Zu Besuch bei Alexandra Dohse
Heute haben wir in unseren Terminkalender geschaut und festgestellt wir haben einen Termin mit der Grafikdesignerin Alexandra Dohse. Sie steht mit dem von ihr gestalteten Buchcover „Mörderische Masche: Ein Fall für Henri und den Häkelclub“ von Karla Lettermann auf der Midlist Buchcover von Christin von Giessel Design.
Für uns ist das natürlich ein sehr guter Grund, sie heute zu besuchen. Persönlich kennen wir sie noch nicht, aber deshalb haben wir uns ja heute auf den Weg gemacht, um sie kennenzulernen. Die Beschreibung, die Alexandra uns gegeben hat, passt perfekt, wir sind angekommen!
Zu Besuch bei Alexandra Dohse im Grafikkiosk
Hallo, liebe Alexandra, wir freuen uns sehr, dass du heute für uns Zeit hast und wir vorbeikommen dürfen, um ein paar Fragen an dich zu stellen. Sollen wir gleich anfangen? Ach, schau, kennst du unseren Skoutz-Kauz? Er ist notorisch neugierig und dreht schon mal seine Runden, um sich bei dir umzuschauen …
Wo sitzen wir denn, also wo willst du uns empfangen?
Wir sitzen in München, Untergiesing vor meinem Büro, dem grafikkiosk.
Quasi bei uns um die Ecke. Die Skoutz-Redaktion residiert oberhalb des Tierparkbergs in Harlaching. Das schaut aber sehr nett hier aus.
Unter der hellblauen Markise lässt es sich in der warmen Abendsonne gut aushalten. Hier arbeite ich seit 18 Jahren, und fühle mich sauwohl.
Kann ich gut verstehen, hier kann man sich auch nur wohlfühlen. Es ist eine richtig schöne Atmosphäre.
Zu dieser Tageszeit leuchtet die Oefelestrasse golden … man hört Vogelgezwitscher, Tauben gurren, Gelächter von der Kneipe am Eck und ein dazu ein paar Leute, die ins Gespräch vertieft und sehr glücklich vom Freibad kommen.
Auf Anhieb habe ich beim Ankommen gedacht, hier ist die Welt in Ordnung. Das ist halt der besondere Charme von Untergiesing. Was hast du denn da auf dem Tablett?
Ich biete Euch einen Kaffee Freddo an, einen kalten Cappuccino, in dem die Eiswürfel klirren. Der erinnert mich immer an Griechenland. Das passt gut zu einem sommerlichen späten Nachmittag, oder?
Lecker, sehr gerne. Passt und schmeckt wunderbar!
Nach welchem Motto lebst du? Und wirkt sich das auch auf dein Schreiben aus?
Es kommt, wie’s kommt. Das Leben ist ja leider nicht planbar. Ich vertraue meiner Intuition, erfreue mich an der Schöpfung und versuche, das Auf und Ab des Lebens zu nehmen, wie es ist. Was ich tue, mache ich mit Hingabe.
Absolut richtig, alles andere nutzt nichts. Wenn man nicht ausweichen kann, dann sollte man sich hineinstürzen. 🙂 Wie setzt du das im Detail um?
Ich freue mich jeden Tag darüber, dass ich mit einer Arbeit Geld verdiene, die mir so viel Spaß macht und meiner Leidenschaft entspricht. Ich arbeite konzentriert, vertiefe mich in meine Aufgaben und ich finde – während ich kreativ tätig bin – meine Mitte.
Wir hatten schon beim Ankommen das Gefühl, als ob du in dir „ruhst“ – klingt wirklich wundervoll. Gerade jetzt in diesen Zeiten, wo Stress und gegenseitiges Misstrauen uns allen irgendwie zusetzt.
Was ist dein erster Gedanke, wenn ich dich frage, was du GAR NICHT magst?
Wenn mir jemand vorschreibt, was ich sagen darf und wie ich sprechen und denken soll. Seit einiger Zeit störe ich mich an der Bevormundung durch Politiker und Medien, die meinen, festlegen zu können, was richtig oder falsch ist.
Du bist freiheitsliebend, ich sehe schon. Verstehe ich aber auch, weil es mir ganz ähnlich geht. Passt aber auch zum Klischee vom meinungsstarken Bayern. Was ich erwähne, weil es mich zur nächsten Frage bringt …
Als Klischee wird man nicht geboren, sondern muss sich den Titel erarbeiten. Klischees sind so praktisch wie lästig. Wie gehst du persönlich mit ihnen um? Beim Designen wie im Leben?
