Zu Besuch bei Kathrin Schobel

Kathrin Schobel ist meine heutige Interviewpartnerin und ich freu mich schon sehr auf unser Treffen. Bei meiner Recherche habe ich herausgefunden, dass sie zwar noch keinen Doktortitel hat – was einige in ihrer Familie zwar erschüttert, aber nicht so schlimm, dass sie mit Tüten auf dem Kopf herumlaufen –, aber fleißig Kulturwissenschaften studiert. Okay, damit wird sie mal nicht Präsidentin der USA werden … wobei …

Na ja egal, zudem hat sie in ihrer aktiven Schullaufbahn eine unglaubliche Siegesserie beim Literaturwettbewerb Burgdorf hingelegt, was ihr eine ebenso unglaubliche Anzahl an Buchgutscheinen eingebracht hat. Angestachelt von diesem Erfolg nahm sie auch an einem schulinternen Nachwuchsjournalisten-Wettbewerb teil. Doch auf dem zweiten Platz erkannte sie schnell, dass sie zu viel Talent in sich trägt und entschied sich neue Wege zu beschreiten – abertausende Schüler können sich mit ihrem Berufswunsch Influencer doch nicht täuschen, oder? – und entdeckte die Kulturinstitution YouTube für sich. Ich bin mir sicher, dass noch sehr viele spannende Antworten auf mich warten und ich bin motiviert, sie alle aus hier herauszukitzeln … Natürlich nicht wortwörtlich …

 

zu Besuch bei Kathrin Schobel, deren Kreativität viele Facetten hat …

 

In einem Wort: Was bedeutet für dich „Schreiben“?

Vorgaben brechen

Ich merk schon 😉

 

 

Was ist der seltsamste Ort, an dem du je geschrieben hast?

Es ist schon eine Weile her. Ich weiß nicht, welche mysteriöse Kraft da von mir Besitz ergriffen hat, aber ich bin auf die wahnwitzige Idee gekommen, mal diese „Bibliothek“ zu suchen, die meine Uni angeblich hat.

Warst du erfolgreich?

Da saßen untot anmutende, blasse Gestalten und haben gearbeitet. Auf den zweiten Blick haben sie sich als Studenten herausgestellt, und weil ich ihre Aufmerksamkeit nicht auf mich ziehen wollte, habe ich mich dazugesetzt, an meinem Buch geschrieben, und mich bestimmt zwei Stunden nicht getraut, wieder aufzustehen.

 

 

Wie entstehen deine Geschichten?

Wenn ich das wüsste. Sobald ich das Bedürfnis habe, sie aufzuschreiben, sind sie im Groben meistens schon fertig, und bei dem, was da manchmal entsteht, hat die Idee mindestens sechs der neun Höllenringe hinter sich.

Kampferprobt sind sie dann ja … Wie geht es weiter?

Der Feinschliff kommt beim Schreiben. Meist, weil ich mir an einem Punkt denke „Wenn mein Protagonist jetzt X tun würde, wäre er schon verdammt badass“, und ihn dann das Gegenteil tun lasse. Dabei wird erstmal passioniert gelitten, denn Schreiben ist Leiden, und jeder, der etwas anderes behauptet, muss mir bitte dringend seinen Trick verraten.

 

 

„Es wird immer weniger gelesen“ – Wie reagierst du auf diesen Satz?

Maximal mit müdem Kopfschütteln.

Das dabei sich bildende minimal abfällige Lächeln und die zuckende Augenbraue unterstreichen diese Geste 🙂

Meistens, wenn dieser Satz fällt, dann geht es nur um Bücher und darum, im Nachgang DiE JugEnD dafür zu kritisieren, dass sie verdummt und keine Vorstellungskraft mehr hat. Nun sind die bösen jungen Leute aber mitunter die kreativste Generation, die ich kenne, weil auch technische Geräte den Kopf herausfordern, weil auch Filme die Kreativität anregen und weil Worte gerade online allgegenwärtig sind. Wer wirklich glaubt, es wird immer weniger gelesen, der hat sich meiner Meinung nach noch nie wirklich mit dem Internet auseinandergesetzt.

