zu Besuch bei Richard Dübell

Heute bin ich im schönen Bayern unterwegs, um Richard Dübell zu treffen. Natürlich habe ich mich vorbereitet und dabei einige spannende Dinge herausgefunden. Seine Liebe zum Schreiben begann mit der Science-Fiction-Reihe „Perry Rhodan“ die ihn inspirierte, selbst Kurzgeschichten zu verfassen und bei Wettbewerben einzureichen. Mitte der Neunziger entdeckte er seine Faszination für Historisches und schrieb seinen ersten mittelalterlichen Kriminalroman. Aktuell arbeitet er auch am Drehbuch zur Verfilmung seines Romans „Der Tuchhändler“ mit. Doch damit nicht genug. Neben seiner Arbeit als Schriftsteller, leitet er eine Schreibwerkstatt, lebt sich kreativ als Cartoonist und Grafiker aus und engagiert sich als Pate in der Kulturförderung. Bei diesen vielen Projekten bin ich froh, dass er sich Zeit nehmen konnte, um mich zu treffen und ein wenig mit mir zu plaudern. Mal sehen, was ich ihm noch entlocken kann …

 

zu Besuch bei Richard Dübell, der mit seinen Büchern Millionen auf Zeitreisen schickt …

 

© Christine Lang (2018)

In einem Wort: Was bedeutet für dich „Schreiben“?

 Geschichtenerzählen.

Nicht nur Geschichten, sondern auch Geschichte 🙂

 

 

Was ist der seltsamste Ort, an dem du je geschrieben hast?

 Ein altes Postgebäude auf der Black Isle in Schottland.

Klingt spannend. Wie kam es dazu, ausgerechnet dort arbeiten zu können?

 

 

Wie entstehen deine Geschichten?

(Wann schreibst du am liebsten, plottest du oder legst du einfach los, wie wichtig ist dir Recherche, wie ist das Verhältnis zu deinen Figuren, wie oft überarbeitest du einen Text, bevor du ihn aus der Hand gibst?)

 

Meine liebste Schaffenszeit sind der Vormittag von ca. 08.00 bis 13.00 und der späte Nachmittag und Abend, von 18.00 bis zum Gehtnichtmehr. Kann auch der nächste Morgen sein, wenn die Muse mich nicht loslässt.

Ja, dass die Muse ein ziemlich eigenes Wesen hat, habe ich bereits öfter gehört … Wenn du nun eine Buchidee hast, wie geht es damit weiter? Plottest du oder legst du einfach so los?

Ich erarbeite ein möglichst detailliertes Exposé mit Kurzessays der wichtigsten Charaktere; für diese veranstalte ich dann auch ein inneres Casting, damit ich sie so gut wie möglich visualisieren kann. Das führt dazu, dass in meinen Geschichten auch schon mal Schauspieler wie Hugh Jackman oder Ian McKellen eine Rolle bekommen.

Das klingt spannend und die beiden Schauspieler sind sehr gut gewählt. Da wäre ich gern Mäuschen 🙂 Aber zurück zum Thema, ich schweife immer so schnell ab *seufz* … Du schreibst historische Romane und Leser dieses Genres sind oft sehr kritisch, was wahre Begebenheiten angeht.  

Recherche ist für mich extrem wichtig. Ich beschaffe mir für alle historischen Details, die in meine Romane eingearbeitet werden, mindestens zwei Quellen, und korrespondiere mit Archivaren und Historikern vor Ort. Dies führt so weit, dass ich beispielsweise – sofern diese Information irgendwo vorhanden ist – weiß, wer in welchem Jahr in der Stadt, in der ein Großteil der Handlung spielt, Bürgermeister war; oder wie der Verwalter des Herzogs hieß. Historische Autoren haben in meinen Augen die Pflicht, die vorhandenen historischen Fakten zu berücksichtigen und sich die Mühe zu machen, sie herauszufinden. Wenn ich aus dramaturgischen Gründen  Zusammenhänge vereinfachen muss, halte ich dies im Nachwort fest. Lasse ich reale historische Figuren auftreten, versuche ich herauszufinden, wie diese auf die erfundenen Situationen in meinen Geschichten reagiert haben könnten. Es macht keinen Sinn, zeitgeschichtliche Personen in die Story aufzunehmen und ihnen dann erfundene Charakterzüge unterzujubeln.