Oh. Ein hochinteressantes und brisantes Thema!
Ja, finden wir auch und deshalb fragen wir auch danach. Dazu gibt es so viele unterschiedliche Meinungen. Ich bemerke das in der letzten Zeit bei den Interviews immer wieder. Vor allem, weil viele es auch als etwas Abwertendes verstehen, was meiner Meinung nach nicht ganz fair ist.
Also ich liebe Klischees! Sie dienen der spontanen Orientierung. Im Bereich der Gestaltung von Wort und Bild: sie sind dazu da, das richtige Signal an den gewünschten Empfänger zu senden.
Ich gestehe, ich bin auch ein Freund von Klischees, vor allem in Geschichten, wo damit gespielt wird und am Ende doch alles anders ist, als man vermutet. Aber beim Gestalten, wo man im Gegensatz zum Schreiben noch viel weniger Zeit hat, um seine Botschaft zu vermitteln, sind solche Erwartungen, Sehgewohnheiten und Metaphern sicherlich noch viel wichtiger.
Sie helfen dabei, etwas beim Empfänger auszulösen. Es macht ab und zu Spaß, das Klischee bewusst in die Ecke zu stellen und zu überlegen: Wie visualisiere ich Dieses oder Jenes OHNE ein Klischee zu benutzen?
Und? Klappt es?
Das macht Spaß und ist eine gute Übung. Auch vor dem Einschlafen … oder wenn man irgendwo warten muss (und mal nicht in seinem depperten Handy rumtatschen will).
Da sagst du was, ich versuche draußen immer das Handy nicht zur Hand zu nehmen, es sei denn, ich muss telefonieren oder finde gerade ein schönes Motiv zum fotografieren. Das zeigt aber, dass du der Sache positiv gegenüber stehst, ja?
Ganz genau! Ich kann nicht so ganz nachvollziehen, warum Klischees so verteufelt werden …. ich denke aber, diese Abwehrhaltung (gerade in Deutschland) kommt daher, dass viele Menschen das „Klischee“ mit „Vorurteil“ oder „Stereotyp“ gleichsetzen. Was falsch ist, denn das Klischee hat im Gegensatz zum „Vorurteil“ oder „Stereotyp“ nichts mit Normvorstellungen über Menschen zu tun!
Da bringst du was sehr wichtiges auf den Punkt. Es ist halt eine Wahrscheinlichkeit. Ein erlebter Statistikwert sozusagen. Und wie bei der Statistik, wird es in Masse stimmen, ohne je eine Aussage über das Individuum zu treffen.
Und aus diesem Missverständnis wird klar: natürlich will sich hierzulande kein Mensch, auch nur im Ent-fern-tes-ten dem ungeheuren Verdacht ausliefern, Vorurteile zu haben oder in Stereotypen zu denken. Gott bewahre !!! Wir braven Deutschen doch nicht! Deshalb hat das Klischee – unberechtigterweise – in Deutschland so einen schlechten Ruf.
Was auch schon wieder ein Klischee über uns dauerverkrampfte Deutsche ist. 🙂 Dabei ist selbst ein Vorurteil nicht schlimm, solange wir darauf achten, dass es nicht zum Endurteil wird. Darauf sollten wir meiner Meinung nach mehr Wert legen. Das geht eh nicht. Die Welt ist doch viel zu bunt, um all ihren Reizen zu begegnen, ohne vorzusortieren. Aber zurück zu unseren Fragen …
Was macht für dich ein gutes Cover aus und wie baust du dein Coverdesign auf? Worauf achtest du besonders?
Ich lese zunächst alles, was ich über das Buch in die Finger bekomme: über den Autor, seine Bücher, über den Inhalt, ich lese mich in die Sprache des Autors ein, um ein Gefühl zu bekommen, was er ausdrücken will und wie er es ausdrückt. Ich stelle mir die Zielgruppe genau vor „unterhalte“ mich mit ihr. Klingt komisch, funktioniert aber . Manchmal fallen mir spontan Bilder oder Situationen ein, die zusammen mit dem Titel eine Art „Spannungsverhältnis“ eingehen. Dann mache ich Skizzen und gehe auf Bildersuche, und währenddessen summt der Buchtitel wie ein Mantra durch meinen Kopf .
Klingt spannend, so bildhaft wie du das schon schilderst, wäre ich bei deinem Findungsprozess gerne einmal dabei. Ist das nicht ein sehr persönlicher Prozess, wenn du dich so auf das Buch einlässt?
