Skoutz-Klassiker: Winterromane
In der Rubrik Skoutz-Klassiker möchten wir in loser Reihenfolge und stetig erweiternd Klassiker zusammentragen, die zum jeweiligen Thema passen. Saisonal naheliegend beginnen wir mit Winterromanen und freuen uns, wenn ihr eure Vorschläge kommentiert, die wir dann gerne gleichfalls aufnehmen werden. Dabei verstehen wir unter Winterromane Geschichten, bei denen der Winter nicht nur zufällig vorbeischaut, weil eben zwischen Herbst und Frühjahr auch was passiert, sondern eine eigene Rolle spielt, die Stimmung prägt, den Protagonisten die Schau stiehlt und den Plot ernsthaft vorantreibt. Wenn Eis klirrt und Blumen frostig sind .. Winterromane eben! Ihr versteht uns bestimmt.
Hier also die Skoutz-Klassiker Winterromane:
Der Spion der aus der Kälte kam – der Agententhriller schlechthin von John le Carré
Kurz nach dem Bau der Berliner Mauer ist Alec Leamas Leiter des Berliner Büros des britischen Secret Service, der ein Spionagenetz in der DDR aufbauen will. Doch irgendwo muss ein Verräter sein, denn Leamas Widersacher Mundt lässt sie alle töten. Daraufhin wird Leamas zurück nach London beordert und „auf Eis gelegt.“ Seine einzige Chance, an Mundt heranzukommen, ist es, sich als Verräter an die DDR zu verkaufen. Doch dafür muss Leamas sein altes Leben zerschlagen …
Skoutz meint: Ein düsterer, kalter Film, der den Kalten Krieg in seinem ganzen Zynismus zeigt, und völlig zu Recht der Beginn der Welkarriere von John le Carré. Ein beeindruckendes und auf jeder Seite spannendes Plädoyer dafür, dass der Zweck nicht immer die Mittel heiligt.
Ein Winter in Wien – Ein historischer Roman aus der Jugendstilzeit von Petra Hartlieb
Wien 1910. Marie, ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen ist glücklich als sie eine Anstellung als Kindermädchen im Haus von Arthur Schnitzler, dem berühmten Wiener Autor, erhält. Als sie für Schnitzler ein Buch in einer Buchhandlung abholen soll, trifft sie dort auf den Buchhändler Oskar und so entwickelt sich zwischen der Arbeit im Haushalt der Schnitzlers und dem Weihnachstgeschäft in der Buchhandlung eine zauberhafte Romanze.
Skoutz meint: Wiener Nostalgie in einer Buchhandlung, ein berühmter Dichter und ein verschneiter Wiener Winter. Mit diesen Zutaten kann eigentlich nichts schief gehen. Das wunderbare Lebensgefühl des Wiener Jugendstils wird sehr nachvollziehbar geschildert und die Szenen in der Buchhandlungen verraten in vielen Details, dass Petra Hartlieb selbst eine Buchhandlung in Wien betreibt.
Gorki Park – ein Thriller aus der Kälte Moskaus von Martin Cruz-Smith
Moskau, 1980: Im verschneiten Gorki Park werden zwei Männer und eine Frau erschossen aufgefunden. Die Identifizierung der Toten ist schwierig. Chefinspektor Arkadi Renko, ranghöchster Ermittler in der Sowjetmetropole, übernimmt den Fall – und ahnt noch nicht, in welche Lage ihn seine Ermittlungen zwingen werden. Denn je näher er der Wahrheit hinter den grausigen Morden kommt, desto heikler wird seine eigene Position. Was hat die geheimnisvolle Irina mit den Toten im Gorki Park zu tun? Obwohl Arkadi weiß, dass er seine Objektivität wahren muss, gibt er seinen Gefühlen nach und lässt sich auf eine Affäre mit Irina ein. Als er ihr schließlich zur Flucht außer Landes verhilft , riskiert er sogar seine eigene Karriere – und gelangt dabei selbst ins Ausland: Im Dschungel der New Yorker Großstadt wird der Jäger zum Gejagten.