Das stelle ich mir sehr aufwendig vor, auch wenn ich es toll finde. Ich lese gern historische Romane und finde es immer wieder spannend, wie Fakten mit Fiktion verwoben werden. Wie oft überarbeitest du das Skript, bevor du es aus der Hand gibst?

Ich überarbeite meinen Text laufend. Bevor ich weiterzuschreiben beginne, lese/übearbeite ich zuerst die Passagen, die ich am Vortag geschrieben habe. Weitere Überarbeitungen auch zurückliegender Textpassagen werden nötig, wenn ich z.B. Handlungselemente nachträglich anpasse, Dialoge ändere oder Dinge einführe, die für das spätere Kapitel, an dem ich gerade schreibe, wichtig sind. Ist die Geschichte fertig, überarbeite ich alles noch einmal komplett. Diese Fassung erhalten dann mein Lektorat und mein Agent.

 

 

„Es wird immer weniger gelesen“ – Wie reagierst du auf diesen Satz?

Ich fürchte, er ist wahr.

Wie könnte man daran etwas ändern?

Darauf reagieren kann ich nur, indem ich weiterhin für die Leserschaft, die den Büchern treu bleibt, so spannend und interessant wie möglich erzähle.

 

 

Wie stehst du zu Schreibregeln, die bestimmen, was der 1. Satz auf keinen Fall enthalten darf, welche Worte man verwenden soll und welche zu vermeiden sind, wie lang ein Satz sein darf, etc.?

Es gibt gewisse Grundregeln, die man befolgt, weil sonst das, was man schreibt, an Verständlichkeit einbüßt. Das Gleiche gilt für einige dramaturgische Grundregeln, die zum Genuss des Geschriebenen nötig sind.

Also gibt es einige Vorgaben, die durchaus Sinn machen und befolgt werden sollten. Kannst du mir das vielleicht anhand einiger Beispiele aus deiner Schreibstube aufzeigen?

Ich halte mich an die Regel, dass man innerhalb eines Kapitels nicht zwischen den Köpfen der Charaktere hin- und herspringt, finde aber gleichzeitig, dass die englischsprachigen Autoren, die sich vielfach nicht daran halten, deshalb auch nicht schlechter zu lesen sind.

Was wiederum die Frage aufwirft, wozu brauche ich dann eine Regel, wenn es doch scheinbar auch ohne geht? 🙂

Ich stelle sicher, dass der Leser bei meinen Dialogen immer genau weiß, wer gerade spricht; ich bin aber ein Feind der misssverstandenen Deutsch-Aufsatz-Regel, dass man die Inquit-Formeln möglichst abwechslungsreich gestalten soll. Mir genügt es, dass nach einer direkten Rede „sagte er“ oder „rief sie“steht. Formen wie „versetzte er“, „meinte er“, „widersprach sie“ usw. vermeide ich wie die Pest, weil sie nichts aussagen. Genauso versuche ich leere Adjektive und Adverben zu vermeiden; was bedeutet es, wenn jemand schreibt „er rannte schnell“. Ist schon mal jemand langsam gerannt?

Nein, wahrscheinlich nicht 🙂 Obwohl ich abwechslungsreiche Inquit-Formeln sehr gern mag, aber so sind die Geschmäcker verschieden … Aber um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Wie hältst du es mit dem ersten Satz?

Es kümmert mich nicht, was der 1. Satz angeblich keinesfalls enthalten darf. Mich interessiert viel mehr, was er unbedingt enthalten soll – nämlich die Motivation für den Leser, auch die nachfolgenden Sätze lesen zu wollen.

 

 

Welches Buch hat dich am meisten geprägt und warum?

Da kann ich nicht mit einem Titel antworten.