Ich achte immer darauf, dass ich hinter dem Cover verschwinde! Wisst Ihr, was ich meine? Es ist nicht dazu da, dass ICH mich künstlerisch ausdrücke, sondern es ist dazu da, dass der Inhalt dem geneigten Leser zugänglich gemacht wird. Ich diene sozusagen.
Ja, das kann ich gut verstehen. Du hast einen künstlerischen Auftrag, aber den stellst du in den Dienst an der Geschichte. Das finde ich einen sehr schönen Gedanken. Was ist das, dass dann durch dich, aber ohne dich entsteht?
Oft ergibt sich eine Titel-Bild-Kombination, die zusammenpasst: sei es, dass sie sich ergänzen (Das Bild zeigt, was der Titel nicht beschreibt) oder im Gegensatz zueinander stehen (Das Bild zeigt das Gegenteil von dem, was der Titel ausdrückt).
Ich finde das unglaublich interessant, eigentlich würde ich mich gerne mal für einen Tag bei dir einladen, um dir über die Schulter zu schauen.
Du sagtest ja schon, dass Cover und Geschichte eng zusammengehören …
Cover sind der berühmte erste Eindruck, den ein Buch macht. Wie wichtig ist der Inhalt für das Cover? Wie suchst du Motive aus, wenn du kaum Infos zum Buch hast? Geht das überhaupt?
Das Cover ist die Tür zu der Welt, die der Autor uns zu Füßen legt.
Oh, wow! Das ist ein starker Spruch. Den muss ich mir merken.
Auch mit wenigen inhaltlichen Details ist es möglich, dem „Feeling“ des Buches einen visuellen Ausdruck zu verleihen und die Absicht des Autors für die Zielgruppe zu transportieren. Das Motiv muss dem Betrachter die richtigen Signale liefern, so dass der Betrachter dann zum „Buchkäufer“ und zum Leser wird.
Kann ich bestätigen. Es gibt Cover, die dann gemeinsam mit dem Klappentext bei mir einen unwiderstehlichen „Kaufreflex“ auslösen. Wenn wir schon bei Sprichwörtern sind …
Ein Sprichwort sagt „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.“ – Wie findest Du diesen Satz?
Ich würde sogar soweit gehen zu sagen „Das Buch ist die Welt, die man in der Tasche trägt.“
Ja, vielleicht gehe ich deshalb so selten ohne Buch aus dem Haus 😀
Mit welchem Buch wurde deine Liebe zu Büchern geweckt?
Mit einem Märchenbuch von Hans Christian Anderson (erst vorgelesen bekommen, dann selber gelesen)
Die Märchen mag ich auch so gerne. Wir waren früher sehr oft in Dänemark und da war die kleine Meerjungfrau immer dabei. Und wie ging es weiter?
Dann kamen „Der kleine Wassermann“ von Otfried Preussler (erst vorgelesen bekommen, dann selber gelesen) und anschließend „Die kleine Hexe“ von ihm.
Otfried Preussler hat viele kleine Nochnicht-Autoren geprägt. Mia M. Hope zum Beispiel. 🙂 Ach! Du transportierst mich gerade voll in meine Kindheit! Komm mach weiter …
Von Erich Kästner „Pünktchen und Anton“, „Emil und die Detektive“ und „Das fliegende Klassenzimmer“. Ich habe Erich Kästner geliebt!!! Für mich ist er übrigens einer der wichtigsten Autoren und gescheitesten Männer unserer Zeit. Oh, ich erinnere mich auch plötzlich an „Heisse Kriminalgeschichten, eiskalt serviert“ von Alfred Hitchcock … das habe ich sicher fünf Mal gelesen.
Hört sich für mich so an, als ob wir viele Bücher „gemeinsam“ gelesen haben …
Erzähl mir von Oma von Guus Kujier.
Ah, das kenne ich jetzt nicht.
Das Tagebuch der Anne Frank
Da ist ja wirklich von allem etwas dabei. Ich bin gerade ganz nostalgisch.
So, das waren jetzt meine spontanen Buch-Erinnerungen zwischen meinem 4. und 12. Lebensjahr!
Schweren Herzens würde ich jetzt aus Zeitgründen abbrechen und lieber mal zu anderen Buchliebhabereien sprechen:
Wie sortierst du deine Buch-Regale?
Nach Genre. Wobei in einem der Regalfächer immer meine „Top 5“ zusammenstehen (ungeachtet des Genres). Soll ich Euch meine momentanen Top 5 nennen? Oder ist das dann Werbung?
