunderbar, wenn ich das bei meinen Regalen nur hinbekommen würde.
Aber nochmal zurück zu den Themen, die man in einem Buch bearbeitet und ihrer Akzeptanz.
Die gesellschaftliche Diskussion über das, was man in der Kunst tun und lassen darf, ist zur Zeit sehr hitzig. Wie stehst du dem gegenüber und wie beeinflusst das deine eigene Arbeit?
Grundsätzlich würde ich sagen, dass Kunst und demnach auch Literatur inhaltlich erst mal (fast!) alles darf. Aber ich sehe uns Autoren und Autorinnen durchaus in einer gewissen Verantwortung, die Sprache, die wir verwenden, und die Inhalte, die wir vermitteln, immer wieder zu hinterfragen.
Das trifft es auch für mich. Lichtenberg hat schon sehr schön erläutert, dass man Freiheit mit Verantwortung bezahlt. Wie hältst du es mit deinen Werken?
Am Ende ist es unsere freie Entscheidung, was wir wie beschreiben, und auch problematische Inhalte können ihre Berechtigung haben. Aber es sollte dann eben auch ein gewisser reflektierter Prozess vorangegangen sein, und nicht einfach etwas „hingerotzt“ werden, „weil man das eben immer schon so gesagt hat“. Sprache und Literatur haben sich von jeher verändert und dementsprechend sollten wir einer Weiterentwicklung offen gegenüberstehen. Auch, wenn das bedeutet, sich ab und an von eigenen Vorstellungen zu lösen und Kritik anzunehmen, auch wenn sie wehtut.
Das stimmt schon, da hast du Recht. Aber mich erschreckt da oft der missionarische Eifer, mit dem an sich gute Ideen verfolgt werden und – oft ja auch durchaus berechtigte – Bedenken einfach niedergebrüllt werden.
Ich bin auch kein Freund der „Holzhammermethode“ und davon, Veränderungen zu erzwingen. Daher würde ich mir an vielen Stellen mehr Diskussionen auf Augenhöhe wünschen, bei denen alle (!) Beteiligten an einer Lösung interessiert sind.
Wohl wahr. Die Diskussionen sind momentan so extrem hitzig, jeder beharrt auf seinem Standpunkt und man hört sich nicht mehr richtig zu, habe ich den Eindruck. Im Gegenteil, jede abweichende, noch nicht mal notwendig gegensätzliche Meinung in einem Punkt, disqualifiziert oft schon den ganzen Menschen. Ich würde mir da mehr Gelassenheit und auch Kompromissbereitschaft wünschen.
Und ich finde auch, dass kleine Dinge oft mehr bewirken können, als man denkt. Ein Buch muss nicht von vorne bis hinten absolut politisch korrekt sein. Vor allem nicht, wenn es wie ein erhobener Zeigefinger daherkommt, denn da verlieren Leser, vermute ich, eher die Lust und nehmen gar nichts mit. Ich denke eher, dass die kleinen Aha-Momente, die man wie nebenbei vermittelt, viel eher zu einem Umdenken anregen können.
Mein Aha-Erlebnis war da tatsächlich Huckleberry Finn von Mark Twain. Da ist Huck als Kind seiner Zeit am Anfang völlig unkritisch ein Rassist, der Jim, seinen schwarzen Begleiter höchst herablassend behandelt, aber mit ihm zusammen habe ich dann im Verlauf des Buchs gesehen, wie Jim zur Vaterfigur wurde, zu einer moralischen Instanz, zu der man aufschaut. Das hat mich sehr geprägt und eben auch meine Überzeugung, dass Menschen nur nach ihrem Verhalten aber nicht nach ihrem Aussehen unterschieden werden sollten.
Aber von solchen Ansätzen sind wir gerade leider ziemlich weit entfernt. Im Gegenteil, wir kategorisieren mehr denn je. Da wundert man sich gar nicht, wenn man gelegentlich hört, Computer seien die besseren Menschen. Und schon sind wir bei der nächsten Frage.
Chat GPT und andere KI-Apps sind gerade in aller Munde. Was hältst du davon, dass KI Geschichten, ja ganze Bücher alleine verfassen kann? Sind das für dich überhaupt richtige Werke?
Kurze Antwort: problematisch!
Ja genau, jetzt bin ich auf deine lange Antwort gespannt.
Lange Antwort: Grundsätzlich spricht erst mal nichts gegen technischen Fortschritt und ich kann mir schon vorstellen, dass KI auch für den Buchmarkt interessante Neuerungen und Hilfestellungen bringen kann.
