Blitzbuch – 1 Buch in 1 Woche schreiben?
Der Markt verlangt das Blitzbuch. Es bedarf Neuheiten, um sichtbar zu sein. Und zwar ständig. Die Algorithmen der Online-Buchsuchen benehmen sich wie Junkies, die stetig nach mehr verlangen und das Publikum gewöhnt sich an das Überangebot. Das ist bereits für Verlage eine Herausforderung, für Self-Publisher, die eben allein sind, ein Problem.
Denn wie schnell kann man schreiben und finalisieren, in welchen Intervallen liefern? Wie viel Zeit fließt in einen Roman?
Der NaNoWriMo zeigt, dass ein Buch in einem Monat gut zu schaffen ist. Ob das über ein verrücktes Monat hinaus skalierbar ist, ist eine andere Frage. Aber auch das ist müßig, denn das reicht genau genommen bei Weitem nicht mehr. Zu hart umkämpft ist die wertvolle „Neuerscheinung“-Badge in den Shops.
Daher unsere bewusst etwas provokante Frage, kann man ein Buch in einer Woche schreiben? Zusatz: Und zwar ohne sich von Chat GP einen urheberrechtlich fragwürdigen Text schreiben zu lassen oder selbst abzuschreiben?
Vorab: Ja, klar. Und in ihren Genres große Namen haben das vorgemacht, lange bevor wir mit Künstlicher Intelligenz zu experimentieren begannen: Edgar Wallaces Werk schafft diesen Schnitt und Hedwig Courts-Mahler, die heimliche Bestseller-Königin des Liebesromans, sogar ganz locker.
Es setzt, das muss klar sein, neben einer gewissen Stringenz im Erzählstil ein hohes Maß an Disziplin und Professionalität voraus, womit gemeint ist, dass das ein Feierabend-Autor nach einem langen Tag im Brotjob sicherlich nicht schaffen wird.
Ein Blitzbuch in einer Woche schreiben …
Legen wir los!
Die Brutto-Netto-Falle
Der Vorsatz ist gefasst. Aber das reicht nicht. Egal, wie hoch der Stapel der Neuerscheinungen sein mag, ob er die Zugspitze oder Mount Blanc erreicht, der SuM, der Stapel ungeschriebener Manuskripte, ist in jedem Fall um ein Vielfaches höher. Modell Mount Everest. Wir lernen daraus: Bücher müssen geschrieben werden.
Wenn wir also von einem so engen Zeitfenster sprechen, dann funktioniert das nur, wenn die Zeit auch diesem Projekt zur Verfügung steht. Eine Woche hat 7 x 24 Stunden. Je mehr von diesen 168 Stunden also Schreibzeit ist, desto wahrscheinlicher wird das Projekt pünktlich fertig.
Andererseits aber zeigt das auch, warum man neben Brotjob, Arztterminen, Kleinkindern und anderen Aufgaben „Brutto“ unter Umständen deutlich länger braucht, um „Netto“ in einer Woche zu veröffentlichen. Schließlich muss es, ähnlich wie beim NaNo, auch nicht jede Woche sein, sondern unter Umständen eine bestimmte, entsprechend vorbereitete. Sehr wahrscheinlich sogar, jedenfalls am Anfang.
Innere Voraussetzungen für ein Blitzbuch
Ein Buch in einer Woche zu schreiben, ist ein Ultra-Triathlon. Das setzt als allererstes einmal den festen Entschluss, eine gehörige Portion Leidensfähigkeit und daher auch Disziplin voraus. Heute mehr denn je.
Priorisierung
Solche Schreibziele, ein so aberwitzig enger Veröffentlichungsterminplan, setzen voraus, dass man alles, wirklich alles hintenan stellt. Das heißt, bevor nicht das Tagessoll erledigt ist, ist keine Zeit für Sport, Spaziergänge, freundliche Plauschs, Kochen, Hausaufgabenbetreuung, Socken sortieren und Wellness-Einheiten im Bad. Hier dürfte sich der erste Widerspruch regen. Klar. Ein Blitzbuch schreiben ist kein Spaß. Zwischen Schwimmen und Radeln könnt ihr aber auch beim Triathlon nicht mal eben schnell schauen, ob der Nachwuchs die Lateinaufgabe richtig gelöst hat. Wer dazu nicht bereit ist, muss sich nicht grämen, sondern seine Brutto-Netto-Rechnung von oben seiner Priorisierung anpassen.