*hängt fasziniert an ihren Lippen*

Geschichten gibt es überall da draußen. Manchmal sind es die anderer Menschen, manchmal sind es Fanfiktions, manchmal sind sie nur 280 Zeichen lang. Wenn man jetzt auch noch meine eigene Beobachtung dazu nimmt, dass gerade die jungen Leute eigentlich noch sehr gerne lesen, und viel mehr Wert auf das gebundene Wort legen als so manche E-Book-Eltern, sieht es für das Buch meiner Meinung nach gar nicht so schlecht aus, wie das manche schwarzmalen wollen.

 

 

Wie stehst du zu Schreibregeln, die bestimmen, was der 1. Satz auf keinen Fall enthalten darf, welche Worte man verwenden soll und welche zu vermeiden sind, wie lang ein Satz sein darf, etc.?

Fantasie, Zeitgeist, Slang, Kreativität. Vor langer Zeit lebten alle vier Disziplinen in Harmonie, doch dann erklärte ihnen die Normsprache den Krieg, und alles änderte sich. Nur die künstlerische Freiheit, Herrin aller Worte, hätte sie aufhalten können. Aber als die Welt sie am meisten brauchte, entdeckte die Marktwirtschaft den Profit.

Ich könnte dir ewig zuhören … Aber wie stehst du dazu?

Wie ich also dazu stehe? Meistens mit dem Rücken. Mit den beiden Titanen Rechtschreibung und Grammatik lege ich mich hier gar nicht an, aber ich werde mein Leben an der Seite von Umgangssprache, Stilmitteln und Autorenfreiheit geben. Leider gibt es in den Büchern heutzutage zu wenig Platz für Generation und Veränderung, und ich bin sogar der Meinung, dass man keinen dadaistischen Gedichtband rausbringen muss, um mit der reinen Form der Sprache in einem Fließtext zu spielen.

 

 

Welches Buch hat dich am meisten geprägt und warum?

Ich kann meine Freunde, die dieses Interview lesen, schon seufzen hören, wenn ich jetzt wieder „Spieltrieb von Juli Zeh“ sage.

Krass, ich hör sie auch … Nein, nur ein Scherz. Was ist an diesem Buch so besonders?

Es hat mich gefunden, als ich es gerade gebraucht habe. Wie vermutlich jeder habe ich meinen Geschmack und ganz spezielle Ansprüche an Bücher, die mir mit geballter Faust in den Magen schlagen sollen. Meistens, wenn ich eins finde, denke ich wehmütig an eine kritische Phase meines Lebens zurück, in der ich das wunderbar hätte gebrauchen können. Spieltrieb war klug, ist nicht mit der Deutschen Bahn gefahren und kam genau dann, als mein Geist schwach und mein Fleisch willig war. Ohne dieses Buch wäre ich heute wesentlich glücklicher, aber auch um Längen langweiliger und ganz bestimmt kein edgy artist tm.

 

 

Wenn du für einen Tag in ein Buch reisen könntest, in welches würde es dich ziehen?

Aktuell, in Immanuel Kant’s „Kritik der reinen Vernunft“ …

Du schaffst es immer wieder mich zu überraschen …

Mit einer Axt und einem Sack voll Satzzeichen.

Siehst du, schon wieder *tztztz*

 

 

Bist du ein mutiger Mensch? Wann hast du das letzte Mal was zum ersten Mal gemacht und was war das?

Ich weiß nicht mehr, in welchem Stadium der Verzweiflung es war, aber ich habe mir mal vorgenommen, möglichst jeden Tag etwas zu tun, was ich noch nie vorher gemacht habe.

Ein interessanter Vorsatz. Bist du erfolgreich? 

Das sind dann meistens Kleinigkeiten, und wenn es nur mal eine andere Treppe ist als die, die ich in der Uni sonst nehme. Regelmäßig bringe ich mich auch zu großen Dingen, wobei das Hindernis da nie ist, dass ich mich nicht traue, sondern, dass große Veränderungen ohne Schaden an meinem aktuellen Lebensverlauf Luxusgüter sind, schwer zu planen und oft kaum zu bezahlen.  Manchmal fällt mir so was aber auch mehr oder weniger in den Schoß.

Zum Beispiel?