Skoutz meint: Eine sehr wendungsreiche Geschichte, die im winterlichen Moskau beginnt und im genauso winterlichen Osten Amerikas endet und den Leser an der Seite sehr differenzierter Protagonisten in ein bedrohliches und oft beklemmendes Abenteuer entführt, dessen Kraft gerade in den kleinen Szenen liegt.
Schnee, der auf Zedern fällt – ein Krimi aus dem Nordwesten der USA über Fremdenfeindlichkeit von David Guterson
Kabuo Miyamoto, ein Lachsfischer japanischer Herkunft, ist angeklagt, seinen Kollegen Carl Heine ermordet zu haben. Es gibt keine Zeugen, aber Indizien und ein Motiv: Rachsucht. Während ein Schneesturm die Insel San Piedro im pazifischen Nordwesten der USA und mit ihr alle Zeugen, Geschworenen und den Richter im festen Klammergriff der Kälte hält, versucht Ishmael Chambers, Redakteur der einzigen Zeitung der Insel, das Verbrechen aufzuklären.
Skoutz meint: Ein Krimi wie ein Kammerstück. Eine kleine Insel, jeder kennt jeden und genau deshalb hat auch jeder etwas zu verbergen. Diese Welt wird durch einen Mord erschüttert, dessen Aufklärung an der Angst der Bewohner scheiter, dass ihre kleinen Lügen mit aufgedeckt werden. Und da kommt ein Fremder, ein Japaner, ein ehemaliger Feind aus Kriegszeiten, als Verdächtiger gerade recht. Der Fall ist spannend geschildert, doch das wirklich mitreißende ist das Psychogramm, dieser Gemeinschaft, dass sich erschreckend modern anfühlt.
Die Chroniken von Narnia – High Fantasy, bei der das Eis hinter der Schranktür lauert, von C.S. Lewis
NARNIA … Heimat der sprechenden Tiere und einer bösen Zauberin … wo Wunder geschehen und eine neue Welt geboren wird.
Um ein Leben zu retten, werden zwei Freunde auf eine gefährliche Reise geschickt – an einen Ort jenseits unserer Zeit, wo eine Hexe auf sie wartet. Doch dann erschafft der mächtige Löwe Aslan mit seinem Lied das Land Narnia. Und in Narnia ist nichts unmöglich …
Skoutz meint: Lewis war ein Freund von Tolkien und wie der Meister hat auch er mit seiner Geschichte die Eindrücke des zweiten Weltkriegs verarbeitet. Erwachsene stört häufig der arg aufgetragene christliche Pathos, doch davon abgesehen, ist es eine wunderbare Welt, voller herrlicher Details, die uns alle verstohlen in den Schränken nach Weltentoren suchen lassen.
Soweit die Füße tragen – Ein Abenteuerroman über eine Flucht aus dem winterlichen Sibirien von Josef Martin Bauer
Die Ärzte haben es sich eine Weile überlegt, ehe sie dem heimgekehrten Clemens Forell behutsam erklären, daß er den Sinn für Farben verloren habe. Nach und nach haben sie ihn noch vielerlei Veränderungen mit Schonung begreiflich machen müssen, weil nun einmal ein Mensch, der jahrelang im Blei gehaust hat und drei Jahre das Leben eines Tieres und bei den Tieren führen mußte, nicht mehr als jener zurückkehren kann, der er vordem gewesen ist …“
Skoutz meint: Eine schonungslose Reise durch ein erbarmungsloses Land, die unweigerlich auch zu einer Reise ins Innerste wird. Der Leser, der sich Bauers wuchtigen Sprache stellt und die Geschichte eines Mannes, den nur noch der eigene Wille weitertreibt, mit offenem Herzen ließt, wird danach über einige Dinge anders, demütiger, dankbarer denken.
