RIP: Christine Nöstlinger

Mit Christine Nöstlinger ist eine der wichtigsten Kinderbuchautorinnen gestorben. Sie starb im Alter von 81 Jahren, was jedoch erst nach ihrer Beisetzung bekannt gegeben wurde.

Man spricht im Nachruf immer von „wichtig“ und „bedeutend“ oder „großartig“. Das ist nicht ungewöhnlich, aber selten berechtigter als in diesem Fall. Die gebürtige Wienerin war keine Zuckerguss-Autorin und sie idealiserte auch die Kindheit nicht. Und das war so ungewöhnlich, dass es für sich schon bedeutsam ist.

Christine Nöstlinger, verdanken wir mehr als 150 Bücher, darunter sind so bekannte wie „Maikäfer, flieg!“ über das Leben nach dem Zweiten Weltkrieg im zerbombten Wien, das vielerorts zur Schullektüre zählt, aber eben auch Klassiker wie  „Die Kinder aus dem Kinderkeller“ oder „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“, Ihr Werk wurde in 30 Sprachen übersetzt und einige ihrer Bücher verfilmt. Ihnen allen gemeinsam ist der antiautoritäre Erziehungsstil, der gegen Anpassung gerichtet ist und sich immer dem Kampf gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung widmet. Ihre Welt ist nicht lustig und heiter, sondern ernst und oft bedrohlich.

Doch nicht nur die Leser hielten Christine Nöstlinger über Generationen die Treue, auch die Fachwelt ehrte sie vielfach. Sie erhielt nahezu alle nationalen und internationalen Preise, die im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur vergeben werden, so etwa der Hans-Christian-Andersen-Preis und der Astrid-Lindgren-Preis.

Was macht Christine Nöstlinger so besonders?

Christine Nöstlinger, die eigentlich als Grafikerin arbeitete, kam 1970 zur Schriftstellerei und auch da eher zufällig. Ihr Erstlingswerk, „Die feuerrote Friederike“ bearbeitete sie zunächst grafisch und textete erst danach die Geschichte dazu. Mit überwältigendem Erfolg. Es traf den Nerv der Zeit, witzig, rebellisch und voll emanzipatorischem Kampfgeist für eine selbstbestimmte Kindheit.

In ihren Büchern ist der Alltag von Kindern ein zentrales Thema. Geschwisterstreit, die erste Liebe und Widerstand gegen autoritär agierende Eltern und Lehrer. Humorvoll und höchst originell plädierte sie in ihren Büchern für Zivilcourage und dem Kampf für Gerechtigkeit. Ungewöhnlich sozialkritisch schilderte sie die Welt ihrer Protagonisten sehr realistisch auch mit allen Schattenseiten und bot so vielen Trost durch Solidarität. Dass man sich wehren muss gegen Ungerechtigkeiten und Gewalt, versuchte Nöstlinger ihren jungen Lesern zu vermitteln. Sie tat dies mit einem ausgeprägten Sinn für Situationskomik, Ironie und Wortwitz.

Ungewöhnlich war auch Christine Nöstlingers Produktivität, neben bis zu 5 Büchern pro Jahr kamen Beiträge in Antologien und Gedichtbänden, teils im Wiener Dialekt, Radiobeiträge, Theaterstücke sowie die Arbeit als Literaturkritikerin und mehr.

Allerdings kamen ihr im Laufe der Zeit Zweifel am Sinn ihres Schreibens. „Diese Illusion, dass man Kindern etwas beibringen kann durch Bücher alleine, die habe ich nicht mehr“, sagte sie in einem Interview. Kurz vor ihrem Tod bekannte sie, das sie keine Kinderbücher mehr schreiben wolle. „Es ist alles sehr, sehr anders geworden und ich verstehe es nicht mehr.“ Sie habe einfach kein Gefühl mehr für die Welt der Kinder heute.

Ihr Werk jedenfalls wird sie am Leben haltenn und ihr und ihren Idealen eine Stimme geben.

Ein ausführliches Interview gibt es hier beim österreichischen Standard aus dem Jahr 2016.

„Maikäfer flieg“ – Jugendbuchklassiker von Christine Nöstlinger

Eine Familiengeschichte aus dem Nachkriegs-Wien, voll Komik und Tragik.
Eine Pulverlandgeschichte, die wirklich passiert ist. Sie handelt von sehr verschiedenen Menschen, aber auch von Trümmerbergen, in der Hauptsache aber von der Freundschaft, die ein neunjähriges Mädchen mit einem russischen Koch verbindet. Cohn, der Soldatenkoch aus Leningrad, wird zum Symbol der Menschlichkeit in einer unmenschlichen Zeit.

Skoutz meint: Zu Recht ein Klassiker und gewiss ein Buch auch für Erwachsene. Es lässt eine schlimme Zeit nicht in Vergessenheit geraten, ohne zu traumatisieren. Ein großartiges, wunderbar poetisch geschriebenes Buch einer Zeitzeugin, die anrührend und aufwühlend, deprimierend und erheiternd zu erzählen versteht. Und ganz nebenbei zeigt sie, wie Träume und Phantasie dabei helfen können, auch die dunkelste Zeit zu überwinden.

 

 

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