Meine ersten Signierstunden als Autor auf der Leipziger Buchmesse, das war ein ganz großes erstes Mal und ich war vorfreudig nervös, aber es war wunderschön und hat auch gar nicht wehgetan.

 

 

Für welches Produkt würdest du als Testimonial Werbung machen? Warum?

Da mein Spitzname „Tex“ ist, besitze ich dank meiner Freunde eine ganz schnucklige Sammlung von Bildern von Produkten oder Firmen, die „Tex“ im Namen haben. Dass ich „Alpha-Tex“ lebe, muss ich nicht erklären. Also das, oder Schmerzsalbe, weil ich gucken kann wie das Pain Harold Meme.

*macht sich eine Notiz, dass sie unbedingt nachschauen muss, was das alles bedeutet und nickt lächelnd* 

 

 

Was machst du, wenn du eine Nacht im Kaufhaus eingeschlossen wärst?

Ich gehe zu Build-a-bear. Ich breche bei Build-a-bear ein.

Und dann?

Suche ich die Kiste mit den Aufnahme-Lautsprechern. Ich bespreche jeden davon mit einem kontextlosen Zitat aus Shrek 2.

Ach wunderbar, eine geregelte Darmtätigkeit ist die perfekte Lösung für alle Eheprobleme …

*läuft rot an, weil der Mund schneller war als der Kopf* 

Du kleines Katzenstreu leckendes Fellteil.

*Möchte am liebsten im Erdboden versinken*  Entschuldige, ich weiß auch nicht, was mit mir los ist …  Ich liebe den Film … Wie geht es weiter?

Ich tausche die Kiste mit der der fertigen Bärengrummel-Lautsprecher. Ich überfalle Depot und loote einen dieser geilen Korbsessel, den ich neben Build-a-Bear stelle. Dann warte ich darauf, dass das Einkaufszentrum öffnet.

 

 

Was ist der erste Gedanke nach dem Aufstehen? Was machst du in der ersten Stunde nach dem Aufstehen?

[„Erster Gedanke nach dem Aufstehen am frühen Morgen“ ist leider in Ihrem Land gesperrt, da der Text explizite Worte enthält und gegen das Jugendschutzgesetz verstößt]

 

 

Welche Superkraft hättest du gerne?

Ich würde gerne beim ersten Versuch Plastiktüten aufmachen können, ohne, dass sie seitlich einreißen und alles rausfällt, aber ich weiß nicht, ob die Welt schon bereit dafür ist.

Puhh … da bin ich mir nicht sicher …

Darum nehme ich lieber diese Teleportations-Geschichte aus Jumpers, das ist der Traum von jedem, dem im Auto schnell schlecht wird.

 

 

Welcher Irrtum kursiert über dich?

Ein sehr charmanter Irrtum über mich, der sich hartnäckig wiederholt, ist, dass ich alles kann. Mein lieber Fanclub. So eine spiegelglatte Goldfassade fehlerloser Grazie und Anmut kann täuschen. Manchmal würde ich online auch gerne mehr wirken wie einer von euch, aber Charme und gutes Aussehen können eine Bürde sein. Dabei sei euch gesagt, ich kann so vieles nicht. Tatsächlich bin ich ein wandelndes Disaster.

Desaster …

Siehst du? Die Königsdisziplin Mathematik entzieht sich mir. Ich vergesse Dinge. In keiner einzigen Sportart bin ich auch nur halbwegs vorzeigbar. Ich rufe meine Oma an und bitte sie um Hilfe, weil ich glaube, das Internet gelöscht zu haben.

 

 

Was würdest du deinem 10 Jahre jüngeren Ich raten?

Junges Fräulein. Es gibt einen Grund, warum man Wunderkerzen einzeln anzündet. Die werden ab zwölf Jahren verkauft, weißt du, was das heißt? Dass man Menschen über zwölf Jahren zutraut, verantwortungsvoll damit umzugehen. Ich weiß, du machst das mit deinen Chipstüten genau so, aber nur, weil viel drin ist, heißt das nicht, dass du dir auch alles auf ein mal gönnen musst. Du verbrennst da Eisen und Aluminium, darum ist eine Wunderkerze so hell. Und du willst jetzt unbedingt 25 Stück auf einmal anzünden, nur, um deine Freunde zu beeindrucken? Was erwartest du, das passiert? Du bist 14, und alle deine Entscheidungen sind erbärmlich und hormongesteuert. Du musst diese Erfahrung nicht machen. Es wäre schade um die Schuhe.