Die Schneekönigin – ein düsteres und zugleich hoffnungsvolles Kunstmärchen von Hans Christian Andersen
Die Nachbarskinder Kay und Gerda sind gute Freunde und träumen gemeinsam unter einem Rosenbusch von Abenteuern. Doch eines Tages verändert sich Kay, er ist kalt wie Eis und redet alles Schöne schlecht. Ihn haben Splitter eines magischen Spiegels, mit dem der Teufel selbst die Welt in einen kalten und hässlichen Ort verwandeln will, in Herz und Auge getroffen. Gerade dann wird die Schneekönigin auf Kay aufmerksam und entführt ihn. Die Kälte ihres Kusses tötet ihn fast, doch das bemerkt er nicht. Stattdessen versucht er, ihre Liebe zu gewinnen und lebt in ihrem kalten Eispalast, gefangen in einer Illusion. Gerda beschließt, ihn zu suchen und zu befreien. Doch dazu muss sie Kay erst einmal finden und die mächtige Schneekönigin bezwingen.
Skoutz meint: Dass dieses unfassbar vielschichtige, düstere und doch hoffnungsvolle Märchen von einer kitschichgen Disney-Adaption überlagert wird, die bis auf den Eispalast wenig überig gelassen hat, ist wirklich tragisch, denn diese Geschichte zeigt auf so wunderbare Weise, was Pessismus mit uns und unserem Leben macht und wie man ihn überwinden kann.
Fräulein Smillas Gespür für Schnee – Thriller, bei dem Diskriminierung und Rassismus ins ewige Eis Grönlands führen, von Peter Hoeg
Peter Høegs Weltbestseller führt mitten in Eis und Finsternis. Wenige Tage vor Weihnachten wird im Kopenhagener Hafenviertel ein sechsjähriger Junge gefunden: tot. Er ist offenbar vom Dach eines Lagerhauses gestürzt. Da man nur seine Spuren und die keines anderen auf dem Dach sieht, scheint der Fall klar: ein Unfall. Smilla Jaspersen, die im selben Haus wohnt wie der Junge, geht der Sache nach. Dabei führt sie ihre aufregende Odyssee bis ins grönländische Eismeer…
Skoutz meint:Mit Fräulein Smilla ist Hoeg eine wunderbare Protagonistin gelungen, die spröde und schwierig, aber auch so absolut glaubwürdig und faszinierend bschrieben wird, dass man ihr (und ihrem Gewissen) willig in ein düsteres Abenteuer führt, bei dem die Tragödie mit der alles beginnt, und die zynische Gleichgültigkeit, mit der die Polizei den Fall abtun will, zu immer tieferen Abgründen führt.
Das Frostmädchen – modernes Märchen von Stefanie Lasthaus (Lesertipp)
Als ihr Freund Gideon bei einem Streit handgreiflich wird, flieht die zwanzigjährige Neve hinaus in die klirrend kalte Nacht des kanadischen Winters und verirrt sich. Glücklicherweise wird sie rechtzeitig von dem jungen Künstler Lauri gefunden, der sie in seiner abgelegenen Blockhütte gesund pflegt. Bei Lauri fühlt sich Neve vom ersten Augenblick an geborgen, und zwischen den beiden entspinnt sich eine zarte Liebesgeschichte. Doch in der Nacht im Wald ist etwas mit Neve geschehen – etwas, das die uralte Wintermagie in ihr entfesselt hat …
Aleshanee meint: Entgegen der allgemeinen Meinung hat mir aber auch “Das Frostmädchen” von Stefanie Lasthaus. Es hat halt ein relativruhiges Tempo, aber eine wunderschöne Liebesgeschichte mitten im eiskalten Norden mit der Magie der Rauhnächte ♥
Winterplanet / Die linke Hand der Dunkelheit- zeitlose Science Fiction von Ursula K. Le Guin,
ein Tipp von Skoutz-Science Fiction-Experten Karsten Kruschel
“Winterplanet” von Ursula K. Le Guin, neuerdings in neuer Übersetzung auch unter dem Titel “Die linke Hand der Dunkelheit” erschienen.