Ablenkung
Eines muss uns klar sein, Edgar und Hedwig, unsere Vorbilder in Sachen Produktivität, hatten nicht die Recherchemöglichkeiten, die uns Google bietet, nicht den Support, den die Facebook-Schreibgruppe liefert, und schon gar nicht die Inspirationen von Pinterest oder Instagram. Wir übersehen dabei gern, dass diese unbestreitbaren Vorteile modernen Schreibens eben auch den Nachteil haben, dass sie dazu neigen, uns zu vereinnahmen.
Wer kennt das nicht, dass er nur schnell die Hauptstadt von Peru googeln wollte, und dann vom Hundertsten zum Tausendsten kam, von einer spannenden Seite zur nächsten und am Ende dann sehr genau weiß, wie das Rathaus von Lima aussieht, wo man am besten shoppen kann und wie sich die Lama-Population im Umland während der letzten 20 Jahre verändert hat. Das ist schön, aber weder erforderlich, um die Heimatstadt der Austauschstudentin in unserem Buch zu benennen, noch hilfreich, wenn von der Schreibstunde nun nur noch 5 Minuten zum eigentlichen Schreiben übrig sind.
Scheuklappen sollten daher für die Schreibsession Pflicht sein. So wie sie Kutschpferde nicht vom Scheuen, sondern eigentlich von Ablenkungen schützen sollen, wenn der Kutscher mit Zügel oder Gesten mit dem Kollegenpferd kommuniziert, sollen sie euch im übertragenen Sinne am Text halten.
Technische Aspekte
Auch wenn wir fest daran glauben, dass es wenig Mächtigeres gibt, als ein ernst und still erklärtes „Ich will!“, reicht ein noch so fester Vorsatz für ein erfolgreich abgeschlossenes Blitzbuch nicht aus. So, wie man einen Marathon auch nur mit einer gewissen Grundkondition schafft und auch die Ausrüstung nicht ganz unbedeutend ist.
Handwerklicher Ansatz
Ein Blitzbuch zu schreiben, ist hart. Und Handwerk. Vor allem Handwerk. Wir hören so oft, dass Literatur Kunst ist und wer schreibt, daher Künstler. Oder Künstlerin. Das mag sein, aber dann ist es eben Kunsthandwerk. Und so wenig, wie man Bildhauer werden kann, ohne den Umgang mit Hammer und Meißel zu lernen, so wenig wird man Malerin, ohne zu wissen, wie man den Pinsel hält.
Nun, die meisten können wenigstens lesen und auch einigermaßen schreiben, auch wenn es oft schon bei der Zeichensetzung schwierig wird.
Aber wer beim Malen darüber hinaus auch noch weiß, wie z.B. Komplementärfarben funktionieren, ist gegenüber denen, die das erst probeweise herausfinden müssen, klar im Vorteil. Oder glaubt ihr, beim Komponieren kann man darauf verzichten, vorher ein Instrument und Notenlesen zu lernen?
Mit anderen Worten, um für ein Blitzbuch antreten zu können, sollte das Handwerkszeug bereit liegen und die Instrumente, die man zum Buchschreiben braucht, auch beherrscht werden.
Schreibtechnik für Blitzbücher
Wir haben für diesen Artikel verschiedene Techniken getestet und festgestellt, dass völlig unabhängig von den persönlichen Vorlieben, es vielleicht weniger spaßig und kreativ, aber in jedem Fall schneller ist, wenn man mit einer Gliederung arbeitet. Mit anderen Worten:
Plotten beschleunigt.