Klingt nach einem fetten aber…
Allerdings geht für mich persönlich dabei der Prozess des Schreibens an sich nahezu komplett verloren und damit genau das, was ich an meinem Beruf liebe: Geschichten selbst zu spinnen und darin Wort für Wort einzutauchen. Diesen Prozess einer KI überlassen? Nein, danke!
Du sagst es, irgendwie hat das ja nichts Kreatives mehr. Ich hätte auch Bedenken, dass diese Wortverliebtheit – schon weil sie emotional und kontrolliert unlogisch ist – technisch nicht umsetzbar ist. Eine Kuh macht Muh, viele Kühe machen Mühe – wenn ich so über deinen Gartenzaun schaue – das kann man nicht nach statistischen Werten „schaffen“. Da braucht es schöpferische Kraft.
Zudem kommen – sowohl in Bezug auf Texte, aber auch Bilder – massive Urheberrechtsprobleme hinzu, für die es – zumindest aktuell – in meinen Augen keine zufriedenstellenden Lösungen gibt.
Stimmt, die sind noch gar nicht geklärt. Das diskutieren wir auch in der Redaktion gerade sehr kritisch. Speziell, weil sich viele KI-Verwender gar nicht dessen bewusst sind, dass sie sich juristisch durch die Verwendung dieser Angebote jedenfalls im professionellen Bereich höchst angreifbar machen.
Dementsprechend sehe ich das Thema KI durchaus kritisch, bin aber auch nicht der Typ, der jetzt in Panik verfällt und den Beruf „Autor aus Leidenschaft“ aussterben sieht.
Nein, das sehe ich auch überhaupt nicht so. Dafür sind wir auch zu optimistisch.
Liebe Svea, es hat uns superviel Spaß gemacht und wir haben ja auch schon ein paar sehr spannende Themen für Folgetermine notiert. Auch, weil wir deinen Streuselkuchen megaaaaa finden! Aber eines wollen wir jetzt heute noch wissen:
Welche Frage sollen wir dir nächstes Jahr im Interview stellen?
Vielen Dank, dass ich mit euch sprechen durfte! 😊 Sollten wir uns noch einmal zu einem Interview treffen, würde ich mit euch sehr gern über meinen persönlichen Bezug zu meinen Büchern und den Themen, die ich darin verarbeite, sprechen. Oder vielleicht auch über den riesigen Themenkomplex „Verlag vs. Self-Publishing“, denn als sog. „Hybridautorin“ beschäftige ich mich mit dieser Frage quasi andauernd.
Oh, das finde ich spannend und darüber würde ich sehr gerne mit dir sprechen. Aber für heute haben wir unser Gespräch fertig, mehr Fragen habe ich im Moment nicht. Ich möchte mich ganz herzlich bei dir bedanken für deine Zeit und dass wir dich besuchen durften. Und für den weiteren Wettbewerb wünschen wir dir viel Erfolg!
Hier gibt es mehr über Svea Lundberg:
Skoutz Lesetipp:
Deutschland, München, 1955:
In einem Jazzkeller trifft der junge Pianist Maxim auf den Kriegsveteranen Rudolf. Die Liebe zur Musik verbindet die beiden ungleichen Männer. Schließlich vertraut Rudolf Maxim eine Geschichte an, die er bislang niemandem erzählt hat und die auch Maxim dazu bringt, seine eigene verbotene Liebe in neuem Licht zu betrachten.
Frankreich, Verdun, 1916:
Gefangen zwischen den Fronten, inmitten des Trommelfeuers, trifft Rudolf auf einen französischen Soldaten. Endlich bekommt das Grauen ein Gesicht. Doch in diesem spiegelt sich keinerlei Hass, sondern etwas zutiefst Menschliches. Etwas, das Rudolf erschreckend vertraut erscheint.
In den wenigen gemeinsamen Stunden in einem zerschossenen Graben sind Rudolf und Jacques sich mit einem Mal näher, als sie es sein dürften. Bis sich ein Gedanke nicht mehr beiseiteschieben lässt: Könnten sie jemals Feinde sein?
Skoutz meint: Hach, was für ein Buch! So fangen meine Rezensionen nicht oft an, aber dieses hat einfach alles, was ich mir von einer guten Geschichte wünsche! Große Gefühle, viel Drama, Informatives (hier zum ersten Weltkrieg) und über eine Zeit als Homosexualität noch wirklich verboten war, tolle Figuren mit ihren unverwechselbaren Persönlichkeiten, poetische Momente – Liebe im Schützengraben glaubhaft dargestellt – und viel zum Nachdenken. Ich schreibe gar nicht mehr dazu. Ich bitte euch, das Buch zu lesen (kf)
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