Normalo-Mann in diplomatischer Mission trifft auf eine Welt, deren Bewohner geschlechtlich neutral sind. Doch in ihren brünftigen Phasen können sie entweder zum Mann oder zur Frau werden, wodurch der ganze Gender-Kokolores obsolet wird (der Roman ist von 1969!). Infolge politischer Verwerfungen muß der Diplomat mit einem dieser Menschen gemeinsam über einen Eiskontinent flüchten. Dabei stellt er sich notgedrungen seinen inneren (und äußeren) Dämonen.
Karsten Kruchel meint: Tragisches Ende, eine verkannte Liebe, eine neue Sicht auf Frauen, Männer und alles dazwischen.
Frostfeuer – Märchenadaption von Kai Meyer mit historischem Flair (Lesertipp)
Kalt und öde ist das Reich der Schneekönigin und aus Eis ist ihr Herz. Doch die junge Magierin Tamsin wagt es, einen Zapfen vom Eisherzen der Schneekönigin zu rauben, um so ihre Macht zu brechen. In St. Petersburg des Jahres 1983, im eisigsten Winter seit Menschengedenken, entbrennt ein fantastisches Zauberduell. Doch nicht Magie bestimmt die Siegerin, sondern der Mut des Mädchens Maus, Schuhputzerin im Grandhotel „Aurora“..
Aleshanee meint: Allein schon der Titel ist genial. Ein tolles Buch, indem es um die Schneekönigin und eine toughe Heldin mit dem Namen “Maus” geht ?
Geheimnis in weiß – Klassischer Krimi von J. Jefferson Farjeon (Lesertipp)
An Heiligabend bleibt ein Zug im Schneetreiben in der Nähe des Dorfes Hemmersby stecken. Mehrere Passagiere suchen Zuflucht in einem verlassenen Landhaus. Die Tür ist off en, der Kamin brennt und der Tisch ist zum Tee gedeckt, doch niemand scheint da zu sein. Aufeinander angewiesen, versuchen die Reisenden das Geheimnis des leeren Hauses zu lüften – als ein Mord passiert.
Trotz heftigen Schneefalls hat eine skurrile Ansammlung von Reisenden London am Weihnachtstag pünktlich verlassen. Auf offener Strecke bleibt der Zug jedoch im Schnee stecken. Die Passagiere beschließen daraufhin nach und nach, ihr Abteil zu verlassen und sich zum nächsten Dorf durchzuschlagen. Auf dem Weg stoßen sie auf ein scheinbar verlassenes Cottage – obwohl die Tür offen steht und es hell erleuchtet ist. Doch dies ist nicht das einzige Geheimnis, das das Haus birgt und nur zu einem hohen Preis offenbart. Wenn der Schneesturm schließlich nachlässt, werden vier Personen das Weihnachtsfest nicht überlebt haben.
Aleshanee meint: Für Krimifans der alten Schule das genau Richtige – eine weihnachtliche Kriminalgeschichte á la Agatha Christie!
Weitere Winterromane werden folgen. Für Tipps und Vorschläge sind wir dankbar!
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Karsten Kruschel
„Winterplanet“ von Ursula K. Le Guin, neuerdings in neuer Übersetzung auch unter dem Titel „Die linke Hand der Dunkelheit“ erschienen. Inhalt: Normalo-Mann in diplomatischer Mission trifft auf eine Welt, deren Bewohner geschlechtlich neutral sind, in ihren brünftigen Phasen aber entweder zum Mann oder zur Frau werden können, wodurch der ganze Gender-Kokolores obsolet wird (der Roman ist von 1969!). Infolge politischer Verwerfungen muß der Diplomat mit einem dieser Menschen gemeinsam über einen Eiskontinent flüchten und sich seinen inneren (und äußeren) Dämonen stellen. Tragisches Ende, eine verkannte Liebe, eine neue Sicht auf Frauen, Männer und alles dazwischen.