Schon Mark Twain empfiehlt, ein Buch in Abschnitte zu gliedern und in Abschnitten zu schreiben, die man später zusammenfügt. Das hat verschiedene Vorteile:
- Ein ganzes Buch ist furchteinflößend. Die Aufgabe ist so riesig, dass man kleinere Zeitfenster gar nicht nutzt (lohnt nicht) oder schlimmstenfalls erst gar nicht anfängt;
- mit einer Gliederung hat man beim Schreiben Orientierung, die Wahrscheinlichkeit, dass man feststeckt und nicht weiterweiß, ist deutlich geringer;
- eine Gliederung erlaubt auch, Abschnitte nicht in der Reihenfolge zu schreiben, in der sie anschließend gelesen werden (wenn ihr nach einem langen miesen Arbeitstag nicht in Stimmung seid, eine romantische Szene zu schreiben, könnte vielleicht eine epische Schlachtszene oder eine zünftige Kneipenschlägerei genial werden).
Ob ihr jetzt mit einem groben Plan arbeitet, einen Szenen-Guide schreibt oder die detailverliebte Schneeflocken-Methode anwendet, ist dabei eine Entscheidung, die individuell zu treffen ist.
Ein Szenenguide gliedert das Buch in seine Kapitel und innerhalb dessen die einzelnen Szenen mit Schlagzeilen, was dort zu schreiben ist. Damit hat man einen guten Überblick, an dem man sich entlanghangeln kann, mit dem man auch zwischen Szenen springen könnte und ggf. auch verschieben darf, wenn neue Ideen berücksichtigt werden wollen.
- Kapitel: Einführung der Helden
- Susi geht schlecht gelaunt von einer miesen Party nach Hause, als sie ein Geräusch hört.
- Sie folgt dem Geräusch, bereit, notfalls zu helfen und erkennt tatsächlich, dass ein Mensch in Not ist (safe the cat-Szene)
- Dieser Mensch entpuppt sich als Toni, der eigentlich Schuld daran ist, dass die Party für Susi so mies gelaufen ist.
Damit habt ihr für Kapitel 2 auch gleich einen Cliffhanger, weil natürlich spannend ist, ob Susi nun die Gelegenheit für Rache nützt, Tonis Notlage als ausgleichende Gerechtigkeit begreift, oder hilfreich, edel und gut zur Rettung schreitet.
Wer jetzt nicht weiß, was „safe the cat“ in Schreibkreisen heißt und wie man mit „Cliffhangern“ umgeht, ist schon im Nachteil. Das zeigt aber eben auch, warum man ein bisschen Handwerk braucht, um eine Geschichte gut und stringent planen zu können.
Überblick bewahren
Sehr wichtig ist auch, sich zu organisieren. Vorher, währenddessen und auch danach. Mit „Ende“ ist das Buch zwar fertig geschrieben, aber noch lange, lange nicht veröffentlichungsreif. Auch da kann man sich viel Arbeit sparen, wenn man seine Notizen aktuell hält. Man kann sich hierfür verschiedene Orgaprogramme zulegen, aber es geht auch, wenn man sich einfach mit einem Notizbuch oder in einer (oder mehreren) Word-Dateien seine Aufgaben, Gedanken und Mini-Memos festhält.
Für die Planung selbst sollte man einen Szenen-Guide nutzen, der Kapitel für Kapitel und Szene für Szene wenigstens in einem Stichwort skizziert, was da passieren soll (und wo man sich notieren kann, was man dort dann beim Schreiben erwähnen sollte, weil man es vorher angedeutet hat oder es hinten gebraucht wird). Meine fangen immer mager auf einer halben Seite an und sind gegen Ende mehrere Seiten dick (weil ich das Erledigte zu Kontrollzwecken nur abhake und nicht lösche). Daneben schadet es nicht, sich Gedanken zu den Figuren zu machen, vielleicht in einem Steckbrief?
Lass dich nicht überrollen
Jedes Buchprojekt – und ganz besonders ein Blitzbuch – ist eine alles überrollende Lawine an Arbeit. Also gehen wir da nicht als Ganzes ran, sondern mit Schaufeln. Also schreib jeden Tag ein Kapitel. Oder eine Szene – das hängt von deiner Struktur ab. Und „veröffentliche“ sie. Poste den Text einer lieben Kollegin oder deinem Betalese-Team – völlig egal, solange du deinen Text loslässt und weitermachst. Dazu braucht man diese „Schreibzeugen“, die mit dir zusammen sehen, wie das entsteht, was du planst.
Und dann kommt relativ schnell das magische Wort „Ende“.
Und dann?