Nein, das ist keine Werbung, sag mir ruhig deine Top 5. Wer weiß, vielleicht ist das ja auch etwas für mich dabei. Wir können ja ein Alexandra Dohse Buchregal machen. 🙂 Das ist eine hübsche Idee.
Aber ich möchte nochmal aufgreifen, was wir vorhin schon gestreift haben, den Umgang mit Verboten, Wünschen und notwendiger Rücksichtnahme. Oder mit anderen Worten …
Kunstfreiheit auf dem Prüfstand
Die gesellschaftliche Diskussion über das, was man in der Kunst tun und lassen darf, ist zur Zeit sehr hitzig. Wie stehst du dem gegenüber und wie beeinflusst das deine eigene Arbeit?
Kunst zeigt ungefiltert, was in uns Menschen vorgeht. Sie muss also auch ausdrücken dürfen, was die Gesellschaft nicht sehen will oder darf, oder beides 😉
Ja, genau. Dass Kunst zeigt, was bewegt, auch wenn sie selbst bewegt, ist so ein bisschen das Bild von Henne und Ei. Auf jeden Fall sind aber Bewegung und Emotion maßgeblich dabei, was Kunst ist und kann. Was ist für dich die Aufgabe von Kunst?
Ihr Sinn besteht darin, ein Spiegel für Gesellschaft und Staat zu sein. Sie hinterfragt und muss kritisch sein dürfen. Die Kunstfreiheit ist im Grundgesetz verankert; sie ist sozusagen „die Tochter“ der Meinungsfreiheit.
Schon richtig, aber es gibt sicher auch Grenzen, die irgendwo gezogen werden müssen.
Ich sehe mich als Grafikdesignerin weniger als Künstler, sondern mehr als Kommunikationsdesigner; aber von meinem Recht, meine Meinung frei zu äußern, mache ich Gebrauch und ich hoffe, damit der Demokratie und somit der Freiheit von Wort und Kunst meine Ehre zu erweisen.
Ich finde durchaus, dass auch dein Job in hohem Maße künstlerisch ist. Und das ist auch wichtig, weil es das Bild schöpferisch und damit eben auch menschlich macht. Darum muss es eben auch geschützt sein.
Chat GPT und andere KI-Apps sind gerade in aller Munde. Was hältst du davon, dass KI Geschichten, ja ganze Bücher alleine verfassen kann? Sind das für dich überhaupt richtige Werke?
Ich kann nur über die KI im Bereich „Bilder“ sprechen: Um die KI Bilder generieren zu lassen, muss man ihr genau sagen, was sie tun soll. Der Nutzer von KI muss also in der Lage sein, seine Idee in Sprache zu fassen und seiner Fantasie mit einer sehr genauen Beschreibung sprachlich Ausdruck zu verleihen.
Dieser Akt ist also der künstlerische Akt und die KI dann ein komplexer Pinsel, wenn sie auf Suche geht, was passen könnte, oder?
Ja, aber das genügt noch nicht: der Nutzer muss auch das Gefühl und die Stimmung, die das Bild ausdrücken soll, sehr genau beschreiben. Das ist eine Kunst für sich. Die KI ist kein Mensch, sie ist (noch!) ein Werkzeug; sie greift als solches mit unserer Hilfe nur auf das zurück, was sie kennt, bzw. kombiniert Bekanntes neu.
Bekanntes alleine ist es ja nicht. Sie kombiniert Vorhandenes und bringt damit nur eine Variation, schafft nichts Neues. Auch wenn das vermittelt wird.
Aber ja, ich bin auch echt gespannt, was wir mit KI in Zukunft erleben können. Ich gebe es offen zu, ich bin eher ein Skeptiker, bin mir nicht sicher, ob ich KI gut finden soll. Ich denke, ich muss mich einfach überraschen lassen.
Welche Frage sollen wir dir nächstes Jahr im Interview stellen?
Gute Frage!
Ja. Und du hast dich geschickt gedrückt. 🙂
Aber das macht nichts. Ich sehe schon, dass uns auch spontan nicht der Gesprächsstoff ausgeht. Allein mit den vielen, vielen Büchern, die uns verbinden.
Liebe Alexandra, leider ist unser Interview schon zu Ende. Wir haben uns hier bei dir sehr wohl gefühlt und die gesamte Atmosphäre hier war einfach perfekt! Hab vielen lieben Dank für deine Zeit und deine Antworten. Für den weiteren Wettbewerb wünschen wir dir viel Erfolg.
Hier gibt es mehr über Alexandra Dohse:
Grafikkiosk* – Homepage von Alexandra.
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