Du darfst gerne ausholen … Ich bin neugierig 🙂

Geprägt als Leser hat mich das allererste Buch, das ich mir mit meinem eigenen Ausweis aus der Stadtbücherei ausleihen durfte. Ich war so stolz, dass ich heute noch weiß, wie ich es nach Hause trug und wo ich es las.

Und welches Buch war es?

Als Autoren geprägt haben mich Raymond Chandler, Stephen King, John Irving und später Terry Pratchett. Ihre Geschichten und ihre Art und Weise, sie zu erzählen, inspirieren mich immer wieder aufs Neue.

 

 

 

Wenn du für einen Tag in ein Buch reisen könntest, in welches würde es dich ziehen?

Das ist jetzt eine Momentaufnahme, weil sich solche Wunschträume immer wieder ändern.

Und wohin würde es dich im Moment ziehen?

Ich würde gern an der Seite von Commander Sam Vimes im Roman Night Watch dafür sorgen, dass die Zeitlinie der Scheibenwelt wieder repariert wird.

 

 

Bist du ein mutiger Mensch? Wann hast du das letzte Mal was zum ersten Mal gemacht und was war das?

Muss man unbedingt mutig sein, um etwas zum ersten Mal zu tun?

Ich weiß nicht, was denkst du? *Puh, den Ball geschickt zurückgespielt*

Neugierig würde es meiner Meinung nach eher treffen. Wenn ich Dinge zum ersten Mal tue, dann empfinde ich dies nicht als mutige Tat, sondern als Befriedigung meines Wissendurstes. Ich führe da auch nicht Buch, wann ich was zum ersten Mal getan habe. Wenn ich es tun will, tue ich es einfach – im Rahmen dessen, dass ich andere Menschen damit nicht verletze oder ihre Freiheit beschneide.  Ich habe vor ein paar Tagen zum ersten Mal einen Promotionfilm für einen Bekannten gedreht, der als Fotomodell Fuß fassen will. Gilt das?

Absolut! Und ist ziemlich spannend. Ich drücke ihm die Daumen, dass es klappt.

 

 

Für welches Produkt würdest du als Testimonial Werbung machen? Warum?

Für keines.

Warum?

Dass ich ein bestimmtes Produkt schätze, heißt nicht, dass jemand anderer das auch tun muss oder dass ich in dieser Hinsicht ein Vorbild abgeben würde. Wenn ich gefragt werde, sage ich, was ich davon halte …

Schonungslos ehrlich …

Gesetzt den Fall, ich habe die nötige Erfahrung mit dem Produkt 🙂 – aber nicht vor laufenden Kameras oder weil ich denke, meine Meinung wäre für die Öffentlichkeit wichtig.

 

 

Was machst du, wenn du eine Nacht im Kaufhaus eingeschlossen wärst?

Ich würde mir in der Feinkost-Abteilung was zu essen und in der Buchabteilung was zu lesen holen.

Und dann? 🙂

In der Schlafzimmerabteilung das bequemste Bett suchen. Auf jeden Fall würde ich versuchen, keine Schäden zu hinterlassen.

 

 

Was ist der erste Gedanke nach dem Aufstehen? Was machst du in der ersten Stunde nach dem Aufstehen?

Mein erster Gedanke ist der an meine Frau Christine, die meine erste und einzige Liebe ist.

Wie romantisch *seufz*

Danach tue ich etwas ganz Außergewöhnliches, was außer mir bestimmt niemand auf der Welt tut: Ich stehe auf, dusche, putze mir die Zähne, rasiere mich und freue mich aufs Frühstück.

Du Revoluzzer! *lach*

 

 

Welche Superkraft hättest du gerne?

Im Grunde bin ich ganz zufrieden mit meinen Normalkräften

Das glaube ich dir gern. Dennoch, stell dir vor, du könntest frei wählen … Was wäre deine erste Wahl?

Wenn ich mir was wünschen dürfte, würde ich gerne fliegen können wie Superman. Ich würde aber auf das rote Cape und den blauen Strampelanzug verzichten.