Das hätte ich gern gesehen … 🙂 Und bevor ich dich schweren Herzens wieder verlasse, wüsste ich noch gern …

 

 

Was wolltest du der Welt schon immer einmal sagen? Raus damit!

Vielleicht geht es bei diesem Ding namens „Respektvolles Zusammenleben“ gar nicht darum, zu bewerten, warum jemand verletzt ist. Womöglich muss man eine Meinung nicht immer teilen, um sie zu respektieren. Möglicherweise ist man gar nicht verpflichtet, ein Verhalten nur zu übernehmen, wenn man selbst dahintersteht.

Ein Spiel ist schwierig, zu spielen, wenn jeder seine eigene Idee der Regeln zur Norm machen will. Wenn dieses Spiel jetzt „Leben“ heißt, ist es natürlich auch nicht ganz bequem, wenn man sich bei jeder zweiten Regel nach jemand anderem richten muss. Aber vielleicht heißt das Spiel eigentlich „Öffentlichkeit“, oder vielleicht „Umgang“, oder „Verantwortung“. Dann ist vielleicht einfach nur wichtig, die Regeln zu beherzigen, wenn man gerade am Zug ist, denn dann sind Menschen in der Nähe, denen dieses Verhalten hilft und guttut. Vielleicht kann man dann auch, ohne „ja nichts mehr zu dürfen, weil sich gleich jeder angegriffen fühlt“, Witze mit Freunden machen, wenn niemand dabei ist, dem sie wehtun. Vielleicht muss das gar keine harte Ganz-oder-Gar-nicht-Sache sein, sondern einfach nur respektvoll und höflich der Umwelt gegenüber, und die hat viele Facetten und viele Bedürfnisse. Es bricht einem keinen Zacken aus der Krone der Dominanz, darauf Rücksicht zu nehmen, wann und wie etwas angebracht ist. Das große Ziel ist nicht, dass jemand etwas sein lässt, weil er muss, sondern, dass er seinen Gegenüber gut genug versteht, um das zu möchten.

Du Poetin … Dem habe ich nicht viel hinzuzufügen, außer: Vielen Dank, liebe Kathrin Schobel, dass du dir die Zeit genommen hast, mich zu treffen und all meine Fragen so geduldig zu beantworten. Es war wirklich ein Erlebnis und ich würde mich freuen, wenn wir das irgendwann einmal wiederholen. Deinem Debüt wünsche ich für den weiteren Wettbewerb viel Erfolg und wer weiß, vielleicht sehen wir uns bereits in Frankfurt zur Verleihung des Skoutz-Awards wieder.

 

Mehr über Kathrin Schobel und ihre Bücher erfahrt ihr:

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oder ihr beschwört sie, in dem ihr leise „Literaturwissenschaft ist überbewertet“ sagt. (klappt meistens 😉 )

 

Zudem gibt es auch ein eigenes Lied zu Don Sullivan (quasi der Teaser zum Release) (Tonbearbeitung ton-tech.de)

https://www.youtube.com/watch?v=Bch3fR1K994

 

Hinweis:

In ihrem vielversprechendem Debütroman “Don Sullivan”, der im September 2018 beim Talawah Verlag erschienen ist, entführt uns Kathrin Schobel auf 646 Seiten in den Wilden Westen. Dort lernen wir Don Sullivan, den etwas anderen Kopfgeldjäger, und seine beiden Kollegen kennen, die einen Auftrag der besonderen Art ins Haus bekommen.

Mit ihrem neurotischen, klischeesprengenden und egozentrischen Protagonisten konnte Kathrin Schobel unseren Skoutz Juror Andreas Suchanek überzeugen, “Don Sullivan” aus über 300 Titeln der Fantasy-Longlist zu erwählen. Sie ergatterte einen der begehrten Midlist-Plätze und damit vielleicht die Chance auf den Skoutz Award 2019.

Mehr spannende Details findet ihr in der ausführlichen Buchvorstellung. (Weiterlesen)

 

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