Skoutz-Buchregal 105 – (Black) Life matters
Skoutz-Buchregal 105
Liebe Skoutze,
herzlich willkommen zum Skoutz-Buchregal 105, das ein ganz besonderes ist.
Wir versuchen in der Redaktion immer, einigermaßen aktuell mit dem zu sein, wovon wir euch berichten. Auch wenn Bücher wundervolle Orte sind, wohin man sich verkriechen kann, wenn die Welt da draußen nicht so ist, wie sie sein sollte, gehört zu einem echten Buchmenschen eben auch, dass er hinschaut, dass er neugierig und offen ist und sich Problemen stellt. Zumindest literarisch.
Daher ist in diesen traurigen Tagen, in denen vielfach immer noch Corona unser Leben auf den Kopf stellt, ein neues Ungeheuer ans Licht gezerrt worden, das da – oft unbemerkt – schon immer war. Eines, das noch immer und überall erschreckend mächtig ist.
Rassismus
Es bringt meines Erachtens wenig, sich auf Facebook über korrekte Formulierungen die Köpfe einzuschlagen, solange wir im Herzen eine Wertung treffen. Ich denke, wenn es um Farbe geht, ist schwarz, rot, grün nicht diskrimierend. Schwierig wird es, wenn es z.B. um Leistung geht und man meint, da auf Farbe hinweisen zu müssen … ganz gleich in welchem Kontext und mit welchen Worten. Daher ist auch der Ausruf „Black life matters“ schon latent rassistisch, denn er grenzt all die anderen Colorierungen aus, die auch diskrimiert werden.
Bitte einigen wir uns darauf: Life matters. Uneingeschränkt, immer und überall. Bunt ist unsere Lieblingsfarbe. Und Arschloch-Sein ist zu jeder Zeit eine individuelle Entscheidung.
In der Literatur
ist – traurig genug! – die Diskriminierung von Gruppen, sei sie nun nach Farbe, Geschlecht, Geburtsort, Glauben unterschieden, seit jeher ein Thema. Schon in Parzifal wurde der tumbe Bauernbursche ausgelacht, den seine Helicopter-Mutter listenreich mit allen gängigen Diskriminerungsklischees ausgestattet hatte, um ihn vor der prophezeiten Ritterkarriere zu schützen. Und das hat Wolfram von Eschenbach Anfang des 13. Jahrhunderts geschrieben. Und auch der brave Samariter aus der Bibel ist letztlich ein Lehrstück in Sachen Rassismus, wenngleich nicht nach der Hautfarbe.
Skoutz Buchregal 105 – Nein zu Rassismus!
Wir haben uns daher zusammengesetzt und eine lange Liste lesenswerter Bücher für das Skoutz-Buchregal 105 erstellt, die auf ganz unterschiedliche Weise Rassismus thematisieren. Wir haben an dieser Stelle bewusst auch Bücher gewählt, die an sich rassistisch sind, denn auch deren Lektüre hilft, das Problem zu verstehen. Und auch zu differenzieren, ob jede Formulierung, die überprotektiv als rassistisch oder diskrimierend empfunden wird, auch verboten oder zensiert gehört. Wichtiger aber ist, dass solche Bücher zeigen, dass man Rassismus nicht bekämpft, wenn man Worte verbietet, aber Verhalten duldet. Schnell war klar, dass die Liste viel zu lang für ein normales Buchregal wird. Deshalb wird daraus auch eine Skoutz-Classics-Liste. Eine Liste von Büchern, die sich mit Rassismus befassen, die ihn anprangen, befeuern oder aber auch in ihrer Buchwelt überwinden.
Ein paar besonders lesenswerte, aktuellere Bücher sind aber für dieses Skoutz-Buchregal 105.
The Hate you give – kluge Studie über modernen Rassismus von Angie Thomas
Die 16-jährige Starr lebt in zwei Welten: in dem verarmten Viertel, in dem sie wohnt, und in der Privatschule, an der sie fast die einzige Schwarze ist.