🙂 Schade *Kopfkino aus*

 

 

Welcher Irrtum kursiert über dich?

Keine Ahnung. Ich hoffe, keiner.

Ich hab bei meiner Recherche nichts gefunden …

 

 

Was würdest du deinem 10 Jahre jüngeren Ich raten?

Tu all das Gute und Richtige, was ich getan habe, und versuche die Fehler zu vermeiden, die mir unterlaufen sind.

Schöne Worte und bevor ich dich wieder verlasse, würde ich gerne von dir wissen …

 

 

Was wolltest du der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!

Hey Welt. Ich wünschte, du wärst ein besserer Ort für all die, die Not leiden und in Schwierigkeiten stecken. Alles in allem bin ich aber froh, dass ich mich in dir aufhalten darf und dankbar für alles Gute, was mir daraus widerfahren ist. Ich werde mich bemühen, dieses Gute weiterzugeben. Streng dich also auch ein bisschen an für die, die es gerade nicht so gut erwischt haben.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Vielen Dank, lieber Richard Dübell, dass du dir die Zeit genommen hast, mich so freundlich zu empfangen und all meine Fragen zu beantworten. Es war mir ein Vergnügen und ich würde mich freuen, wenn es mal wieder klappen würde. Deinem Roman wünsche ich für den weiteren Wettbewerb viel Erfolg und vielleicht sehen wir uns bereits in Frankfurt zur Verleihung wieder.

 

Mehr über Richard Dübell und seine Bücher erfahrt ihr auf seiner Homepage.

 

 

Skoutz-Lesetipp:  Der Jahrhundertsturm –  humorvoller Detektiv-Roman von Richard Dübell

1840: Der Jahrhundertsturm beginnt.

Alvin von Briest ist ein echter Preuße. Er fühlt sich den alten Traditionen seines Heimatlandes verpflichtet, auch wenn es ihm nicht immer leicht fällt. Auf Rat seines Freundes Otto von Bismarck entscheidet er sich sogar für eine Militärlaufbahn. Ganz anders sein Freund Paul Baermann. Paul stammt aus dem Münchner Bürgertum und ist ein Mann des Fortschritts. Seine einzige Liebe gilt der Eisenbahn. Bis er in Paris Louise Ferrand kennenlernt, die ihn mit ihrer Schönheit verzaubert. Doch Louise ist schon einem anderen versprochen – seinem besten Freund. Sie heiratet Alvin von Briest, der sie vor Hunger und Tod gerettet hat. Ihr Herz aber gehört Paul. Während in Berlin Barrikaden gebaut werden, die Industrialisierung ihren Lauf nimmt und sich Deutschland schließlich unter Bismarck eint, müssen Alvin, Paul und Louise in einem Jahrhundert der Gegensätze ihren Weg finden.

 

Skoutz meint: In diesem unglaublich spannenden Dilogie-Auftakt erleben wir nicht nur eine mitreißende Familien-Saga, sondern erleben auch einen eindrücklichen Streifzug durch die Geschichte. In seinem gut recherchiertem Roman erleben wir gelungen, wie 

 

Hinweis:

In seinem historischen Roman “Bote des Feuers”, der im September 2018 bei bei Bastei Lübbe erschienen ist, entführt uns Richard Dübell auf 560 Seiten ins Mittelalter. Die Pest fordert ein Leben nach dem anderen und keiner scheint diese furchtbare Epidemie aufhalten zu können. Natürlich werden sofort Schuldige gesucht, doch was steckt wirklich dahinter und wie weit gehen die Menschen in ihrem Wahn?

Mit seinem spannenden Mittelalterroman über das Chaos, das die Pest verbreitete, konnte Richard Dübell unseren Skoutz Juror Andreas Otter überzeugen, “Bote des Feuers” aus über 130 Titeln der History-Longlist zu erwählen. Er ergatterte einen der begehrten Midlist-Plätze und damit vielleicht die Chance auf den Skoutz Award 2019.

Mehr Informationen findet ihr natürlich in der ausführlichen Buchvorstellung. (Weiterlesen)

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