Skoutz-Jahresendspurt 2017 – achtes Türchen von Mariella Heyd

Unser achtes Türchen wird heute von der zauberhaften Mariella Heyd geöffnet. Die junge Romance- und Fantasy-Autorin, die in diesem Jahr in Leipzig mit dem Indie Autor Preis ausgezeichnet wurde, lebt und studiert nahe der französischen Grenze. Schön früh hat sie den Wunsch in sich gespürt, ihre Ideen auf Papier zu bannen. 2016 erfüllte sich dann mit ihrem Debütroman „Elfenfehde“ dieser Traum endlich.

Für unser achtes Türchen hat sich Mariella Heyd etwas ganz Exklusives ausgedacht. Sie wird uns ins tiefe 19. Jahrhundert – nach Czarny Kruku – entführen. Ihr Wintermärchen „Die Braut des blauen Raben“ spielt dort und sie wird uns verraten, wie die Bewohner dieses außergewöhnlichen polnischen Dorfes Weihnachten erleben. Wir wünschen euch ganz viel Spaß.

 

Weihnachten & Neujahr in Czarny Kruku – Polen, 1840

 

Bevor die Russen kamen, alles an sich rissen und das Übrige zerstörten, feierte man Weihnachten in Czarny Kruku im Kreise der Familie bei Fleisch, Brot, Wein und Käse. Manche zelebrierten Weihnachten nach dem christlichen Sinn, andere feierten einfach das gemütliche Beisammensein mit den Liebsten. Keiner hegte Unmut gegen den Glauben des anderen; denn Jahrzehnte zuvor hatten die Bewohner ihre alte Heimat zusammen mit Ignacy Woźniak verlassen, um dem dortigen Elend zu entfliehen und woanders eine sichere Zukunft zu finden.

Nach einem langen Fußmarsch über kalte Tage und frostige Nächste hinweg, strandeten sie in einem Tal weit hinter Gdansk-Krakow. Dem Ort, der ihre Bleibe werden sollte. Noch Jahre später erzählte man sich von der Wanderung, die sie bei den Bedingungen eigentlich hätte Kopf und Kragen kosten müssen. Ein jeder schwor, er habe während der Reise Gebete gesandt, Opfer gebracht oder einfach nur gehofft, es zu überleben.

Niemand konnte genau sagen, was es war, dass das Überleben des Völkchens gesichert hatte. Sicher war nur: Eines der Rituale oder Gebete musste es gewesen sein, weshalb es niemand wagte, den Glauben des jeweils anderen infrage zu stellen. So schallten zur Weihnachtszeit christliche Lieder, heidnische Gesänge oder auch einfach nur trunkenes Gelächter durch die Türschlitze, wenn man daran vorbeilief. Jahre später, sollte das alles vorbei sein …

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Überall auf der Welt herrschte kurz vor Weihnachten Trubel und Heiterkeit – außer in Czarny Kruku. Das kleine Dorf verzichtete schon seit Jahren auf diese Feierlichkeit, denn ein jeder war sich einig: Wenn ein Dorf derart von Unheil und Hexerei gezeichnet worden war, feierte man kein Weihnachtsfest, verehrte man keinen Gott und verschrieb sich keiner Religion.

Wo war er auch, dieser Gott, der seit Jahren und Jahrzehnten das rabennestkleine Örtchen im Herzen Polens übersah? Stattdessen zelebrierte man lieber das Ende eines weiteren Jahres und das Ende eines kalten Winters. Bei einem großen Lagerfeuer, heißem Wein und alten Geschichten gedachte man außerdem den Verstorbenen des sich neigenden Jahres.

Auch das Jahr 1840 war wie das vorherige nicht ganz ohne Leid und Trauer an den Bewohnern vorübergezogen.

Wenn alle trunken vom Wein und mit schweren Gliedern in der Kohle des Feuers herumstocherten, war es an der Zeit, die bösen Geister des alten Jahres zu vertreiben. Hierzu zog man von Haus zu Haus und führte ein Reinigungsritual durch. Die Wahrsagerin Manteia betrat jede einzelne Unterkunft und räucherte sie mit getrockneten Lavendelsträußen aus. Im Anschluss an die spirituelle Reinigung verblieben die jeweiligen Hausherrn in ihren Stuben. Vor dem Schlafengehen stellte man noch ein Glas Wein vor die Haustür und legte eine Scheibe Brot hinzu. Daran sollten sich die vertriebenen Geister während ihrer Reise ins Jenseits laben, damit sie nicht voller Groll zurückkehrten.

Am Morgen des 1. Januar fand sich dann ein jeder vor Manteias bescheidener Hütte ein. In der linken Hand hielt man für gewöhnlich ein Stück Katzengold als Dank für das Reinigungsritual. In der rechten Hand trug man einen Jutebeutel, gefüllt mit Steinen. Das Säckchen stand symbolisch für die Sünden des vergangenen Jahres, die man vergessen wollte. So kam es auch, dass manche wahrhaftig einen ganzen Kartoffelsack hinter sich her schleppten. Ein jeder trug sein Päckchen zu Manteias Haus, um seine Sünden loszuwerden. Denn wo Sünden waren, waren böse Geister nicht fern.

 

Was für ein wundervoller und informativer Beitrag, liebe Mariella Heyd! Es hat uns wirklich sehr viel Spaß gemacht.

Wenn ihr jetzt neugierig auf Czarny Kruku, seine ungewöhnlichen Bewohner und die Bedeutung des blauen Raben geworden seid, dann könnt ihr euch dieses spannende Wintermärchen hier holen. Wenn ihr mehr über die Autorin und ihre Geschichten erfahren wollt, könnt ihr sie auf ihrer Homepage und auch bei Facebook besuchen.

Wir würden uns freuen, wenn ihr auch morgen wieder mit dabei seid, wenn ein neuer Autor sein Türchen für euch öffnet …

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