Als Starrs bester Freund Khalil vor ihren Augen von einem Polizisten erschossen wird, rückt sie ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Khalil war unbewaffnet. Bald wird landesweit über seinen Tod berichtet; viele stempeln Khalil als Gangmitglied ab, andere gehen in seinem Namen auf die Straße. Die Polizei und ein Drogenboss setzen Starr und ihre Familie unter Druck. Was geschah an jenem Abend wirklich? Die Einzige, die das beantworten kann, ist Starr. Doch ihre Antwort würde ihr Leben in Gefahr bringen…
Eines der Bücher, das schon deshalb verfilmt werden musste, weil seine Geschichte einem möglichst breiten Publikum erzählt werden muss. Angie Thomas schildert sehr, sehr spannend und mitreißend wie Rassisten und Rassismus-Gegner aufeinander losgehen und damit immer noch mehr Öl ins Feuer gießen. Ein Buch, das nicht nur Rassismus thematisiert, sondern sich auch kritisch mit möglichen Methoden der Bekämpfung befasst.
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Bus 57 – Justizthriller auf einer wahren Begebenheit von Dashka Slater
Der Bus der Linie 57 ist das einzige, was Sasha und Richard miteinander verbindet. Richard ist Afroamerikaner, geht auf eine öffentliche Schule und hat gerade einen längeren Aufenthalt in einer betreuten Wohngruppe für jugendliche Straftäter hinter sich. Sasha ist weiß, besucht eine Privatschule und identifiziert sich selbst als agender. Nur acht Minuten täglich verbringen Sasha und Richard gemeinsam im Bus 57. Bis zu dem Tag als Sasha den langen weißen Rock trägt und Richard ihn anzündet.
Akribisch recherchiert und mitreißend geschildert, stellt uns Dashka Slater eine Geschichte vor, die das Leben schrieb, trauriger, tragischer und anrührender als sie ein Autor ersinnen könnte.
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Die Nickel Boys – Drama aus der Zeit der 60er von Colson Whitehead
Florida, Anfang der sechziger Jahre. Der sechzehnjährige Elwood lebt mit seiner Großmutter im schwarzen Ghetto von Tallahassee und ist ein Bewunderer Martin Luther Kings. Als er einen Platz am College bekommt, scheint sein Traum von gesellschaftlicher Veränderung in Erfüllung zu gehen. Doch durch einen Zufall gerät er in ein gestohlenes Auto und wird ohne gerechtes Verfahren in die Besserungsanstalt Nickel Academy gesperrt. Dort werden die Jungen missbraucht, gepeinigt und ausgenutzt. Erneut bringt Whitehead den tief verwurzelten Rassismus und das nicht enden wollende Trauma der amerikanischen Geschichte zutage. Sein neuer Roman, der auf einer wahren Geschichte beruht, ist ein Schrei gegen die Ungerechtigkeit.
Gleichfalls ein Roman, der auf Tatsachen beruht, aber mit viel Gefühl auch die Zeit schildert, die einen Menschen wie Martin Luther King hervorgebracht hat, einfach weil er unbedingt gebraucht worden war. Ein Buch, das wirklich hilft, den speziellen amerikanischen Rassismus zu verstehen.
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Eine Farbe zwischen Liebe und Hass – verstörend ehrlicher Entwicklungsroman von Alexi Zentner
Seine Familie glaubt an die Überlegenheit der weißen Rasse, und damit scheint für den jungen Jessup alles entschieden. Doch nach der Rückkehr seines Stiefvaters aus dem Knast und einem tragischen Unfall muss er endlich selbst Antworten finden auf die Fragen: Was glauben, wem folgen, wen lieben?
Alexi Zentner hat einen Anschlag von Neonazis auf sein Elternhaus in Literatur verwandelt. Gegen Hass und Gewalt setzt er die Kraft des Erzählens. Gegen Hetze und Fanatismus die Fähigkeit, sich einzufühlen, in einen jungen Mann auf der anderen Seite … Eine Farbe zwischen Liebe und Hass ist ein augenöffnendes Familienporträt, ein packender Coming-of-Age-Roman, eine Geschichte über Loyalität, Zugehörigkeit und die Gefühle in den dunkelsten Ecken des heutigen Amerikas.
Schreiben zur Traumabewältigung. Ein verstörend ehrliches Buch, das sicherlich auf unserer Liste dasjenige ist, das uns Rassismus am nächsten bringen kann. Gerade für diejenigen, die hierzulande mit Rassismus viel diskreter, viel schleichender konfrontiert werden, als dies z.B. in Amerika der Fall ist.