Tja, dann liest du das nochmal im Kontext, schreibst die Übergänge etwas runder, feilst hier und da und überarbeitest den Text noch mindestens einmal von vorn bis hinten, vielleicht gleich mit erstem Feedback, deiner Schreibzeugen.
Dann kommt das Lektorat, das Korrektorat, Cover, Buchsatz, Inhaltsverzeichnis … ISBN, Rechtshinweise und so weiter … und schwupps, wird es höchste Zeit, sich über das Marketing Gedanken zu machen. Aber das ist ein anderes Thema, das wir hier nicht vertiefen.
Denn eines muss klar sein: Egal, wie genial ihr eure Social Media-Kanäle bespielt, wie eure Follower euch liken, wie ihr genau wisst, wie man Werbekampagnen fährt, geile Lesungen hält und all das, was eben zum Autorendasein auch dazugehört – ohne Buch habt ihr nichts davon. Als erstes braucht ihr ein Produkt. Ein Buch. Euer Buch.
In diesem Sinne: Ran an die Tasten!
4 Comments
Aleshanee
Schönen guten Morgen!
Ein Buch in einer Woche 😀 Vorstellen kann ich mir das ehrlich gesagt gar nicht. Aber man sollte nie nie sagen und die ganze Vorarbeit – wenn man welche braucht – sollte dann ja vielleicht schon erledigt sein, so dass man sich auf das „reine Schreiben“ fokussieren kann.
Weshalb mich der Artikel jetzt besonders angesprochen hat sind die Eingangsworte. Wird tatsächlich so viel Neues verlangt? Ich finde ja der Markt ist viel zu überschwemmt und als Leser weiß man gar nicht mehr, womit man anfangen soll und die Wunschlisten wachsen ins Unermessliche ^^ Der Trend sollte eigentlich wieder dahin gehen, etwas Ruhe einkehren zu lassen. Und ja, da spricht mein eigener Nutzen *lach* Ich wähle ja eh sehr gesondert aus, was ich lesen möchte und trotzdem komme ich den vielen Neuerscheinungen nicht hinterher. Auch weil man ja auch immer wieder ältere Bücher und Reihen entdeckt, die sich lohnen gelesen zu werden…
Liebste Grüße, Aleshanee
Kay
Wenn man es insgesamt betrachtet, dann gibt es gewiss genug neue Bücher (gab es wohl immer). Aber die Ungeduld der Fans und vor allem der Algorithmen treiben halt konkret immer weiter. Man muss regelmäßig, dauernd den Algorithmus füttern und daran gewöhnen sich dann auch die Fans und werden schon hibbelig, wenn es „nur“ alle 2 Monate ein neues Buch gibt. So jedenfalls berichten es uns viele Autorinnen und Autoren. Aber ja, der Titel ist bewusst ein bisschen überspitzt gefasst. 🙂
Aleshanee
Ich kann mir schon vorstellen, dass da viele ungeduldig sind – bin ich ja auch desöfteren 🙂
Aber ich weiß nicht, ob man sich dem „beugen muss“… man kann halt ein Buch nur so schnell schreiben wie Ideen kommen und wie man die Zeit findet. Wenn man sich daran festhält und diesen Konsum befriedigt kommt man ja in diese Spirale rein und in einen Druck, der sich für mich nicht sonderlich gut anfühlen würde.
Was genau meinst du mit Algorithmus? Dass regelmäßig etwas neues erscheinen soll?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich es immer etwas suspekt finde, wenn von jemanden alle 2 Monate ein neues Buch erscheint, weil ich mich frage, wie man in dieser Zeit etwas „sinnvolles“ schreiben kann. Um es auch etwas überspitzt auszudrücken 😉
Ich möchte damit auch niemandem absprechen, das zu schaffen, aber ich bin eher so, dass ich dann lieber warte.
Aleshanee
Guten Morgen!
Ich hab euren Beitrag heute in meiner Stöberrunde verlinkt und hoffe, dass noch andere Meinungen dazu kommen. Irgendwie kann ich mich mit diesem „Zwang“ Gedanken bzw. dieser Schnelligkeit nicht so wirklich anfreunden ^^
Liebe Grüße, Aleshanee