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Die schwarze Madonna – Afro-deutscher Regiokrimi von Noah Sow
Die Hamburger Kaufhausdetektivin Fatou Fall fährt mit ihrer elfjährigen Tochter Yesim in die katholische Wallfahrtsstadt Altötting im tiefen Oberbayern.
Beim Besuch der örtlichen Kapelle werden sie Zeuginnen eines Vandalismus mit islamistischen Parolen. Im Regionalwahlkampf wird die Stimmung zunehmend angespannt und fremdenfeindlich, doch Fatou glaubt nicht daran, dass die Täter Fremde waren. Sie folgt ihrer Intuition und beschließt, den Vorfall aufzudecken. Mit Unterstützung der örtlichen Refugee-Gruppe ermittelt sie in mono- und multikulturellen Milieus und parteipolitischen Parallelgesellschaften – und ist der Lösung zum Greifen nahe, als ein weitaus schwereres Verbrechen geschieht.
Dieses Buch ist weit mehr als ein quotenfüllender Roman aus Deutschland für unser Skoutz-Buchregal 105. Man merkt beim Lesen, dass der Autor weiß, wovon er schreibt. Gerade die humorvolle Art, mit der er Alltagsrassismus und unterschwellige Ressentiments entlarvt, die hierzulande vorherrschen, entfaltet einen bleibenden Effekt. Und weil die Protagonistin und ihre Tochter so überaus liebenswert sind, nähert man sich ihnen völlig unabhängig von der Farbe gerne an. So soll es ja auch sein. Wir freuen uns schon auf eine Fortsetzung.
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Der Wassertänzer – Urban Fantasy aus dem 19. Jhdt. von Ta-Nehisi Coates
Bisher kannte Hiram Walker nichts als ein Leben in Ketten. Aufgewachsen in der Sklaverei, musste er als kleiner Junge miterleben, wie seine Mutter verkauft wurde und für immer verschwand. Doch sie hat ihm eine seltene Gabe vererbt. Als diese ihn vor dem Ertrinken rettet, beschließt er aus der Gefangenschaft zu fliehen.
Dies ist nicht irgendein Urban Fantasy-Buch bei dem sich der Held mit einer magischen Gabe aus einer grässlichen Situation retten kann. Der Wassertänzer hat deutlich mehr Tiefgang. Kein Wunder, wird die Geschichte doch einem der modernen Vordenker der Anti-Rassismusbewegung der USA erzählt.
Hiram ist auch als Sklave besonders, der Sohn des Plantagenbesitzers, was ihn doppelt zu einem Ausgestoßenen macht. Denn der Vater will ihn nicht und die Sklaven trauen ihm nicht. Die Schilderung der Zustände in Virginia kurz vor Ausbruch des Bürgerkriegs sind plastisch-drastisch, aber durch die wundervolle Sprache von Ta-Nehisi Coates nie zu derb. Der Weg, den Hiram auf seiner Suche nach Freiheit nimmt, ist auf jeder Seite spannend und eine Heldenreise der ganz, ganz besonderen Art.
Skoutz-Classics: Bücher über Rassismus und Diskriminierung
Das Skoutz-Buchregal 105 ist nicht groß genug, für all die Bücher, die zu diesem Thema lesenswert sind, und dabei stellen wir noch gar keine Sachbücher vor. Eine lange und ausführliche Liste haben wir in den Skoutz-Classics „Literatur und Rassismus“ für euch bereitgestellt. Bücher, die sich mit diesem Thema auf sehr verschiedene Weise auseinandersetzen. Bücher, die Rassismus vorleben. Aber auch Bücher, die Rassismus anprangern und Lösungen suchen. Aber auch Bücher, die eine Welt zeigen, in der Rassismus überwunden ist.
Bitte lest sie und bitte bewertet die Bücher auch in den Skoutz-Buchsuche. Mit der Buchfieberkurve geht das ganz einfach. 5 Klicks statt 5 Sterne, und schon weiß der nächste Leser, ob das Buch etwas für ihn ist. Ihr könnt dort auch auf euren Blog verlinken, um so Leser für eure Seiten zu gewinnen. Wir setzen auf Gemeinschaft und Netzwerke. Lasst uns auch hier
#skoutzigsein.
So, das war der Report aus dem Skoutz-Buchregal 105. Wir hoffen, dass ihr zum Nachlesen kommt, es lohnt sich. Bis nächste Woche im Skoutz-Buchregal!